450.000 Menschen haben vergangenen Samstag in Israel gegen die explodierenden Preise demonstriert – in einem Land von nur 7,7 Millionen Einwohnern! Es sind die größten Proteste, die das Land jemals erlebt hat.
Angefangen hat alles mit einer jungen Frau, die die neueste Mieterhöhung ihrer kleinen Wohnung nicht mehr bezahlen konnte und aus Protest ihr Zelt auf einer Schicki-Micki-Straße von Tel Aviv aufschlug. Dieser kleine Anstoß reichte, um die Protestwelle auszulösen: Seitdem demonstrieren Zehntausende, ja Hunderttausende jeden Samstag.
Die Proteste richten sich gegen die explodierenden Preise von Lebensmitteln und Mieten, die in den letzten 5 Jahren in Tel Aviv um 73 Prozent gestiegen sind. Die Proteste prangern auch die explosionsartig anwachsenden Ungleichheiten an: Jeder fünfte Israeli lebt mittlerweile unter der Armutsgrenze, während auf der anderen Seite „ein Dutzend Familien ein Drittel der Wirtschaft des Landes besitzt“.
Wie in Chile, mehreren arabischen Ländern, Spanien oder Griechenland ist auch hier nun der Moment gekommen, an dem Hunderttausende diese ständigen Verschlechterungen ihrer Lebensbedingungen nicht länger ertragen.
In Israel freuen einen diese sozialen Proteste umso mehr, weil sie gleichzeitig den Mythos aufbrechen, dass alle Israelis, ob arm oder reich, eine Einheit bilden und gegen den äußeren Feind zusammenhalten müssen.
Dieses Gefühl ist in Israel besonders ausgeprägt, weil sich der Staat hier seit seiner Gründung als belagerte Festung darstellt, umzingelt und belagert von den Palästinensern und den arabischen Nachbarländern.
In Wahrheit ist Israel eine kapitalistische Gesellschaft wie jede andere, geteilt in soziale Klassen, in eine Minderheit Reicher und eine Mehrheit Armer. Und jenseits der religiösen und kulturellen Unterschiede hat die arbeitende und arme jüdische Bevölkerung Israels wesentlich mehr gemeinsam mit den israelischen Arabern und den Palästinensern, als mit der kleinen reichen Minderheit, die das Land regiert.
Nicht zuletzt dadurch, dass sie alle diesen endlosen Krieg ertragen und den menschlichen und wirtschaftlichen Preis hierfür bezahlen müssen. Für den fürchterlichen Krieg gegen die Palästinenser und den Bau jüdischer Siedlungen gibt der israelische Staat jedes Jahr Unsummen aus, anstatt das Geld für das Bildungssystem, für Krankenhäuser oder günstige Wohnungen zu verwenden.
Heute ist in Israel eine Massenbewegung entstanden, die ihr Vorbild in den Protesten der arabischen Länder hat. Und bei der in verschiedenen Städten jüdische und arabische Israelis gemeinsam auf die Straße gehen. In diesem Weg liegt die Hoffnung für die Zukunft.