Leitartikel
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Neue Gesetze: Die Regierung hilft den Bossen, uns auszubeuten
Man könnte glatt meinen, es gäbe nichts Wichtigeres als die Frage, wer der nächste Bundespräsident werden könnte. Oder wer Kanzlerkandidat der SPD wird. Und ob CSU-Chef Seehofer die Kandidatur von Merkel unterstützt.
Doch gleichzeitig beschließen dieselben Parteien eine Serie von Gesetzen. Und anders als ihr Wahlkampf-Zirkus betreffen diese Gesetze uns tatsächlich.Zum einen will die Regierung durchsetzen, dass fast alle Kapitalisten, die ganze Unternehmen oder Teile davon erben, keine Erbschaftssteuer zahlen müssen. Es geht um 50 Milliarden Euro pro Jahr, für die die Kapitalisten keinen Cent Steuern zahlen sollen.
Selbst das Bundesverfassungsgericht hatte diese Reform zurückgewiesen, weil sie zu offensichtlich die Unternehmer bevorzugt. Doch alle, CDU, CSU und SPD, wollen dieses Geschenk an die Bosse um jeden Preis durchsetzen. Und der einzige Punkt, über den sie streiten ist, dass die CSU die Steuer nicht nur für 95%, sondern gleich für 100% der Kapitalisten streichen möchte.Nein, zwischen CSU, CDU und SPD bestehen wirklich keine Gegensätze. Die Gegensätze bestehen zwischen den Kapitalisten und den Ausgebeuteten. Und alle diese Parteien, von CSU und AfD bis zur SPD, verteidigen dabei die Interessen der Kapitalisten. Und das bedeutet zwangsläufig, dass sie dafür die arbeitende Klasse angreifen.
Sie sind sich daher auch alle einig, bei der einfachen Bevölkerung zu sparen, während sie die Kapitalisten mit Milliarden überhäufen. Gerade haben sie zum Beispiel beschlossen, den Schwächsten, den Menschen mit Behinderungen Geld wegzunehmen. Ihnen werden die Leistungen der Eingliederungshilfe (zum Beispiel ein Fahrdienst zur Arbeit oder ein Betreuer) verringert und einigen komplett gestrichen. Dabei ist dies oft ihre einzige Chance, zu arbeiten und am sozialen Leben teilzunehmen.
Und vor allem will die Regierung ein Gesetz verabschieden, dass alle Arbeitenden trifft: Das Gesetz zu Leiharbeit und Werkverträgen, das die Unternehmer quasi dazu einlädt, noch mehr feste Arbeitsplätze durch solche Sklaven-Verträge zu ersetzen!
Was die Bosse seit Jahren in einer rechtlichen Grauzone getan haben, wäre dann endgültig erlaubt: Unternehmer dürften beliebig Gruppen von Arbeitern durch Fremd- und Tochterfirmen ersetzen. Und ihnen dauerhaft nur 8,50 Euro bezahlen, selbst wenn die Festeingestellten für die gleiche Arbeit 16 Euro pro Stunde bekommen.
Und die Unternehmer dürfen auch weiterhin beliebig feste Arbeitsplätze durch Leiharbeit ersetzen. Das einzig Neue an dem Gesetz ist, dass Leiharbeiter meist nicht mehr länger als 18 Monate im gleichen Betrieb arbeiten dürfen. Für den Unternehmer ist das kein Problem: Er kann nach 18 Monaten einfach einen Leiharbeiter durch den nächsten ersetzen.
Doch für viele Leiharbeiter wird es dadurch noch schlechter. Selbst diejenigen, die bislang mehrere Jahre in einem Betrieb bleiben konnten, verlieren nun nach 18 Monaten ihre Arbeit. Noch mehr Kollegen werden damit kommen und… wieder gehen müssen!Das Gesetz lädt die Bosse quasi ein, noch mehr Leiharbeit und Werkverträge zu nutzen. Damit wird es noch mehr Arbeiter in den Betrieben geben, die sie schlechter bezahlen und zu schlechteren Bedingungen arbeiten lassen. Noch mehr Arbeiter, von denen sie alles verlangen können: Weil sie ihnen stets damit drohen können, sie von heute auf morgen rauszuschmeißen.
Ja, das neue Gesetz schärft die Axt, mit der Bosse zertrümmern, was es noch an halbwegs geregelten Arbeitsbedingungen, Tariflöhnen und Kündigungsschutz gibt. Sie vernichten es für mehr und mehr Arbeitende, und irgendwann für alle – wenn wir sie nicht daran hindern.Und die Regierung ist noch so dreist, dieses Gesetz als „Schutz“ für die Arbeiter hinzustellen. Genauso, wie sie ihre anderen Gesetze als „Verbesserungen“ für behinderte Menschen und eine „gerechtere“ Erbschaftssteuer bezeichnet. Will sie uns für dumm verkaufen? Als ob die Regierungen freiwillig irgendein Gesetz im Interesse der arbeitenden Klasse verabschieden würden!
Im Gegenteil, die Kapitalisten verlangen von den Regierungen, dass sie ihnen die Waffen für ihre Raubzüge und ihre Ausbeutung schmieden und in Schuss halten. Keines der Gesetze – von den Hartz-Gesetzen über die Rente mit 67 bis zu den heutigen Maßnahmen – war ein „Versehen“.
Sie waren kein Fehler, den eine andere Regierung wieder gut machen würde, wie manche SPD-Politiker uns derzeit weismachen wollen. Nein, sie sind Waffen, die die kapitalistische Klasse in dem Krieg um ihren Profit verlangt. Und es werden nicht die letzten sein.Es wäre eine gefährliche Illusion zu hoffen, dass dieser Krieg von alleine aufhört. Die Herrschenden werden unsere Arbeits- und Lebensbedingungen immer weiter herabdrücken. Bis zu dem Tag, an dem wir Arbeiter wieder den Kampf dagegen aufnehmen und es uns letztlich gelingt, mit dem ganzen Ausbeutungssystem Schluss zu machen.
Internationales
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Großbritannien: Die Interessen der Arbeitenden stehen nicht zur Wahl
In zwei Wochen wird in Großbritannien darüber abgestimmt, ob das Land Mitglied der Europäischen Union bleibt oder nicht. Es ist völlig offen, wie das Referendum ausgehen wird.
Die Spitzen der großen Banken, der EU-Staaten und nicht zuletzt die Spitzen der beiden größten Parteien in Großbritannien machen Wahlkampf dafür, in der EU zu bleiben. Sie alle machen sich Sorgen über die unvorhersehbaren Krisen, die ein Austritt Großbritanniens an der Börse auslösen könnte, vor allem da die Finanzmärkte ohnehin schon so instabil sind.
Dabei hat der britische konservative Premierminister Cameron diese Abstimmung selber ins Leben gerufen. Über Jahre nämlich hat die konservative Partei die EU als billige Ausrede für alle Probleme benutzt. Arbeitslosigkeit, sinkende Löhne, Sparpläne… an allem waren nicht die britischen Machthaber, sondern angeblich die EU schuld.Gefangen in der eigenen Propaganda musste Cameron, um 2015 wiedergewählt zu werden, versprechen, eine Abstimmung über die EU-Mitgliedschaft zu organisieren. Cameron war überzeugt, dass er die Abstimmung gewinnen würde. Doch in seiner eigenen Partei sehen mehrere seiner Rivalen das Referendum als Gelegenheit, sich zu profilieren, indem sie für den Austritt Wahlkampf machen. Auch das britische Bürgertum ist gespalten.
Beide Seiten versuchen nun der arbeitenden Bevölkerung weis zu machen, bei der Abstimmung ginge es um ihre Interessen.
Die Befürworter des EU-Austritts, des „Brexit“ behaupten, durch den EU-Austritt könne der Staat 6 Milliarden Pfund sparen. Selbst wenn es stimmen sollte: Haben die Arbeitenden etwa jemals was von dem Geld gesehen, dass der Staat irgendwo einspart hat?
Sie behaupten außerdem, nach einem EU-Austritt müssten die britischen Unternehmen sich nicht mehr an die ganzen „bürokratischen EU-Regeln“ halten und wären dadurch konkurrenzfähiger. Zu diesen EU-Regeln gehören unter anderem eine tägliche Höchstarbeitszeit und das Recht auf bezahlten Urlaub. Beides wurde erst durch EU-Gesetze in Großbritannien eingeführt und könnte dann wieder abgeschafft werden. Länger arbeiten für weniger Geld – wirklich tolle Aussichten, die die Brexit-Befürworter den Arbeitern zu bieten haben!Nur wenige Gewerkschaften und linke Organisationen machen Werbung für den Brexit. Sie versuchen es mit anderen Argumenten. Sie behaupten, ein britischer Staat wäre demokratischer und man könne so zum Beispiel verhindern, dass der Öffentliche Dienst weiter privatisiert werde, was die EU verlangen würde.
Als hätten die Arbeiter im britischen Staat 1920 oder 1960, als es noch keine EU gab, mehr zu sagen gehabt! Ein „rein britischer“ Staat wäre genauso ein Staat der Kapitalisten. Und er würde genauso privatisieren, damit die britischen Kapitalisten an den Krankenhäusern, Bahnlinien und den Stromnetzen verdienen können.Die Argumente der Brexit-Gegner sind nicht besser. Sie behaupten, der Brexit würde einen Einbruch der britischen Wirtschaft zur Folge haben und drohen den Arbeitern mit der völlig aus der Luft gegriffenen Zahl von 3 Millionen Arbeitsplätzen, die der Brexit kosten würde.
Egal, wie also das Referendum ausgeht, die Arbeiter haben in ihm nichts zu gewinnen, im Gegenteil. In beiden Fällen wird das Wahlergebnis der Vorwand für die nächsten Angriffe auf die Arbeitenden werden.
Tritt Großbritannien aus der EU aus, dann werden die vermeintlichen „Schwierigkeiten der Wirtschaft durch den EU-Austritt“ der Vorwand für die nächsten Entlassungen und Lohnkürzungen der Konzerne und die Sparpläne der Regierung sein.
Tritt Großbritannien nicht aus, so wird die Regierung die nächsten Sparpläne mit den „hohen Kosten der EU“ und die nächsten Privatisierungen mit den „Vorgaben aus Brüssel“ rechtfertigen. Und die Konzerne werden ihre Entlassungen damit begründen, wegen der „Bürokratie in Brüssel“ nicht konkurrenzfähig zu sein.Die Arbeiter haben daher bei dem Referendum nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Sie können zwischen zwei Instrumenten wählen – der EU oder dem britischen Nationalstaat – die beide nur dafür entstanden sind, die Interessen der Kapitalisten durchzusetzen. Von beiden Instrumenten haben die Arbeitenden nichts anderes zu erwarten als weitere Angriffe und Unterdrückung.
Und daran wird sich nur etwas ändern, wenn die Arbeiterklasse sich weg von solchen Sackgassen und hin zu den entscheidenden Fragen wendet: Wie sie gegen die kapitalistische Klasse ihre Interessen erkämpfen kann – in Großbritannien, in Europa und weltweit. -
Streiks und Proteste in Frankreich gehen weiter
Seit drei Monaten bereits streiken und protestieren Arbeitende aller möglichen Branchen in Frankreich gegen einen heftigen Angriff auf ihre Arbeitsbedingungen.
Die Regierung will durchsetzen, dass die Betriebe die Arbeitszeit beliebig auf bis zu 12 Stunden am Tag und 60 Stunden die Woche erhöhen können, und das drei Monate am Stück. Kündigungsschutz soll es fast gar keinen mehr geben. Obendrein sollen Unternehmer mit Betriebsvereinbarungen die Arbeitsbedingungen beliebig verschlechtern dürfen. Und bereits die Ankündigung dieses Gesetzes hat eine Reihe von großen Konzernen dazu ermutigt zu versuchen, Teile davon in ihrem Konzern sofort umzusetzen.
Die Regierung hat sogar verhindert, dass im Parlament über das Gesetz diskutiert wurde. Sie hat eine Möglichkeit der französischen Verfassung genutzt, Gesetze als Regierungs-Diktat, ohne Abstimmung im Parlament zu beschließen. Sie hatte gehofft, wenn das Gesetz einmal beschlossen ist, hören die Proteste auf. Doch sie hat eher das Gegenteil erreicht.
In den letzten Jahren hat die sozialdemokratische Regierung eine Reihe massiver Verschlechterungen bei den Arbeitern durchgesetzt. Wie vor den Kopf geschlagen, gab es von Seiten der Arbeiter kaum Widerstand. Dazu muss man wissen, dass die Gewerkschaften, allen voran die größte Gewerkschaft CGT, 2012 zur Wahl des sozialdemokratischen Präsidenten Hollandes aufgerufen hatten und ihm anschließend keine Schwierigkeiten bereiten wollten. Daher haben sie auf all die Angriffe fast nicht reagiert.Doch bei dem jetzigen Angriff haben sich einige Arbeiter und Gewerkschafter an der Basis gesagt: „Wir dürfen nicht länger zusehen, wie sie uns immer weiter kaputt machen. Und wenn wir uns jetzt nicht wehren, wann dann?“
Seitdem hat vor allem die CGT begonnen, ernsthaft gegen das Gesetz mobil zu machen – mit Streiks bei der Bahn, in Raffinerien, mit Blockaden von Industriegebieten und landesweiten Demonstrationen – und hat seit drei Monaten, allen Anfeindungen und Verleumdungen zum Trotz, nicht nachgegeben.Die Regierung hat erste Zugeständnisse gemacht. Und egal wie die Auseinandersetzung ausgeht, eines ist jetzt schon gewonnen. Die mehreren Hunderttausend, die sich in den letzten Wochen an den Protesten beteiligt haben, haben Vieles verstanden: über die Unternehmer; über die Regierung, die zwar sozialdemokratisch ist, aber trotzdem ein Feind der Arbeitenden; und auch über die Führungen der Gewerkschaften, die all die letzten Jahre geschwiegen und damit zu der niedergeschlagenen Stimmung beigetragen hatten.
Und sie haben erlebt, wie viel schöner es ist, seine Wut laut auf der Straße zu herauszuschreien, als alle Angriffe zu schlucken und über sich ergehen zu lassen.
Ja, sobald man als Arbeiter die Erfahrung kollektiver Kämpfe macht, lernt man in kurzer Zeit sehr viel. Und das ist ein Pfand für die Zukunft.