Das rote Tuch – Nr. 77

  • Der Krieg gegen die griechische Bevölkerung geht weiter

    Mit ihrem NEIN hat die griechische arbeitende Bevölkerung den x-ten Sparplan zurückgewiesen, den die Institutionen des Kapitals ihr aufzwingen wollen. Trotz der massiven Drohungen aller Staatschefs Europas und der reichen Griechen hat sie ihre Weigerung zum Ausdruck gebracht, weiter die Lohnsenkungen, die Entlassungen, die Rentenkürzungen, den Absturz in die Armut zu ertragen. Sie will nicht länger für Schulden bezahlen, die sie nicht gemacht hat und von denen sie nie profitiert hat.

    Mit ihrem NEIN hat die arbeitende Bevölkerung mutig ihre Meinung gesagt. Doch sie hat dadurch nicht das Kräfteverhältnis verändert zwischen ihr und dem großen Kapital, das heute ihre Existenzbedingungen zerstört. Dies sind die Grenzen von Wahlen in einer Gesellschaft, die vom Geld, vom großen Kapital beherrscht wird.

    Die Regierung Tsipras verlangte nicht mehr, als dass die internationalen Institutionen die Verhandlungen wieder aufnehmen, um einen Kompromiss zu finden mit denen, die die griechische Bevölkerung erdrosseln wollen.
    In seiner Auseinandersetzung mit ihnen verteidigt Tsipras die nationale Würde Griechenlands, die von den imperialistischen Mächten Europas mit Füßen getreten wird. Doch deshalb verteidigt er noch lange nicht die Klasseninteressen der Ausgebeuteten. Er hat dies auch niemals behauptet. Die arbeitende Bevölkerung tut daher gut daran, sich dem zu widersetzen, dass in den Verhandlungen ihre Renten, ihr Mindestlohn, ihr Überleben geopfert wird.

    Was in Griechenland passiert, betrifft auch uns. Heute wird das griechische Volk vom Finanzkapital erdrosselt. Wer wird morgen an der Reihe sein?
    Seit Jahren investiert die kapitalistische Klasse immer weniger in Fabriken, Maschinen, in Produktion, die Arbeitsplätze schafft. Oh, investiert hat sie auch früher nicht aus Sorge um das Gemeinwohl, sondern um durch die Ausbeutung der Arbeiter Profit zu machen. Doch zu produzieren ohne die Sicherheit, die Produkte auch verkaufen zu können – dieses Risiko sind die großen Konzerne mit der Krise immer weniger bereit einzugehen.
    Sie haben etwas Besseres gefunden: Sie verleihen gegen Zinsen Geld, an Privatpersonen, Städte, Institutionen, Staaten. Kurz gesagt: Wucher statt Produktion.

    Seit Jahrzehnten durchdringt die Finanz die gesamte Gesellschaft, fesselt und erstickt sie: Der Kredit tritt an die Stelle der unzureichenden Löhne. Die verschuldeten Krankenhäuser müssen immer mehr Geld für Zinsen abzweigen, auch wenn dadurch die Arbeitsbedingungen unerträglich werden und die Qualität der Pflege immer problematischer wird.
    Auch die Kommunen werden von den Schulden erdrosselt. Sie machen einen Sparplan nach dem anderen, schließen Schwimmbäder und Schulen, streichen Buslinien und privatisieren die Müllabfuhr. Und trotzdem haben sie nach jedem Sparplan noch mehr Schulden als vorher. Weil sie allein, um die horrenden Zinsen an die Banken zu bezahlen, jedes Jahr neue Schulden machen müssen.

    Sie alle hängen im selben Teufelskreis wie Griechenland. Genau deshalb wiederholen alle herrschenden Politiker und ihre Medien wie Papageien, dass es eine heilige Pflicht sei, die Zinsen der Schulden zu bezahlen, selbst wenn man daran zugrunde geht. Deshalb können sie nicht akzeptieren, dass ein Land – und sei es noch so klein – die Rechtmäßigkeit seiner Schulden in Frage stellt.
    Und genau deshalb will das Finanzkapital heute an den ausgebeuteten Klassen in Griechenland ein Exempel statuieren. In dem Krieg, den es führt, um sein Schmarotzertum überall durchzusetzen, soll das Los der griechischen Bevölkerung eine Warnung an uns alle sein.

    Selbstverständlich also muss die Solidarität aller Ausgebeuteten der arbeitenden Bevölkerung Griechenlands gelten.

    Unter denen, die über das NEIN jubeln, sind jedoch nicht nur Freunde der ausgebeuteten Klassen. Es gibt auch alle diejenigen, die versuchen, das Misstrauen der einfachen Bevölkerung von ihren wirklichen Feinden abzulenken – und es stattdessen auf die Euro-Zone und Europa zu lenken. Doch nicht Europa ist verantwortlich für das Unglück des griechischen Volkes, sondern das Großkapital und diejenigen, die es besitzen.
    Was würde es schließlich für die griechischen Ausgebeuteten ändern, wenn sie vom Finanzkapital in Drachme statt in Euro ausgeplündert würden?

    Die Gesellschaft krepiert an der Diktatur des Großkapitals, an der Jagd nach Profit einer kleinen Minderheit.
    Über die einzelnen Auseinandersetzungen hinaus – heute in Griechenland und morgen vielleicht hier – wird die Zukunft daher von der Fähigkeit der ausgebeuteten Klasse abhängen, das Übel an der Wurzel zu packen: Sich das Ziel zu setzen, das Großkapital zu enteignen und die Wirtschaft unter die Kontrolle der Bevölkerung zu stellen. Und sich die Mittel und Wege zu verschaffen, um dies zu erreichen.

    (nach Lutte Ouvrière, 6. Juli 2015)

  • Alle Arbeitenden Europas, vereint gegen unsere Ausbeuter!

    Es ist eine regelrechte Hetzkampagne: Alle herrschenden Politiker, Journalisten, Unternehmer wollen uns davon überzeugen, dass „Griechenland sparen und seine Schulden zahlen muss“. Sie wollen, dass wir Arbeiter und Rentner uns hinter unsere Regierung stellen und fordern: „Die griechische Bevölkerung soll auf ihren letzten Cent Rente, auf ihr letztes Medikament verzichten, um ihre Schulden zu bezahlen – oder aus dem Euro austreten.“
    Wir dürfen da nicht mitmachen!

    Denn diese Schulden wurden nicht von der griechischen Bevölkerung gemacht, sondern ausschließlich für die Banken. Zuerst hat Griechenland 2008 wie alle Staaten seine Banken in der Finanzkrise gerettet. Dafür musste es Schulden machen, vor allem bei deutschen und französischen Banken. Die aber haben zum Teil 8 oder 12% Zinsen verlangt.

    Und als Griechenland diese horrenden Zinsen irgendwann nicht mehr zahlen konnte, da haben die Mächtigen der EU „Hilfskredite“ angeboten. Doch fast alle diese Kredite waren zweckgebunden. Griechenland durfte sie einzig dazu verwenden, weiter seine Raten an die deutschen und französischen Banken zu zahlen. 80% dieser sogenannten „Hilfen“ sind so direkt auf die Konten der Deutschen Bank, der Commerzbank oder der Crédit Lyonnais geflossen. Diese Banken sind gerettet worden, niemand sonst.
    Aber alle diese „Hilfen“ wurden offiziell dem griechischen Staat geliehen. Und auch wenn er selber von diesem Geld gar nichts gesehen hat, sondern alles sofort an die europäischen Banken ging, muss er diese Kredite jetzt zurückzahlen, inklusive 6% Zinsen!

    Wenn also irgendeiner von denen es ernst meinen würde, die heute schreien: „Wer Schulden macht, der muss sie auch zahlen“, dann würde er das Geld von den Banken zurückfordern – den wahren Verantwortlichen und Nutznießern der Schulden.
    Aber nein, stattdessen haben die Gläubiger verlangt, dass die griechische Bevölkerung mit einem Sparplan nach dem anderen dafür bezahlt. Alle diese Sparpläne haben Griechenland in die Verelendung getrieben. Das Land hat ein Viertel seiner Wirtschaftskraft verloren, ähnlich wie nach einem Krieg. Ein Drittel der Griechen hat seine Krankenversicherung verloren. Millionen sind arbeitslos und ganze Familien, Großeltern, Eltern und Kinder, leben in einer Wohnung zusammen – mit 800 Euro Rente als einziger Einnahmequelle für 7 oder 8 Personen.
    Die Sparpläne haben das Land ausgeblutet und ruiniert. Und wenn die Mächtigen in Europa jetzt, wo die Profite der deutschen und französischen Banken gerettet wurden, zögern, Griechenland einfach Bankrott gehen zu lassen und aus dem Euro zu schmeißen, dann nicht weil sie sich um die Folgen für die griechische Bevölkerung sorgen würden. Nein, sie haben einfach Angst vor den möglichen Konsequenzen für ihre Wirtschaft.

    2009 hat die US-Regierung eine einzige Bank Bankrott gehen lassen. Das hat gereicht, um die Finanzmärkte abstürzen zu lassen und viele Banken und Firmen an den Rand des Ruins zu bringen. Keiner kann realistisch einschätzen, welche Folgen es heute hätte, wenn die EU das erste Euroland Bankrott gehen lassen würde.

    Deshalb, und nur deshalb diskutieren sie darüber, Griechenland eventuell neue Kredite zu geben… mit denen es dann die alten Kredite bei ihnen bezahlen kann. Und wieder soll die griechische Bevölkerung für diese Kredite, von denen sie nichts hat, den Kopf hinhalten. Wieder verlangen sie, dass die Bevölkerung noch mehr sinnlos totgespart wird: Dass das Rentenalter auf 67 angehoben wird – in einem Land, wo 60% der Jugendlichen arbeitslos sind. Dass die Renten gesenkt werden, obwohl die Rentner alle ihre arbeitslosen Kinder und Enkel mit versorgen müssen… Und die Grausamkeiten hören nicht auf.

    Wir Arbeitenden dürfen uns nicht vor den Karren derer spannen lassen, die von unseren Klassenbrüdern, von den Arbeitenden Griechenlands immer noch mehr Verzicht und Armut verlangen. Und uns auch nicht von denen täuschen lassen, die uns einzureden versuchen, wir wären besser dran, wenn Griechenland nicht mehr im Euro wäre. Wie denn? Sollen wir etwa glauben, der deutsche Staat hätte mehr Geld und würde bei uns weniger sparen, wenn Griechenland nicht mehr im Euro wäre?

    Der deutsche Staat brauchte Griechenland nicht, um Schulden zu machen. Auch ohne die „Hilfskredite“ hat er über 2.000 Milliarden Euro Schulden gemacht, für seine Kapitalisten und Banken. Und für die sollen wir bezahlen. Auch deshalb will die Regierung, dass wir uns mitreißen lassen und fordern, dass die griechische Bevölkerung ihre Schulden bezahlen muss. Damit sie morgen von uns verlangen kann, dass wir die nächsten Rentenkürzungen, Schulschließungen, Privatisierungen akzeptieren, weil „wir Deutsche ja unsere Schulden bezahlen müssen“.

    Die griechische Bevölkerung wird heute – mit oder ohne Euro – vom Finanzkapital erdrosselt, für Schulden, die nicht die ihrigen sind. Und alle anderen arbeitenden Bevölkerungen in Europa werden für solche Schulden – wenn auch noch sanft – bereits ebenfalls an der Gurgel gepackt. Aus diesem Würgegriff gibt es für uns alle nur einen, gemeinsamen Ausweg: Dass die arbeitende Bevölkerung wieder den Kopf erhebt und sich aktiv gegen diejenigen stellt, die für die Schulden verantwortlich sind: die Kapitalisten und Banken, vereint mit ihren Regierungen. Ihnen muss man die Macht wegnehmen, alle Bevölkerungen immer weiter auszuplündern. Einen einfacheren Weg gibt es nicht.

  • Streik an der Charité: Stoppt die Ausplünderung der Krankenhäuser!

    10 Tage haben hunderte Krankenpfleger an der Berliner Charité unbefristet gestreikt: Für 600 zusätzliche Stellen und eine feste Höchstzahl, um wie viel Patienten sich ein Pfleger kümmern muss. Von überall haben die Streikenden Sympathie und Unterstützung erhalten, aus der Bevölkerung, aus anderen Betrieben und Kliniken. An 1.300 Krankenhäusern fanden ebenfalls kleine Protestaktionen statt. Denn überall ist der Personalmangel unerträglich geworden. Mittlerweile fehlen laut Ver.di 162.000 Stellen in Krankenhäusern.

    Im Nachtdienst allein sein; ständig einspringen, wenn man frei hat; keine Pause machen: All das ist längst Alltag geworden. Ebenso, dass man als Reinigerin kaum noch die Zeit hat, auch nur das Nötigste zu putzen. Denn die Krankenhäuser haben kein Geld für mehr Personal. Weil die Regierung ihnen immer mehr weggenommen hat und weil die kapitalistische Klasse mittlerweile direkt Geld aus den Kliniken herauszieht.

    Schon immer hat eine Gruppe von Kapitalisten sich einen kleineren Teil des Budgets der Krankenhäuser eingesteckt, indem sie ihnen zu überhöhten Preisen Medikamente, OP-Besteck, MRT-Geräte und all die andere medizinische Ausstattung verkauft hat. Doch an den Rest dieses milliardenschweren Budgets der Krankenhäuser wollte die kapitalistische Klasse auch heran.
    Dafür hat sie in den letzten fünfzehn Jahren gemeinsam mit der Regierung gesorgt. Und zwar, indem sie die Krankenhäuser systematisch in die Verschuldung getrieben haben.

    Die Länder haben ihnen die Zuschüsse um ein Viertel gekürzt. Und die Regierung hat im Jahr 2000 ein anderes System eingeführt, wie die Krankenkassen den Kliniken Behandlungen und Operationen bezahlen. Vorher bekam ein Krankenhaus genau das von der Krankenkasse bezahlt, was es auch an Behandlungen durchgeführt hatte. Jetzt aber bekommt es eine feste Summe für eine bestimmte Krankheit oder Operation, egal wie viel real gemacht wurde und wie lange der Patient im Krankenhaus war. Und diese festen Summen sind systematisch zu niedrig. Ständig müssen die Krankenhäuser mehr ausgeben, als sie von den Krankenkassen erstattet bekommen. Und so haben sie Jahr für Jahr Verluste angehäuft. So wurden die Krankenhäuser regelrecht dazu gezwungen, Kredite aufzunehmen. Und das war das Einfallstor für die privaten Kapitalisten und Banken.

    Sie ‚leihen‘ nun den Krankenhäusern Geld, um dafür dann Zinsen von ihnen kassieren zu können. Diese Zinsen sind der Hebel, über den die Kapitalisten Geld aus den Krankenhäusern heraussaugen. Und je mehr sich Krankenhäuser verschulden müssen, desto mehr Zinsen stecken sie sich ein – ganz genau wie bei uns Privatleuten.

    Für die Krankenhäuser ist das eine Katastrophe: Von ihrem ohnehin schon viel zu geringen Budget müssen sie nun auch noch immer mehr Geld für Zinsen abzweigen. Und deshalb sparen sie dort, wo sie können: vor allem beim Personal. So kommt es zu den katastrophalen Zuständen wie an der Berliner Charité, wo 1000 (!) Arbeitsplätze von Krankenschwestern innerhalb weniger Jahre vernichtet wurden. Und wo alle anderen Bereiche (Reinigung, Küche, Transport) komplett in eine Tochterfirma ausgelagert wurden, in der viele nur noch 8,50 Euro Mindestlohn verdienen.

    Mittlerweile sind viele Krankenhäuser derart verschuldet, dass ihre Betreiber, Städte oder Kirchen, sie verkaufen, wenn es möglich ist. Auf diese Weise haben gewinnorientierte Krankenhaus-Konzerne wie Helios oder Asklepios bereits ein Drittel aller Krankenhäuser aufgekauft, die sie dann gnadenlos „durchsanieren“ und wieder „profitabel“ machen: Indem sie im Schnitt ein Viertel der Beschäftigten entlassen, weitere auslagern und alle Stationen schließen, die ihnen nicht rentabel genug sind.

    Was rentabel hier heißt? Ganz einfach: Auf Sylt hat Asklepios zum Beispiel die einzige Geburtenstation der ganzen Insel geschlossen, weil diese mit 100 Geburten pro Jahr „nicht ausgelastet“ ist und sich damit finanziell „nicht lohnt“! Ja, sie betreiben Krankenhäuser nach derselben Logik wie einen Privatbetrieb. Doch diese Logik hat im Gesundheitswesen nichts verloren. Hier ist sie lebensgefährlich!

    Genau diese kriminelle Logik aber soll in Zukunft auch in den gemeinnützigen Krankenhäusern herrschen. Das will die Regierung mit ihrer neuen Krankenhausreform einleiten. Möglichst viele Stationen und Krankenhäuser, die nach kapitalistischer Logik nicht „ausgelastet“ sind, sollen schließen. Schließlich müssen die „gemeinnützigen“ Krankenhäuser ja sparen… um den Banken die wachsenden Zinsen für ihre Schulden bezahlen zu können.
    Der Zynismus der Regierung kennt dabei keine Grenzen: Um den Städten, Landkreisen oder Kirchen die Entscheidung zu erleichtern, das einzige Krankenhaus, die einzige Geburtsstation der Gegend zu schließen, plant die Regierung eine regelrechte ‚Abwrackprämie‘: Wer ein Krankenhaus schließt, kriegt demnächst Geld dafür geschenkt!

    Jeder weiß, welche dramatischen Folgen die massive Schließung von Stationen und Krankenhäusern für die Bevölkerung, ganz besonders für die Menschen auf dem Land haben wird. Doch für die Politiker ist das nebensächlich. Die Kapitalisten brauchen in ihrer Krise, in der die klassischen Absatzmärkte nicht mehr wachsen, ständig neue Wege, um Gewinn zu machen. Und der Job der Politiker ist, sie ihnen zu besorgen. Nicht zuletzt, indem sie den Privatkonzernen den Öffentlichen Dienst zum Ausschlachten zur Verfügung stellen – egal mit welchen schlimmen Folgen.

  • Post-Streik: Welche Lehren für uns Arbeiter?

    Nach vier Wochen haben die 30.000 streikenden Arbeiter der Post die Arbeit wieder aufgenommen. Ihre wichtigste Forderung konnten sie jedoch nicht durchsetzen: Die Billiglohn-Tochterfirma für Paketboten (Delivery) wird bestehen bleiben. Auch nach vier Wochen hatte sich der Post-Vorstand strikt geweigert, darüber auch nur zu reden. Er war entschlossen, Delivery um jeden Preis zu behalten.
    Denn für die Post ist Delivery der erste Schritt dahin, alle Löhne dauerhaft zu senken. Alle Paketboten werden zukünftig nur noch über Delivery eingestellt, sodass irgendwann alle Paketboten der Post 20% weniger Lohn verdienen werden. Und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie Ähnliches bei den Briefträgern und den Postverteilzentren versuchen werden.

    Der Post-Vorstand hat daher entschlossen alles getan, um den Streik zum Scheitern zu bringen. Ohne mit der Wimper zu zucken, hat er dafür zig Gesetze gebrochen. Er hat Beamte und Aushilfen widerrechtlich als Streikbrecher eingesetzt, hat polnische und slowakische Saisonarbeiter in Containern zusammengepfercht und zu der Arbeit der Streikenden verdonnert. Er hat illegale Sonntagsarbeit angeordnet, hat den Streikenden gedroht und versucht sie einzuschüchtern; und die Liste geht noch weiter.
    Auf der anderen Seite haben zahlreiche Gesetze die Streikenden behindert. Viele durften vom Gesetz her nicht streiken, obwohl sie es wollten: Beamte, aber auch Beschäftigte von Delivery, weil diese ja einen anderen Tarifvertrag haben. Und außerhalb von den offiziellen Tarifrunden über den eigenen Tarifvertrag zu streiken, ist nach deutschem Streikrecht verboten. Während also vor dem Tor die Post-Arbeiter dafür streikten, dass alle Delivery-Arbeiter wieder zur Post kommen und entsprechend höhere Löhne bekommen, mussten diese arbeiten und wider Willen ‚ihren‘ Streik schwächen!

    Und das ist sicher eine der wichtigen Lehren, die wir Arbeitenden aus dem Streik bei der Post ziehen müssen: Die Unternehmer halten sich an keine Gesetze, wenn sie entschlossen sind, ihre Interessen durchzusetzen. Wenn wir Arbeiter dagegen eine Chance haben wollen, dürfen wir uns von den Unternehmern und dem Staat nicht länger die Regeln vorschreiben lassen, nach denen wir kämpfen.

  • Eine Gesellschaft unbegrenzter Verantwortungslosigkeit

    Das Unternehmen TÜV Rheinland ist vom Berufungsgericht freigesprochen worden. Der TÜV war zuständig für die Kontrolle der Brustimplantate der Firma PIP, die die Implantate mit billigem Industriesilikon statt Spezialsilikon füllte und viele Frauen krank gemacht hat. In erster Instanz hatte das Gericht daher den TÜV verurteilt, jedem Opfer 3.000 Euro Schadensersatz zu zahlen. Dies war ihre einzige Entschädigung, denn die Besitzer von PIP hatten ihre Firma bewusst Pleite gehen lassen. Doch auch diese Entschädigung ist jetzt weg. Denn die Richter fanden, der TÜV durfte sich damit begnügen, die technischen Unterlagen anzusehen, ohne jemals bei PIP selber vorbei zu kommen und sich die Implantate eigenhändig anzusehen. Kurz gesagt, ein Unternehmen, das für Überwachung und Kontrolle zuständig ist, hat das Recht… nicht zu kontrollieren. Tausenden Frauen wurden gefährliche Implantate eingesetzt. Aber in dieser Gesellschaft, in der das Geschäftemachen heilig ist, gibt es am Ende dafür weder Schuldige noch Verantwortliche.

  • Staat verschenkt die Bahn an Privatkonzerne – stückweise

    Auch bei der Bahn verschenkt der Staat mittlerweile alles, was Profit bringen kann, an Privatkonzerne. Gerade erst haben sie entschieden, dass fünf Regionalexpress-Linien in NRW ab 2018 nicht mehr von der staatlichen Deutschen Bahn, sondern von zwei privaten Bahnkonzernen betrieben werden, Abellio und National Express. Es handelt sich um den zukünftigen Rhein-Ruhr-Express RRX. Mit ihm sind dann schon über 50% des Regionalverkehrs in NRW Privatbahnen. Auch die Instandhaltung der RRX-Züge wird nicht mehr von Werkstätten der Deutschen Bahn gemacht, sondern von Siemens. Wofür Siemens 1,7 Milliarden Euro kassiert.
    Die Folge: Bei der DB werden 800 Arbeitsplätze vernichtet. Die Arbeitsplätze, die die Privatbahnen schaffen, sind weniger, schlechter bezahlt, mit schlechteren Arbeitsbedingungen. Und für die Fahrgäste wird der Regionalverkehr ein Flickenteppich aus zig verschiedenen Bahn-Unternehmen, die sich untereinander nicht absprechen. Aber Hauptsache, Privatkonzerne können mit der Bahn Profit machen!

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