Das rote Tuch – Nr. 76

  • Türkei: Die Waffe der Arbeiter ist der Streik !

    Die Partei des Präsidenten Erdoğan (AKP) hat bei den Wahlen in der Türkei die absolute Mehrheit verloren. Selbstgefällig hatte Erdoğan gedacht, er könne seine 13 Jahre Alleinherrschaft fortsetzen. Doch eine wachsende Unzufriedenheit mit seiner Politik, mit der sozialen Entwicklung und vor allem mit seinem Versuch, sich als Präsident noch viel mehr Macht zu geben, hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.
     
    Kann die arbeitende Bevölkerung nun hoffen, dass es weniger Angriffe auf demokratische Rechte und auf ihre Lebensbedingungen geben wird? Leider nicht. Nicht zuletzt, weil auch die beiden größten Oppositionsparteien seit Jahrzehnten eine arbeiterfeindliche und unterdrückerische Politik vertreten. Eine der beiden ist offen rechtsradikal.
    Egal, welche Regierung beim Feilschen um Koalitionen und Neuwahlen herauskommt: Die Arbeitenden werden ihre Interessen selber verteidigen müssen. Es ist nicht anders als bei uns in Deutschland.
     
    Vom Standpunkt der Arbeiter hat daher ein anderes Ereignis eine größere Bedeutung, von dem die Medien kaum berichtet haben: die spontane Welle von massiven Streiks und Fabrikbesetzungen, mit denen zehntausende Arbeiter in den letzten Wochen für mehr Lohn und das Recht auf freie Wahl ihrer Gewerkschaft gekämpft haben.
     
    Angefangen hat es in einer Fabrik von Bosch in Bursa. Hier haben die Arbeiter in einem kurzen, entschlossenen Streik rund 130 Euro Lohnerhöhung durchgesetzt. Sie reagierten darauf, dass alle Löhne in der Türkei im letzten Jahr regelrecht abgestürzt sind, weil es eine Inflation von 25% gibt.

    Der Erfolg der Bosch-Arbeiter hat anderen Mut gemacht, und der Streik hat sich immer weiter ausgebreitet: auf Renault, Tofaş (Fiat) und andere Metallbetriebe in Bursa, dann auf andere Städte, auf Ford in Izmit, Türk Traktör in Ankara und schließlich Betriebe ganz anderer Branchen wie die Raffinerie Petkim. Dutzende Betriebe mit zehntausenden Arbeitern streikten, und viele von ihnen hielten die Fabrik Tag und Nacht besetzt.

    Die Arbeiter haben gestreikt, obwohl es verboten war. Denn in der Türkei gilt, was jetzt auch in Deutschland eingeführt wird und wogegen sich die Lokführer monatelang gewehrt haben: Nur die größte Gewerkschaft eines Betriebs darf verhandeln und zum Streik aufrufen, allen anderen ist es verboten. Und die größte Gewerkschaft der Metallindustrie (Türk Metal-İş), die sehr unternehmer- und regierungsfreundlich ist, bekämpfte den Streik von Anfang an.
    Gemeinsam mit Unternehmern und Regierungsvertretern drohten sie: „Wir werden euch für diesen illegalen Streik entlassen und verklagen.“
     
    Doch die Arbeiter ließen sich nicht einschüchtern. Und nach einiger Zeit bekamen die Unternehmer Bammel. Denn die Streikenden besetzten ihre Betriebe und gehorchten niemandem mehr außer sich selbst. Sie hatten die Gewerkschafter von Türk Metal-İş rausgeschmissen. Stattdessen wählten sie in einigen Fabriken ein Komitee aus Arbeitskollegen, das den Streik organisierte und verhandelte – und zwar unter der Kontrolle der Streikenden. Alle wichtigen Fragen wurden in Versammlungen aller Streikenden entschieden.
     
    Doch was für die Bosse noch viel beunruhigender war: Die Streiks begannen, sich spontan und unkontrollierbar auf immer mehr Betriebe und Städte auszuweiten. Deshalb, und weil Wahlkampf war, traute sich die Regierung auch nicht, die Armee gegen die Streikenden einzusetzen. Sie hatte Angst, damit erst Recht einen Flächenbrand auszulösen. Umso mehr, weil wegen der Inflation alle Arbeiter in der Türkei höhere Löhne ersehnen.
     
    Damit die Streiks wieder enden, haben die Bosse daher schon nach kurzem echte Zugeständnisse gemacht. Sie haben sofort Prämien von 500 Euro und mehr gezahlt, haben monatliche Lohnerhöhungen versprochen und außerdem die von den Streikenden gewählten Vertreter offiziell anerkannt.
    Aus Angst vor einer Ausweitung der Streiks hat es in manchen Betrieben wie in Izmir gereicht, dass die Arbeiter einen Aufruf zum Streik verteilten – und schon bekamen alle Arbeiter 330 Euro Prämie gezahlt.
     
    Und zum ersten Mal seit Jahren interessierten sich plötzlich auch die Parteien für die sozialen Probleme der Arbeiter, redeten sogar über Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen. Schließlich wollte keine Partei die Wählerstimmen der aufgebrachten Arbeiter verlieren.
     Die Streiks haben so konkret etwas verändert. Doch mehr noch zählen die Erfahrungen, die die Arbeiter in ihnen gemacht haben. Denn solche Streiks sind genau die Waffe, mit denen sie sich gegen ihre Bosse und gegen arbeiterfeindliche und diktatorische Maßnahmen der künftigen Regierung wehren können.
     
    Eine wichtige Erfahrung dieser Streiks ist, dass Bosse und Regierung vor allem dann Angst bekommen und nachgeben, wenn sich die Streiks auf andere Betriebe ausweiten. Die Arbeiter im „Konkurrenz-Unternehmen“ oder an einem anderen Standort sind also keine Konkurrenten, sondern die wichtigsten Verbündeten in Kämpfen. Und dies gilt nicht nur in der Türkei!
     
    Mit jedem Betrieb, den Konzerne wie Bosch oder Daimler in anderen Ländern eröffnen, globalisieren sie nicht nur Produktion und Ausbeutung, sondern auch die Kämpfe. Die Globalisierung stärkt uns Arbeiter, sie schafft uns Kampfgefährten auf der ganzen Welt.
    Und umgekehrt: Die Kollegen, die aus anderen Ländern zu uns in die Betriebe kommen, sind nicht nur unsere Verbündeten bei unseren Auseinandersetzungen im Betrieb. Sie ermöglichen uns auch einen direkten Zugang zu Erfahrungen, die die Arbeitenden in Polen, der Türkei oder Griechenland machen. Auf diese Weise rüstet die Globalisierung die Arbeiterklasse für den notwendigen, gemeinsamen Kampf gegen dieses Ausbeutungssystem.

  • Kein Strom, keine Rente: der EU-Plan für Griechenland

    Es ist wirklich eine Verdrehung der Tatsachen. Dreist tun alle Regierungspolitiker so, als wäre die griechische Regierung die „Sture“. Dabei sind es Merkel und die anderen Herrschenden der EU, die seit Monaten nicht nur keinen Millimeter von ihren Forderungen abweichen, sondern im Gegenteil noch neue drauflegen.

    Während die griechische Regierung vieles geschluckt hat, die Privatisierungen zum Beispiel oder das Verbot, den Mindestlohn zu erhöhen, haben die Herrschenden der EU jetzt drei neue Bedingungen als Ultimatum formuliert, die eine wahre Provokation sind: Griechenland kriege nur dann Geld, wenn es die Mehrwertsteuer auf Strom um 10% erhöht, die Mehrwertsteuer auf Medikamente um 5% und gleichzeitig die Renten von 480 auf 320 Euro senkt.

    Und wenn die griechische Regierung zu dieser Erpressung, zu diesem widerwärtigen Angriff auf den ärmsten Teil der Bevölkerung nicht sofort ja sagt, dann stellt Merkel sich hin und erklärt selbstgefällig: „Griechenland ist selber schuld, sie wollen uns ja einfach nicht entgegen kommen.“

    Ja, aus dem Verhalten von Merkel und Co. spricht die tiefe Arroganz der Mächtigsten der Welt. Sie wollen die griechische Regierung dafür bestrafen, dass sie die Dreistigkeit besaß, ihnen nicht von Anfang an blind zu gehorchen, sondern wenigstens ein paar kleine soziale Maßnahmen für die griechische Bevölkerung durchsetzen wollte.

    Sie wollen, dass die griechische Regierung nun öffentlich bis zum letzten Tropfen alle Erniedrigungen und alle Verschlechterungen für die griechischen Arbeiter und Rentner schluckt, die sie sich ausgedacht haben. In der Hoffnung, dass durch diese Kapitulation der griechischen Regierung auch die einfache Bevölkerung in Griechenland die letzte Hoffnung verliert, dass etwas anderes für sie möglich sein könnte, als zum Wohle der europäischen Banken stumm zu leiden und im Elend zu versinken.

    Man kann nur hoffen, dass die Herrschenden der EU sich da verrechnen. Dass die arbeitende Bevölkerung Griechenlands nicht resigniert. Und dass sie irgendwann nicht mehr still abwartet, was bei den Verhandlungen über ihren Köpfen herauskommt, sondern sich gegen diese Fahrt in die Hölle auflehnt und selber einmischt. Denn das ist ihre einzige Chance.

  • Auslagerung, Billiglöhne: Der unbefristete Streik ist die richtige Antwort!

    Mittlerweile streiken 16.000 Arbeitende der Post unbefristet gegen die massive Lohndrückerei, die die Deutsche Post im Paketdienst begonnen hat. Die Post hat dafür eine extra Tochterfirma gegründet (DHL Delivery). Tausende befristet Beschäftigte hat sie schon gezwungen, in diese neue Tochter zu wechseln, und neue Paketboten werden nur noch über Delivery eingestellt.
    Zum Teil trennt nur ein schwarz-gelber Streifen auf dem Fußboden die beiden „Firmen“: Auf der einen Seite arbeiten die Paketzusteller, die noch einen Festvertrag bei der Post haben. Und auf der anderen Seite machen jetzt die von Delivery exakt die gleiche Arbeit – für 20% weniger Lohn.

    Empört über diese dreiste Lohndrückerei, streiken viele Arbeiter mit, die davon gar nicht direkt betroffen sind: Paketzusteller mit Festverträgen bei der Post, Briefzusteller und viele Arbeiter der Postverteilzentren.
    Ihnen allen nämlich ist klar: DHL Delivery ist erst der Anfang. Wenn die Post damit durchkommt, sind morgen die nächsten dran. Schon heute lässt die Post schließlich keinen Tag aus, um ihnen allen zu erzählen, dass ihre Löhne angeblich zu hoch wären und die Post daran kaputt gehen würde.

    Von wegen! Die Post macht Milliardengewinne, den größten Teil davon in eben der Paketbranche, in der sie jetzt die Niedriglöhne eingeführt. Doch die Post will ihren Großaktionären Jahr für Jahr höhere Dividenden (Gewinn-Ausschüttungen) zahlen. Vor zwei Jahren hat sie 14% mehr Dividende gezahlt, letztes Jahr noch einmal 6% mehr… Und das Geld für diese Erhöhungen der Dividenden wollen sie sich bei den Löhnen holen.
    DHL Delivery soll für die Post nur der Einstieg sein, um nach und nach überall Niedriglöhne einzuführen. Deshalb ist die Post entschlossen, den Streik zum Scheitern zu bringen. Sie versucht Aushilfen und die letzten Beamten einzusetzen, um einen Teil der Arbeit zu machen. Streikende werden zuhause angerufen, unter Druck gesetzt, bedroht… Vor allem aber versucht sie die Streikenden zu entmutigen, indem sie jeden Tag mehrmals öffentlich wiederholt, dass der Streik gar keine Auswirkungen habe, dass fast alle Briefe und Pakete problemlos zugestellt würden, dass sie ruhig noch drei Monate weiter streiken könnten.

    Im Moment begegnen die Streikenden dieser Propaganda mit Humor. „Wenn die Post wirklich so problemlos ohne unsere Arbeit klar käme, dann hätte sie uns schon längst entlassen“, scherzen sie. Und schließlich haben sie noch andere Informationsquellen als den Vorstand der Post: Kollegen, die nicht mit streiken, zum Beispiel weil sie Beamte sind, und die ihnen erzählen, wie viele nicht bearbeitete Säcke mit Post sich tatsächlich jeden Tag stapeln und mehrere Tage liegen bleiben.

    Was den Streikenden auch Mut macht, sind die positiven Reaktionen auf ihren Streik, die sie erleben. Gerade in den Arbeitervierteln haben viele Postboten bei der Ankündigung des Streiks zu hören bekommen: „Richtig so! Bei uns in der Firma machen sie genau dieselben Sauereien. Gut, dass sich endlich mal jemand dagegen wehrt.“
    Und es stimmt: In welchem Betrieb versuchen sie nicht, Teile der Arbeitenden in Tochterfirmen auszulagern oder sie durch Fremdfirmen oder Leiharbeit zu ersetzen, wo die Arbeitenden alle deutlich schlechter bezahlt werden?
    Der Streik der Post-Beschäftigten ist damit auch eine Botschaft an alle Bosse, und eine Ermunterung für uns Arbeitende. Umso mehr brauchen sie angesichts der unnachgiebigen Haltung des Post-Vorstandes die Solidarität und Unterstützung aller Arbeitenden.

  • Sie sind die besten Lehrmeister

    Unternehmer und Politiker sind ganz verwirrt. Die Zahl der Streiktage in Deutschland ist zwar immer noch gering, aber sie hat sich in den letzten vier Jahren versechsfacht. „Wird Deutschland jetzt etwa ein Streikland?“, fragen sie sich voll Sorge.
    Ja, die Herrschenden sind nichts mehr gewöhnt. Es braucht nur ein paar kleinere Streiks und schon machen sie sich Sorgen, dass das schöne Leben vorbei sein könnte – diese herrlichen Zeiten, in denen sie offen Rekordprofite machen und gleichzeitig die Arbeitshetze erhöhen, Löhne und Renten senken und auf unsere Kosten die öffentlichen Kassen plündern, ohne dass sich jemand dagegen wehrt.
    Aber sie werden sich wohl oder übel an den Gedanken gewöhnen müssen. Denn sie selber sind es, die uns mit ihrer Politik am Ende das Streiken wieder beibringen.

  • Man lernt auch, wenn die Kita geschlossen ist

    Am Samstag, dem 13. Juni, wollen erneut einige tausend Beschäftigte der städtischen Kitas und des offenen Ganztags für eine dauerhafte Lohnerhöhung um rund 10% demonstrieren. Vier Wochen hatten sie zahlreich und unbefristet gestreikt und dabei viel Zustimmung und Solidarität erhalten. Selbst die Mehrheit der Eltern, die ja die Hauptbetroffenen des Streiks waren, unterstützten sie.

    Doch die herrschenden Politiker, die – wenn es um die einfache Bevölkerung geht – immer nur sparen, sparen, sparen wollen, wollten die Forderung der Erzieherinnen um keinen Preis erfüllen, nicht einmal teilweise. Nachher könnte dies noch Arbeitende anderer Berufe auf die Idee bringen, ebenfalls für höhere Löhne zu streiken!
    Daher hat sich die Politik dafür entschieden, den Streik auszusitzen und zu warten, bis die Streikenden und Eltern nicht mehr können.
    Am Ende hat sich die Gewerkschaft auf eine Schlichtung eingelassen. Doch wenn die Politiker schon während des Streiks unnachgiebig waren – was ist dann von der Schlichtung zu erwarten, während der nicht einmal mehr gestreikt wird und daher gar kein Druck mehr auf die Politiker ausgeübt wird? Daher will ein Teil der Erzieherinnen zumindest am Samstag weiter demonstrieren.

    Keiner weiß heute, wie es nach der Schlichtung weitergehen wird. Doch viele Erzieherinnen sind überzeugt, dass ihr Kampf in jedem Fall richtig und wichtig war. Und dass sie in ihm Erfahrungen für die Zukunft gesammelt haben.
    Erfahrungen, was ein Streik überhaupt ist und wie man ihn nach außen tragen kann. Dass die herrschenden Politiker wirkliche Gegner der Arbeitenden sind. Und umgekehrt, wie viel Solidarität es von der einfachen Bevölkerung gab und wie wichtig diese ist.
    Der Streik der Kita-Beschäftigten war außerdem kein Abwehrkampf gegen Angriffe. Er hat allen Arbeitenden vorgelebt, dass die Arbeitenden auch offensive Forderungen stellen, echte Verbesserungen fordern und für diese auch konsequent streiken können.
    Und wenn diese Idee auch nur bei einigen Arbeitenden anfängt, sich ihren Weg zu bahnen, dann haben wir alle was gewonnen.

  • Deutschland-Ägypten: Ein Frühling der Geschäfte

    Anfang Juni hat Merkel mit rotem Teppich und allen Ehren den neuen ägyptischen Diktator Al-Sisi empfangen. Seit er vor einem Jahr an die Macht kam, hat er bereits über 40.000 Menschen einsperren, hunderte zum Tode verurteilen und in Massenhinrichtungen umbringen lassen.
    Um die Form zu wahren, hat Merkel kurz ein paar kritische Worte zum Umgang mit Menschenrechten und demokratischen Werten verloren, um dann aber schnell zum Rundum-Wohlfühl-Besuch zurückzukehren.
    Schließlich wollte man die gute Laune für den eigentlichen Höhepunkt dieses Staatsaktes bewahren: das Treffen im Nebenzimmer zwischen Al-Sisi und Siemens-Chef Joe Kaeser, unter der Schirmherrschaft von Bundeswirtschaftsminister Gabriel, bei dem der ägyptische Diktator einen Riesenauftrag für Siemens im Wert von 8 Milliarden Euro unterzeichnete.
    Ja, der „arabische Frühling“ ist vorbei. Nach den unruhigen Zeiten mit Demonstrationen für Demokratie und Menschenrechte ist in Ägypten wieder ein „starker Mann“ im Amt. Und so machen Merkel und Gabriel weiter ihren Job: die Exporte der deutschen Großkonzerne zu erleichtern und zu sichern.

  • Krankenhaus-„Reform“: Verdrehte Logik

    Die Regierung plant eine „Krankenhaus-reform“. Eine wichtige Maßnahme darin: Man will die Krankenhäuser zukünftig nach „Qualität“ bezahlen. Krankenhäuser, in denen es wenige Probleme gibt, sollen belohnt werden und mehr Geld bekommen. Krankenhäuser, in denen es viele Mängel und Komplikationen gibt, sollen bestraft werden und weniger Geld bekommen.
    Angeblich will die Regierung so die Qualität in den Krankenhäusern verbessern. Klar, wenn man dort, wo es Mängel gibt, noch mehr Geld und Personal wegnimmt, dann wird die Qualität bestimmt besser!

    Umgekehrt wird ja wohl ein Schuh daraus: Mehr Geld und damit mehr Personal für alle Krankenhäuser – ganz besonders für die Krankenhäuser mit den größten Problemen – das würde die Qualität verbessern.
    Doch die Rechnung der Regierung ist anders. Denn die Bezahlung nach „Qualität“ bedeutet: Privatkliniken, die sich nur auf bestimmte Operationen mit modernsten Geräten spezialisieren und schwierige Patienten gar nicht aufnehmen, die bekommen noch mehr Geld. Öffentliche Krankenhäuser hingegen, die alle Kranken behandeln und in denen die Qualität ohnehin schon unter dem Personalmangel leidet, die bekommen noch weniger Geld… bis Abteilungen oder Krankenhäuser aus Geldmangel ganz schließen müssen.
    Das also ist ihre „Verbesserung der Qualität“: Die Regierung verbessert die Qualität der reichen Privatkliniken – auf dem Rücken der Beschäftigten und der Bevölkerung. Kein Wunder, dass die privaten Klinikbetreiber dieser Reform sofort laut Beifall geklatscht haben – als einzige.

  • Siemens: Alle Arbeiter haben den gleichen Standort – gegenüber den Unternehmern

    3000 Arbeitende von Siemens aus NRW haben am 9. Juni in Duisburg für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert, weitere 2500 in Nürnberg und Berlin. Denn Siemens will weltweit über 12.000 Arbeitsplätze abbauen, davon allein fast 1000 in Mülheim. Kleine Werke sollen geschlossen werden. Und auch die vielen hundert Auszubildenden wissen nicht, wie es für sie weitergeht.

    Allen ist klar, dass es Siemens bei den Entlassungen nur um eines geht: Sie wollen die Gewinn-Margen für die Aktionäre von 12 auf 15 Prozent steigern. Deshalb sollen bis zu 12.000 Beschäftigte ihre Arbeit verlieren, und die Übriggebliebenen sollen deren Arbeit kostenlos mitmachen. „Siemens macht Milliardengewinne und wir sollen bluten?“ Das wollen die protestierenden Siemens-Beschäftigten nicht mitmachen.
    Doch welche Perspektive bietet ihnen dabei die IG Metall-Führung? Keine. Keine einzige Aussage darüber, wie man sich jetzt gegen die Entlassungen wehren könne. Ihre einzige Perspektive ist der Appell an den Siemens-Vorstand, er solle bitte den „Standort Deutschland stärken“, solle lieber die Werke in Deutschland als in anderen Ländern erhalten. Als wäre es besser, wenn Arbeiter in England oder Spanien arbeitslos werden, oder gar in Südafrika, wo Arbeitslosigkeit Hunger bedeutet!

    Mit dieser Perspektive verhindert die IG Metall keine einzige Entlassung, im Gegenteil. Denn Siemens will weltweit (!) Arbeitsplätze vernichten, 5.000 in Deutschland und 7.000 in anderen Ländern. Und die Siemens-Bosse setzen eben darauf, bei diesen Entlassungen alle Arbeiter und Standorte in Konkurrenz zu setzen und überall das Gefühl zu vermitteln, die Beschäftigten des einen Standorts seien der Grund, beziehungsweise die „Nutznießer“ der Entlassungen an einem anderen Standort. Und die IG Metall-Führung hilft ihnen bei dieser Spaltungspolitik.

    Dabei sitzen alle Arbeiter von Siemens in einem Boot. Denn je zahlreicher sie sich an möglichst vielen Standorten gemeinsam gegen die Entlassungspläne auflehnen, desto größer ist ihr Druck und desto größer ihre Chance, Siemens tatsächlich zum Einlenken zu zwingen.

  • Ein (G7-)Gipfel der Kosten

    3 Tage haben sich die Staatschefs der sieben reichsten Länder auf dem idyllischen Schloss Elmau getroffen – oder besser gesagt auf der Festung Elmau: Denn um die Mächtigen der Welt vor einer möglichen Empörung ihrer Untertanen zu schützen, wurden 20.000 Polizisten herangekarrt und 16 Kilometer Absperrung um das Schloss herum errichtet. Läppische 360 Millionen Euro hat der Gipfel gekostet, davon alleine 200 Millionen für die Sicherheit – bezahlt durch Steuergelder.

    Die Herrschenden der kapitalistischen Welt, die ständig bei uns sparen, sind weniger knauserig, wenn es darum geht, ihr ganzes Theater zu finanzieren. Und das alles für einen Gipfel, der völlig sinnlos ist.

Kein Artikel in dieser Ausgabe.

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