Leitartikel
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Griechenland: Für die Arbeiter hat der Kampf erst begonnen
Trotz aller Drohungen von Merkel und anderen Staatschefs: Mit der Wahl für Syriza Ende Januar hat die griechische Bevölkerung den Mut gehabt, Nein zu sagen. Nein zu noch mehr Einsparungen, Nein zu noch mehr Opfern. Als erste Bevölkerung in Europa hat sie den Mut gehabt zu fordern, dass nicht mehr die einfache Bevölkerung für die Schulden bezahlen soll, sondern die Banken und Reichen, für die die Schulden gemacht wurden.
Sie hat damit ein Kräftemessen ausgelöst, ob sie wollte oder nicht: Ein Kräftemessen der arbeitenden Bevölkerung mit der kapitalistischen Klasse, den Mächtigen in Griechenland und Europa. Mit den europäischen Bankern und Spekulanten, der Europäischen Zentralbank, den griechischen Reedern und Millionären, die alle empört darüber sind, dass sich die griechische Bevölkerung nicht weiter von ihnen auspressen und verarmen lassen will.
Die Bevölkerung hat bereits fünf Jahre Höllenfahrt hinter sich. Außer den paar hundert kapitalistischen Familien wurde keiner verschont: Die Arbeitslosigkeit hat sich verdreifacht. Massenhaft Kleinbetriebe sind Bankrott. Löhne und Renten sind zum Teil um 30% gesunken.
Arbeiterfamilien leben ohne Strom und Heizung, stehen Schlange an Suppenküchen. Ingenieure sind obdachlos. Hilfsorganisationen, die sich früher nur um Flüchtlinge aus Afrika kümmern mussten, sind heute die einzige medizinische Versorgung für ganze Teile der griechischen Bevölkerung.Ja, die „Hilfsprogramme“ haben die Banken gerettet, die Griechenland Geld geliehen hatten. Aber sie haben ein relativ entwickeltes Land in ein Armenhaus verwandelt. Und wenn die Wortführer in Europa so wütend auf den neuen griechischen Staatschef Tsipras sind und ihn als unverantwort¬¬lich beschimpft haben, dann weil er bei Teilen der Bevölkerung die Hoffnung geweckt hat, dass mit diesen endlosen Opfern der Bevölkerung nun Schluss sein könnte. Und weil sie Angst haben, dass auch andere Bevölkerungen in Europa diese Hoffnung schöpfen und die Griechen nachahmen.
Deshalb haben sie Griechenland sofort das Messer an die Gurgel gesetzt: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihnen die wichtigste Finanzierungsquelle abgedreht, was den Staat in wenigen Wochen in den Bankrott getrieben hätte. Damit die griechische Regierung in die Knie geht und zustimmt, dass die Schulden bis zum letzten Cent bezahlt werden und vor allem, dass die einfache Bevölkerung weiter dafür bezahlen muss. Das hat sie am Freitag zum ersten Mal getan.
Für die Herrschenden in Europa ist das keine Frage des Geldes. Gerade erst hat die EZB den Banken 1.100 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Es wäre also ein Klacks für sie, dem griechischen Staat etwas von seinen 300 Milliarden Euro Schulden zu erlassen. Den Herrschenden aber geht es ums Prinzip: Nirgendwo in Europa soll die arbeitende Bevölkerung auch nur anfangen zu hoffen, dass die Zeit der Opfer vorbei sein könnte.
Für die griechische Bevölkerung hat der Kampf darum, dass sie nicht weiter verarmt, also erst begonnen. Und in diesen Kampf muss die arbeitende Bevölkerung sich selber einmischen. Das fängt mit den sozialen Maßnahmen an, die die Regierung Tsipras nach ihrer Wahl angekündigt hat. Denn auch das Geld für diese Maßnahmen muss man den Reichen, den Kapitalisten in Griechenland wegnehmen. Die aber, gewohnt, keine Steuern zu zahlen und zu tun was sie wollen, werden nichts freiwillig machen.
Die Regierung kann zwar die Erhöhung des Mindestlohns auf 750 Euro beschließen. Doch um zu verhindern, dass die Unternehmer nicht, wie bei uns, tausend Wege finden, um den Mindestlohn zu umgehen, müssen die Arbeiter sich selber organisieren und einmischen.Nur so können die Arbeitenden sicherstellen, dass die versprochenen sozialen Maßnahmen umgesetzt werden. Dass der Mindestlohn gezahlt, die Renten erhöht und die vom Staat entlassenen Krankenpfleger, Putzkräfte, Lehrer und Hafenarbeiter wieder eingestellt werden.
Nur wenn die Arbeiter immer wieder massenhaft eingreifen, auf die Straße gehen, streiken, Druck ausüben – gegen die herrschende Klasse in Europa und gegen die reichen Schmarotzer im eigenen Land, können sie dafür sorgen, dass ihre Interessen nicht dem Druck der Kapitalisten geopfert werden.In dieser Auseinandersetzung müssen die Arbeitenden Griechenlands auf unsere Solidarität zählen können. Wir dürfen uns nicht vor den Karren unserer Regierung spannen lassen, die uns einzureden versucht: Wir in Deutschland müssten bezahlen, wenn die griechische Bevölkerung sich nicht weiter opfert.
Im Gegenteil: Das, was die wahre Sorge der Regierung und der EZB ist – nämlich dass andere Bevölkerungen es den Griechen nachmachen – könnte unsere Hoffnung werden. Denn wenn die griechischen Arbeiter entschlossen versuchen, gegen die kapitalistische Profitgier ihre lebenswichtigen Forderungen durchzusetzen: Könnte dies nicht auch anderen Arbeitenden in Europa Mut geben, diesen Kampf zu beginnen?
Internationales
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Ukrainische Bevölkerung: gefangen im Machtkampf zwischen USA und Russland
Keiner weiß, wie es weitergehen wird in der Ukraine. Die bisherige Waffenruhe hat genauso wenig gehalten wie all die Waffenruhen vor ihr. Jede der beiden Seiten nimmt die Angriffe der anderen Seite als Vorwand, um sich ihrerseits nicht daran zu halten. Wenig lässt darauf hoffen, dass der Schrecken des Krieges, der vor einem Jahr begonnen hat, bald ein Ende haben wird.
Der Machtkampf zwischen USA und Russland hat das Land in diesen katastrophalen Abgrund gestürzt.
Seit Anfang der 90er versucht die USA, in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion Einfluss zu gewinnen. Mit den Maidan-Protesten vor einem Jahr hat sie die Gelegenheit ergriffen, auch die Ukraine in ihr Einflussgebiet einzubinden. Insbesondere soll sie der NATO beitreten. Dafür unterstützt die USA die pro-westlichen Regierung.
Russland hingegen, dessen Geschichte, Wirtschaft und Bevölkerung tief mit der Ukraine verflochten ist, will sich eine Entschädigung dafür holen, dass es die Ukraine an den Westen verloren hat. Mit diesem Ziel unterstützen sie die prorussischen Separatisten.Bei diesem Ziehen und Zerren um Einfluss, bei dem die USA genauso skrupellos und aggressiv vorgehen wie Russland, ist die Ukraine zerbrochen. Sie ist im Sumpf eines Bürgerkrieges versunken, aus dem bislang keiner der Beteiligten einen Ausweg findet, auch USA und Russland nicht.
Das Opfer ist die Bevölkerung der Ukraine. Sie bezahlt mit aller Wucht die Folgen des Bürgerkrieges: Über 5.000 Menschen sind bereits gestorben, über eine Million mussten fliehen. In den Frontgebieten lebt die Bevölkerung in Angst vor Angriffen. Krankenhäuser und Leitungen sind zerschossen. Viele leben ohne Medikamente, Heizung und Strom; teilweise kommt tagelang kein Brot an.Doch auch weit weg von den Kampfgebieten, im Westen der Ukraine, beherrscht der Krieg den Alltag. Immer mehr Männer und Söhne werden eingezogen. Und die Regierung spart an allem: Im tiefsten Winter gibt es keine Heizungen in den Schulen mehr. Beständig werden neue Opfer „für das Vaterland“ verlangt: Sondersteuern, Sonderschichten… Kinder sollen Spenden für die Soldaten sammeln. Begleitet von täglicher nationalistischer Propaganda will man das ganze Volk in den Krieg hineinziehen.
In den Gebieten der pro-russischen Separatisten ist es genauso. Entbehrung bestimmt das Leben, vergiftet durch die tägliche Propaganda und Kriegshetze. Das Gift sickert in Freundschaften und Familien. Ständig drohen Konflikte zwischen Anhängern beider Lager auszubrechen. Und nicht zuletzt wird auch die Bevölkerung in Russland zum Opfer des Kräftemessens zwischen Putin und den USA.
Längst ist klar, dass keine der beiden Seiten die andere besiegen kann. Man müsste sich irgendwie einigen. Doch jeder Waffenstillstand bricht, kaum ist er geschlossen. Denn weder die ukrainische Armee noch die Separatisten wollen in der Position des Schwächeren sein, wenn man über zentrale Fragen verhandelt wie darüber, wo die Grenzen verlaufen, wie unabhängig die ostukrainischen Gebiete werden, ob die Ukraine der NATO beitritt…
Im Moment ist die ukrainische Armee die Schwächere. Trotz Waffenlieferungen aus USA und Kanada sind ihre Offensiven gescheitert. Sie verliert Gebiete an die von Russland ausgerüsteten Separatisten.
Deshalb ruft die ukrainische Regierung jetzt nach EU-„Friedens“-Truppen, von denen sie sich Unterstützung gegen die Separatisten erhofft. Und deshalb ruft sie vor allem nach militärischer Unterstützung durch die USA.Werden die USA offen in die militärische Auseinandersetzung eingreifen, um das Blatt wieder zu ihren Gunsten zu wenden? Man weiß es nicht. Vielleicht ist es nur eine Drohung, um Druck auf Russland auszuüben und trotz der Schwäche der ukrainischen Armee ein Abkommen zu erzielen, mit dem beide Seiten leben können: ein Abkommen, in dem USA und Russland – über die Köpfe der ukrainischen Bevölkerung hinweg – ihren jeweiligen Einfluss in der Ukraine festlegen.
Doch falls es in der Ukraine tatsächlich zu einem offenen militärischen Kampf zwischen USA und Russland kommen sollte, dann kann dies für die Bevölkerung nur schrecklich werden: Es würde den Krieg noch brutaler machen, würde noch mehr Tot, Zerstörung und Hass in noch mehr Städte und Gegenden der Ukraine tragen.
Beide, USA wie Russland, würden eine solche Konfrontation gerne vermeiden. Und die Regierungen der EU haben erst Recht keine Lust auf einen russisch-amerikanischen Krieg vor ihrer Haustür. Doch oft genug haben wir auch erlebt, wie schnell sich eine Kriegsspirale in Ganz setzen kann; wie schnell dann auf einmal auch in Europa eine kriegerische Stimmung geschürt werden könnte, dass man „dem Schlächter Putin nun Einhalt gebieten“ müsse.In jedem Fall betrifft uns das, was in der Ukraine passiert. Nicht nur, weil der Krieg so nah bei uns stattfindet. Sondern auch, weil fast jeder von uns Arbeitskollegen, Nachbarn oder Freunde hat, die aus der Ukraine oder Russland kommen oder Angehörige dort haben. Umso wichtiger ist es, dass wir uns nicht von unserer Regierung oder einer der anderen Großmächte vereinnahmen lassen, die alle nichts anderes tun, als ihren Machtkampf auf dem Rücken der Bevölkerung auszutragen.
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Polen: Streik der Bergleute verhindert Zechen-Schließung
Mit zehn Tagen massivem Streik haben die Bergleute in Schlesien (Polen) den Erhalt ihrer Zechen und Arbeitsplätze erkämpft.
Anfang Januar hatte die Regierung die Schließung von vier Zechen der staatlichen Zechengesellschaft KW angekündigt und erklärt, die polnischen Bergleute seien einfach „zu teuer“. Sofort traten die Bergleute von Brzeszcze in den Streik. In kürzester Zeit schlossen sich ihnen die übrigen (insgesamt 14) Zechen der KW in Schlesien an, außerdem auch quasi alle Zechen der anderen Bergwerksgesellschaften wie JSW und KTW.
Andere Arbeitende, wie die Krankenschwestern und Hebammen, organisierten Unterstützung für die streikenden Bergleute. Zahlreich waren die Solidaritätsaktionen der Bevölkerung in dieser Gegend, die bereits durch die Zechenschließungen der 90er Jahre verarmt ist. In Bytom zum Beispiel, einer Stadt mit 21% Arbeitslosigkeit, in der die Regierung nun noch mehr Zechen schließen wollte, demonstrierten mehr als 10.000 Menschen.
Die Entschlossenheit des Streiks und das Ausmaß seiner Unterstützung in der Bevölkerung – und das kurz vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen – haben die Regierung einknicken lassen. Am 17. Januar, nach zehn Tagen Streik, wurde die im Parlament bereits beschlossene Schließung der Zechen wieder vollständig zurückgenommen.