Leitartikel
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Einschränkung des Streikrechts: Ein Angriff auf alle Arbeitenden
Keiner ist zuletzt so sehr von Politikern, Unternehmern, Journalisten beschimpft und verleumdet worden wie die streikenden Lokführer. Warum? Gerade weil die Lokführer für Forderungen eintreten, die im Interesse aller Arbeitenden sind. Sie kämpfen für mehr Lohn. Für mehr Personal, weniger Überstunden und Stress. Und für das Recht jedes Arbeitenden, selber zu entscheiden, welche Gewerkschaft ihn vertritt und mit welcher Gewerkschaft er streikt – ein Recht, das die Regierung gerade allen Arbeitenden wegnehmen will.
Mehr noch verflucht man sie, weil sie nicht nur lieb bitten, sondern für ihre Forderungen Druck machen – mit dem Druckmittel, dass die Arbeiter haben: dem Streik.Nein, die Herrschenden stört am Streik nicht, dass Fahrgäste Probleme haben, weil keine S-Bahn fährt. Das stört sie ja auch sonst nicht! Die Regierung selber hat schließlich mit dem Abbau von über 200.000 Arbeitsplätzen dafür gesorgt, dass bei der Bahn ständig Fahrgäste auf verspätete Züge warten, ihre Anschlüsse verpassen oder in defekten Zügen festsitzen.
Was sie so empört, ist dass die Lokführer es wagen, für ihre Forderungen zu streiken. Dass sie alle spüren lassen, welche wichtige Rolle die Arbeitenden haben. Dass ohne die Arbeitenden – ob bei der Bahn, einem Autozulieferer oder im Kraftwerk – in kürzester Zeit ganze Bereiche der Wirtschaft still stehen.
Die Herrschenden sind so gewohnt daran, dass sie alleine, mit 30 Leuten in einem Aufsichtsrat, alles entscheiden können; dass sie nur aus Profitgier Standorte stilllegen oder verkaufen, Arbeiter entlassen, Löhne senken, befristet einstellen können, wie sie wollen. Sie können und wollen nicht ertragen, dass Arbeitende mal nicht alles schlucken, sondern dass die Arbeitenden eigene Forderungen aufstellen und sich wehren. Und erst recht nicht, dass sie dafür streiken und Betriebe lahmlegen.
Deshalb wollen sie ihnen auch das Streiken so schwer wie möglich machen. Auch das geplante Gesetz zur „Tarifeinheit“, gegen das sich die Lokführer wehren, soll dazu dienen. Kommt dieses Gesetz durch, dann gilt nämlich bald: Wenn es in einem Betrieb zwei Gewerkschaften gibt und diese sich nicht die Berufe untereinander aufgeteilt haben, dann darf nur noch die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern Tarifverhandlungen führen und zu Streiks aufrufen. Der kleineren Gewerkschaft, zum Beispiel der Gewerkschaft der Lokführer, wäre dann jeder eigene Streik verboten.
Die Regierung behauptet, sie wolle nur verhindern, dass es zum Beispiel für Lokführer bei der Bahn zwei verschiedene Tarifverträge gibt, je nachdem in welcher Gewerkschaft sie sind. Was für Heuchler! Wenn es ihr damit ernst wäre, dann würde sie nicht seit Jahren massiv Leiharbeit und Subfirmen fördern. Dadurch haben die Arbeiter schließlich längst zig unterschiedliche Tarifverträge in einem Beruf und einer Firma.
In Wahrheit ist ihr Gesetz ein Angriff auf das Streikrecht aller Arbeitenden. Es wird sicher einige Unternehmer dazu ermutigen, eine unternehmerfreundliche Gewerkschaft in ihrem Betrieb stark zu machen. Denn sobald diese auch nur ein Mitglied mehr hat als die andere Gewerkschaft, kann sie dann für alle Arbeitenden Lohnkürzungen, längere Arbeitszeiten und sonstige Verschlechterungen unterschreiben. Und jede Gewerkschaft und jeder Arbeitende, der sich dagegen wehren will und streikt, streikt illegal.
Für die Unternehmer ist dieses Gesetz zur „Tarifeinheit“ außerdem nur der erste Schritt. Sie haben schon die nächste Maßnahme gefordert: In Einrichtungen, die für die Firmen zentral sind (Transport, Verkehr, Energieversorgung), wollen sie Streiks am liebsten komplett verbieten – „um in Zeiten der Krise die Wirtschaft nicht unnötig zu belasten“.
In was für Zeiten leben wir denn? Bald ist dann jeder Streik, jede Forderung von uns eine „unzumutbare Belastung“.Man kann nun wirklich nicht behaupten, dass es in Deutschland in den letzten Jahrzehnten so viele Streiks gegeben hätte. Und dennoch, wie ein Gespenst verfolgt die Kapitalisten dieser Gedanke.
Denn sie wissen, dass sie in ihrer Krise alle Arbeitenden immer härter angreifen werden, um ihre Profite zu erhalten. Und ihnen ist bewusst, dass nur eines sie daran hindern kann: Wenn die Arbeitenden die Wut packt und sie die Fließbänder und Maschinen, Züge und Flugzeuge, Gabelstapler und Kassen anhalten.
Dann nämlich kehrt sich von einer auf die andere Sekunde das Kräfteverhältnis um. Dann sind die Kapitalisten und die Regierungen hilflos den Arbeitenden ausgeliefert – und nicht mehr umgekehrt. Dann sind es die Arbeitenden, die Bedingungen stellen und ihre Forderungen durchsetzen können.
Sie werden daher versuchen, uns Streiks möglichst zu erschweren und unsere Rechte weiter einzuschränken, um uns einfacher auszupressen. Doch egal wie viel Mühe sie sich geben. Irgendwann kommt der Punkt, an dem die Kapitalisten eine Verschlechterung zu viel verlangen und sich die heutige Angst und Ohnmacht der Arbeitenden in Wut verwandelt. Und an dem Tag wird auch kein Streikverbot sie aufhalten.
Internationales
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Kobane: Was die Kurden (nicht) von den USA zu erwarten haben
Erneut haben am Wochenende tausende Kurden in Köln und Düsseldorf demonstriert, um auf die Lage der Kurden im syrischen Kobane an der türkischen Grenze aufmerksam zu machen. Seit Wochen schon leisten dort die kurdischen Kämpfer mit dem Rücken zur Wand Widerstand, versuchen mit allen Kräften, den Vormarsch der zahlreicheren und besser bewaffneten Milizen des Islamischen Staat (IS) zu stoppen.
Doch während die kurdischen Milizen im Irak – die Peschmerga – von den USA und Deutschland mit Waffen versorgt und unterstützt werden, erhalten die Kurden in Kobane… nichts. Das höchste der Gefühle war, dass die Türkei ganzen 150 irakischen Peschmerga-Kämpfern erlaubte, über die Türkei nach Kobane einzureisen.
Denn der türkische Staat führt selber seit über dreißig Jahren einen blutigen Unterdrückungskrieg gegen die kurdische Unabhängigkeitsbewegung in der Türkei. Daher hat er absolut keine Lust, dass direkt hinter der Grenze in Syrien eine starke, bewaffnete kurdische Macht entsteht. Im Gegenteil, die türkische Regierung hofft, dass die kurdischen Kämpfer sich im Kampf gegen den IS aufreiben und nach Möglichkeit daran selber zugrunde gehen.Und die USA? Für die ist der Kampf der Kurden gegen den IS zwar die Rechtfertigung für ihren Krieg. Sie sagt: „Seht, wie die Kurden sich gegen den IS verteidigen. Wir müssen sie in ihrem Kampf für ihre Freiheit unterstützen und deshalb Krieg in Irak und Syrien führen.“ Doch in Wahrheit führt die USA den Krieg aus ganz anderen Gründen: Ihr geht es wie immer einzig darum, ihren Einfluss und den Zugang zu den wichtigen Ölquellen in der Region nicht zu verlieren. Und Kobane macht deutlich, wie wenig sie das Los der Kurden in Wahrheit interessiert. Sobald ein strategisch wichtiger Verbündeter wie die Türkei dadurch Unannehmlichkeiten bekommen würde, lässt sie die kurdische Bevölkerung fallen wie eine heiße Kartoffel. Wenn die kurdische Bevölkerung auf eines nicht zählen kann, dann auf eine ehrliche und ernsthafte Unterstützung der USA.
Ja, die USA findet es sehr schön, dass die Kurden für sie quasi die Bodentruppen sind, die die USA in ihrem Krieg selber nicht einsetzen will. Dass so die kurdischen Kämpfer vor Ort ihr Leben riskieren und verlieren, während sich die USA darauf beschränken kann, aus sicherer Entfernung Bomben zu schmeißen.
Doch mehr als Kanonenfutter sind die kurdischen Kämpfer für sie nicht. In was für Situationen sie die Kurden damit bringt, auch gegenüber den anderen Bevölkerungsgruppen der Region, und was in den nächsten Jahren aus ihnen wird, das ist der USA vollkommen gleichgültig.
Genau das ist seit Jahrzehnten ihre Politik in dieser Region: Heute stützen sich die USA auf die Kurden, um den IS zu bekämpfen. So, wie sie sich vorher auf IS-Milizen gestützt hat, um Syriens Diktator Assad zu bekämpfen. Und wie sie sich morgen auf die nächsten Gruppen stützen wird.
Sie hetzt nach und nach jede Bevölkerungsgruppe gegen die anderen auf. Mit dem einzigen Ziel, diese Länder und vor allem deren schwarzes Gold unter ihrer Kontrolle zu halten.