Leitartikel
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Wir Arbeitenden machen die Betriebe nicht arm, sondern reich!
Am 3. Juli hat die Regierung den Mindestlohn beschlossen. Endlich, im Jahr 2015, werden hunderttausende Küchenhelfer, Verkäuferinnen, Altenpflegehelfer, Kellner vor allem in Ostdeutschland nicht mehr gezwungen, für 5 oder 6 Euro die Stunde zu arbeiten, sondern bekommen zumindest 8,50 Euro.
Doch zahlreiche Arbeitende hat die Regierung hiervon ausgenommen. Arbeiter unter 18 und Langzeitarbeitslose dürfen auch weiterhin für 4 oder 6 Euro ausgebeutet werden, ganz zu schweigen von den 1-Euro-Jobbern.
Viele andere werden bis 2017 warten müssen, bis sie endlich den Mindestlohn bekommen: Zeitungsausträger, Frisöre, Pförtner und ein dutzend weiterer Branchen. Und zwar, kein Scherz, mit dem Argument, dass deren Betriebe – also zum Beispiel die WAZ-Mediengruppe oder Kötter Security – eine so ‚schnelle‘ Anhebung der Löhne auf 8,50 Euro angeblich nicht verkraften könnten.
Mit demselben Argument, dass man die Wirtschaft nicht mit „zu hohen Löhnen“ überfordern dürfe, hat die Regierung den Mindestlohn auch nur auf 8,50 Euro festgesetzt: Auf einen Stundenlohn also, der so niedrig ist, dass man von ihm schon bei einem Vollzeitjob und ohne Kinder kaum leben kann.
Ein Lohn, der sogar noch unter fast allen Branchen-Mindestlöhnen liegt. Viele Reinigerinnen, Elektriker, Bauarbeiter werden sich daher jetzt anhören dürfen, dass sie doch mit ihren Löhnen mehr als zufrieden sein könnten, weil sie ja schon 9 Euro oder „sogar“ 11 Euro erhalten!Quasi in allen Fragen hat die Regierung dem Druck der Unternehmer nachgegeben – zu Lasten von Millionen Arbeitenden und ihren Familien. Denn sie bekommen nun einen Mindestlohn, mit dem ihre Niedriglöhne und ihre Armut nicht enden, sondern weitergehen.
Das aber hindert die Unternehmer nicht daran, selbst über diesen Mindestlohn noch zu jammern. Schon sagen die ersten, sie müssten wegen des „hohen“ Mindestlohns die Preise erhöhen. Schon drohen die nächsten, sie müssten deswegen Beschäftigte entlassen. Schon beginnen die übernächsten zu erzählen, der Mindestlohn würde die Firma in den Ruin treiben, wenn die Arbeitenden ihn nicht ausgleichen… indem sie schneller arbeiten oder bei Teilzeit weniger Stunden bekommen. Und wir werden uns darauf einstellen können, dass die Unternehmer noch viele Angriffe mit dem Mindestlohn rechtfertigen werden.
Denn ja, die Kapitalisten besitzen die Dreistigkeit, uns Arbeitende für ihre steigenden Preise, ihre Entlassungen, für all ihre Verschlechterungen unserer Arbeitsbedingungen verantwortlich zu machen. Und nicht nur beim Mindestlohn: Ständig und überall versuchen sie uns das Gefühl zu geben, dass wir eine Last wären, dass wir zu teuer wären, zu anspruchsvoll, dass unsere Löhne die Betriebe „überfordern“ würden. Das ist eine große Lüge.
Die Preise müssen steigen, weil die Löhne steigen? Von wegen. Wenn man nach dieser Logik geht, dann hätten Plasmabildschirme in den letzten zehn Jahren nicht billiger werden dürfen, da die Löhne in dieser Branche sich kaum verändert haben. Tatsächlich aber sind sie um 200% billiger geworden. Löhne und Preise haben nämlich so gut wie nichts miteinander zu tun. Allein schon, weil die Löhne nur einen sehr kleinen Teil der Produktionskosten ausmachen.
Der wirkliche Zusammenhang besteht nicht zwischen Löhnen und Preisen, sondern zwischen Löhnen und Gewinnen. Wenn die Unternehmer unsere Löhne drücken, erhöhen sie damit ihre Gewinne. Und wenn umgekehrt wir Arbeitenden spürbare Lohnerhöhungen durchsetzen würden, dann könnte dies ihre Gewinne etwas schmälern. Eben weil Löhne und Gewinne direkt zusammenhängen, sind für sie höhere Löhne immer eine „unmögliche“ Überforderung.Ja, wenn die Aktionäre der Curanum-Pflegeheimkette oder der Essanelle-Frisörkette Millionen, die Aktionäre von Axel Springer hunderte Millionen und die von McDonalds sogar 7 Milliarden Euro in nur einem Jahr als Dividende (Gewinnbeteiligung) ausgezahlt bekommen, wenn solch gigantischen Summen also jedes Jahr aus den Firmen abgezogen werden und auf die privaten Konten einiger Aktionäre wandern – dann ist das für sie keine Überforderung ihrer Firma. Aber wenn die Beschäftigten dort auch nur einen ärmlichen Mindestlohn von 8,50 Euro verlangen, dann schreien sie, das sei der Ruin der Firma.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die Betriebe wären nicht gebaut, würden nichts produzieren und verkaufen, wenn es nicht Arbeitende gäbe, die Leitungen verlegen, Maschinen bedienen, fahren, kassieren, kurz gesagt dort arbeiten würden. Durch unsere Arbeit laufen die Betriebe. Entgegen ihrer Propaganda ist es gar nicht möglich, dass unsere Löhne die Unternehmen ruinieren, dass die Unternehmen sich uns Arbeitende nicht leisten können. Im Gegenteil, wir schaffen erst ihren ganzen Reichtum.
Wenn, dann stellt sich die Frage daher anders herum: nämlich ob wir uns die Unternehmer und ihre Dividenden leisten können.
Internationales
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1914: Der Beginn des ersten Weltkrieges, für die Interessen der Kapitalisten
Vor 100 Jahren begann der erste Weltkrieg; ein Krieg, der in vier Jahren 20 Millionen Menschen das Leben raubte und weitere Millionen für ihr Leben verstümmelte.
Der Krieg kam nicht plötzlich und unerwartet. Er hatte sich über 15 Jahre lang in der massiven Zunahme diplomatischer und militärischer Auseinandersetzungen angekündigt. Auseinandersetzungen, bei denen es letztlich immer um die Vorherrschaft in Europa und mehr noch um die Herrschaft über Kolonien ging.
Kolonien bedeuteten einen wichtigen Zugang zu Rohstoffen und neuen Absatzmärkten. Jedes imperialistische Land wollte für seine Kapitalisten möglichst viele Kolonien und Einflussgebiete erobern.England und Frankreich hatten als älteste Industriestaaten längst riesige Kolonialreiche aufgebaut. Und nun, am Anfang des 20. Jahrhunderts, waren nicht mehr viele Staaten übrig, die man noch kolonisieren konnte. Umso schärfer wurde die Konkurrenz um sie – einerseits zwischen England und Frankreich, andererseits zwischen ihnen und den jüngeren imperialistischen Staaten, vor allem Deutschland, das noch so gut wie keine Kolonien besaß.
In Deutschland forderten die Großindustriellen „einen Platz an der Sonne“, das heißt ein eigenes, profitables deutsches Kolonialreich. Dazu aber musste man den englischen und französischen Konkurrenten einen Teil ihrer Kolonien wegnehmen – notfalls mit Gewalt. Dafür rüstete sich der deutsche Staat. In den neun Jahren vor dem ersten Weltkrieg steigerte er seine Militärausgaben um 120%.
Mehrfach stand ein Krieg zwischen den Großmächten Deutschland, Frankreich oder England kurz bevor. 1911 zum Beispiel schickte Deutschland Truppen nach Marokko, um Frankreich militärisch an der Kolonisierung Marokkos zu hindern. Es kam noch mal ein Kompromiss zustande: Frankreich besetzte Marokko und schenkte dafür Deutschland Teile seiner Kolonie im Kongo. Doch langfristig konnte das keine Lösung sein, dafür ging es für alle imperialistischen Staaten um viel zu viel.
Die kriegerische Konkurrenz zwischen ihnen wurde schärfer und schärfer, bis drei Jahre später dann ein Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajewo, also in Wahrheit ein winziger Anlass ausreichte, damit verschiedene Großmächte sich gegenseitig den Krieg erklärten.
Der erste Weltkrieg wurde zu einem Gemetzel und einer Materialschlacht bislang ungekannten Ausmaßes, in der Panzer, Giftgas, Geschütze und Granaten die Menschenleben verschlangen.
Sehr zur Freude der Rüstungs-, der Kohle- Stahl- und Chemieindustrie, die das Kriegsmaterial lieferten. Ob Krupp, Stinnes, Thyssen oder Rheinmetall, sie und viele andere machten bedeutende Teile ihres Vermögens mit den Schlachtfeldern, dem Blut und den zerfetzten Gliedern der Soldaten. Um 800 Prozent stiegen ihre Gewinne während des Krieges. „Die Dividenden steigen, die Proletarier fallen“, schrieb die sozialistische Revolutionärin Rosa Luxemburg 1916.In den Jahren vor dem Krieg hatten hier hunderttausende Arbeitende gegen den drohenden Krieg protestiert, in anderen Ländern ebenso. Und selbst in den letzten Tagen vor Kriegsbeginn – als die patriotische und kriegerische Propaganda einen Höhepunkt erreichte – gingen in Deutschland 750.000 Arbeiter gegen den Krieg auf die Straße, dem Aufruf folgend:
„Die herrschenden Klassen, die euch im Frieden knebeln, verachten, ausnutzen, wollen euch als Kanonenfutter missbrauchen. Überall muss den Gewalthabern in den Ohren klingen: Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Kriege! Hoch die internationale Völkerverbrüderung!“Doch die Partei der Arbeiter, die SPD, die bis dahin immer erklärt hatte, dass deutsche und französische Arbeiter sich nicht zum Profit ihrer Kapitalisten in den Krieg hetzen lassen dürften, brach im entscheidenden Moment ein: Als der Krieg tatsächlich begann, erklärte die SPD-Führung, dass man das Vaterland in der Stunde der Gefahr verteidigen müsse, und stimmte im Reichstag für die Kriegskredite.
In dem Moment also, wo die Millionen Arbeitenden, die der SPD vertrauten, diese am meisten gebraucht hätten, verriet die SPD-Führung sie. Sie half der Regierung und den Kapitalisten, die Arbeiter ohne großen Widerstand an die Front und zum Granatendrehen zu schicken.Schon bald jedoch begann sich erster Unmut über den Krieg zu regen. Und mit jedem Kriegsjahr nahm der Widerwillen und der Widerstand gegen den Krieg zu. Trotz Streikverbot, trotz Gefängnis und Todesdrohungen kam es immer häufiger zu Demonstrationen und Streiks, die laut das Ende des kapitalistischen Massenmordes forderten. Bis sich 1918, am Ende des Krieges, Millionen Arbeiter und Soldaten erhoben.
Heute, 100 Jahre später, ist der Kapitalismus nicht friedlicher geworden. Die Ursachen, die einst zum Ersten Weltkrieg geführt haben, sind noch immer da. So bringt der Kapitalismus immer neue Aufrüstung und neue Kriege hervor. Und er birgt auch weiterhin die Gefahr, uns irgendwann erneut in die Barbarei eines Weltkrieges zu stürzen.