Das rote Tuch – Nr. 66

  • Wir Arbeitenden machen die Betriebe nicht arm, sondern reich!

    Am 3. Juli hat die Regierung den Mindestlohn beschlossen. Endlich, im Jahr 2015, werden hunderttausende Küchenhelfer, Verkäuferinnen, Altenpflegehelfer, Kellner vor allem in Ostdeutschland nicht mehr gezwungen, für 5 oder 6 Euro die Stunde zu arbeiten, sondern bekommen zumindest 8,50 Euro.

    Doch zahlreiche Arbeitende hat die Regierung hiervon ausgenommen. Arbeiter unter 18 und Langzeitarbeitslose dürfen auch weiterhin für 4 oder 6 Euro ausgebeutet werden, ganz zu schweigen von den 1-Euro-Jobbern.

    Viele andere werden bis 2017 warten müssen, bis sie endlich den Mindestlohn bekommen: Zeitungsausträger, Frisöre, Pförtner und ein dutzend weiterer Branchen. Und zwar, kein Scherz, mit dem Argument, dass deren Betriebe – also zum Beispiel die WAZ-Mediengruppe oder Kötter Security – eine so ‚schnelle‘ Anhebung der Löhne auf 8,50 Euro angeblich nicht verkraften könnten.

    Mit demselben Argument, dass man die Wirtschaft nicht mit „zu hohen Löhnen“ überfordern dürfe, hat die Regierung den Mindestlohn auch nur auf 8,50 Euro festgesetzt: Auf einen Stundenlohn also, der so niedrig ist, dass man von ihm schon bei einem Vollzeitjob und ohne Kinder kaum leben kann.
    Ein Lohn, der sogar noch unter fast allen Branchen-Mindestlöhnen liegt. Viele Reinigerinnen, Elektriker, Bauarbeiter werden sich daher jetzt anhören dürfen, dass sie doch mit ihren Löhnen mehr als zufrieden sein könnten, weil sie ja schon 9 Euro oder „sogar“ 11 Euro erhalten!

    Quasi in allen Fragen hat die Regierung dem Druck der Unternehmer nachgegeben – zu Lasten von Millionen Arbeitenden und ihren Familien. Denn sie bekommen nun einen Mindestlohn, mit dem ihre Niedriglöhne und ihre Armut nicht enden, sondern weitergehen.

    Das aber hindert die Unternehmer nicht daran, selbst über diesen Mindestlohn noch zu jammern. Schon sagen die ersten, sie müssten wegen des „hohen“ Mindestlohns die Preise erhöhen. Schon drohen die nächsten, sie müssten deswegen Beschäftigte entlassen. Schon beginnen die übernächsten zu erzählen, der Mindestlohn würde die Firma in den Ruin treiben, wenn die Arbeitenden ihn nicht ausgleichen… indem sie schneller arbeiten oder bei Teilzeit weniger Stunden bekommen. Und wir werden uns darauf einstellen können, dass die Unternehmer noch viele Angriffe mit dem Mindestlohn rechtfertigen werden.

    Denn ja, die Kapitalisten besitzen die Dreistigkeit, uns Arbeitende für ihre steigenden Preise, ihre Entlassungen, für all ihre Verschlechterungen unserer Arbeitsbedingungen verantwortlich zu machen. Und nicht nur beim Mindestlohn: Ständig und überall versuchen sie uns das Gefühl zu geben, dass wir eine Last wären, dass wir zu teuer wären, zu anspruchsvoll, dass unsere Löhne die Betriebe „überfordern“ würden. Das ist eine große Lüge.

    Die Preise müssen steigen, weil die Löhne steigen? Von wegen. Wenn man nach dieser Logik geht, dann hätten Plasmabildschirme in den letzten zehn Jahren nicht billiger werden dürfen, da die Löhne in dieser Branche sich kaum verändert haben. Tatsächlich aber sind sie um 200% billiger geworden. Löhne und Preise haben nämlich so gut wie nichts miteinander zu tun. Allein schon, weil die Löhne nur einen sehr kleinen Teil der Produktionskosten ausmachen.
    Der wirkliche Zusammenhang besteht nicht zwischen Löhnen und Preisen, sondern zwischen Löhnen und Gewinnen. Wenn die Unternehmer unsere Löhne drücken, erhöhen sie damit ihre Gewinne. Und wenn umgekehrt wir Arbeitenden spürbare Lohnerhöhungen durchsetzen würden, dann könnte dies ihre Gewinne etwas schmälern. Eben weil Löhne und Gewinne direkt zusammenhängen, sind für sie höhere Löhne immer eine „unmögliche“ Überforderung.

    Ja, wenn die Aktionäre der Curanum-Pflegeheimkette oder der Essanelle-Frisörkette Millionen, die Aktionäre von Axel Springer hunderte Millionen und die von McDonalds sogar 7 Milliarden Euro in nur einem Jahr als Dividende (Gewinnbeteiligung) ausgezahlt bekommen, wenn solch gigantischen Summen also jedes Jahr aus den Firmen abgezogen werden und auf die privaten Konten einiger Aktionäre wandern – dann ist das für sie keine Überforderung ihrer Firma. Aber wenn die Beschäftigten dort auch nur einen ärmlichen Mindestlohn von 8,50 Euro verlangen, dann schreien sie, das sei der Ruin der Firma.

    Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die Betriebe wären nicht gebaut, würden nichts produzieren und verkaufen, wenn es nicht Arbeitende gäbe, die Leitungen verlegen, Maschinen bedienen, fahren, kassieren, kurz gesagt dort arbeiten würden. Durch unsere Arbeit laufen die Betriebe. Entgegen ihrer Propaganda ist es gar nicht möglich, dass unsere Löhne die Unternehmen ruinieren, dass die Unternehmen sich uns Arbeitende nicht leisten können. Im Gegenteil, wir schaffen erst ihren ganzen Reichtum.

    Wenn, dann stellt sich die Frage daher anders herum: nämlich ob wir uns die Unternehmer und ihre Dividenden leisten können.

  • 1914: Der Beginn des ersten Weltkrieges, für die Interessen der Kapitalisten

    Vor 100 Jahren begann der erste Weltkrieg; ein Krieg, der in vier Jahren 20 Millionen Menschen das Leben raubte und weitere Millionen für ihr Leben verstümmelte.
    Der Krieg kam nicht plötzlich und unerwartet. Er hatte sich über 15 Jahre lang in der massiven Zunahme diplomatischer und militärischer Auseinandersetzungen angekündigt. Auseinandersetzungen, bei denen es letztlich immer um die Vorherrschaft in Europa und mehr noch um die Herrschaft über Kolonien ging.
    Kolonien bedeuteten einen wichtigen Zugang zu Rohstoffen und neuen Absatzmärkten. Jedes imperialistische Land wollte für seine Kapitalisten möglichst viele Kolonien und Einflussgebiete erobern.

    England und Frankreich hatten als älteste Industriestaaten längst riesige Kolonialreiche aufgebaut. Und nun, am Anfang des 20. Jahrhunderts, waren nicht mehr viele Staaten übrig, die man noch kolonisieren konnte. Umso schärfer wurde die Konkurrenz um sie – einerseits zwischen England und Frankreich, andererseits zwischen ihnen und den jüngeren imperialistischen Staaten, vor allem Deutschland, das noch so gut wie keine Kolonien besaß.

    In Deutschland forderten die Großindustriellen „einen Platz an der Sonne“, das heißt ein eigenes, profitables deutsches Kolonialreich. Dazu aber musste man den englischen und französischen Konkurrenten einen Teil ihrer Kolonien wegnehmen – notfalls mit Gewalt. Dafür rüstete sich der deutsche Staat. In den neun Jahren vor dem ersten Weltkrieg steigerte er seine Militärausgaben um 120%.

    Mehrfach stand ein Krieg zwischen den Großmächten Deutschland, Frankreich oder England kurz bevor. 1911 zum Beispiel schickte Deutschland Truppen nach Marokko, um Frankreich militärisch an der Kolonisierung Marokkos zu hindern. Es kam noch mal ein Kompromiss zustande: Frankreich besetzte Marokko und schenkte dafür Deutschland Teile seiner Kolonie im Kongo. Doch langfristig konnte das keine Lösung sein, dafür ging es für alle imperialistischen Staaten um viel zu viel.
    Die kriegerische Konkurrenz zwischen ihnen wurde schärfer und schärfer, bis drei Jahre später dann ein Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajewo, also in Wahrheit ein winziger Anlass ausreichte, damit verschiedene Großmächte sich gegenseitig den Krieg erklärten.
    Der erste Weltkrieg wurde zu einem Gemetzel und einer Materialschlacht bislang ungekannten Ausmaßes, in der Panzer, Giftgas, Geschütze und Granaten die Menschenleben verschlangen.
    Sehr zur Freude der Rüstungs-, der Kohle- Stahl- und Chemieindustrie, die das Kriegsmaterial lieferten. Ob Krupp, Stinnes, Thyssen oder Rheinmetall, sie und viele andere machten bedeutende Teile ihres Vermögens mit den Schlachtfeldern, dem Blut und den zerfetzten Gliedern der Soldaten. Um 800 Prozent stiegen ihre Gewinne während des Krieges. „Die Dividenden steigen, die Proletarier fallen“, schrieb die sozialistische Revolutionärin Rosa Luxemburg 1916.

    In den Jahren vor dem Krieg hatten hier hunderttausende Arbeitende gegen den drohenden Krieg protestiert, in anderen Ländern ebenso. Und selbst in den letzten Tagen vor Kriegsbeginn – als die patriotische und kriegerische Propaganda einen Höhepunkt erreichte – gingen in Deutschland 750.000 Arbeiter gegen den Krieg auf die Straße, dem Aufruf folgend:
    „Die herrschenden Klassen, die euch im Frieden knebeln, verachten, ausnutzen, wollen euch als Kanonenfutter missbrauchen. Überall muss den Gewalthabern in den Ohren klingen: Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Kriege! Hoch die internationale Völkerverbrüderung!“

    Doch die Partei der Arbeiter, die SPD, die bis dahin immer erklärt hatte, dass deutsche und französische Arbeiter sich nicht zum Profit ihrer Kapitalisten in den Krieg hetzen lassen dürften, brach im entscheidenden Moment ein: Als der Krieg tatsächlich begann, erklärte die SPD-Führung, dass man das Vaterland in der Stunde der Gefahr verteidigen müsse, und stimmte im Reichstag für die Kriegskredite.
    In dem Moment also, wo die Millionen Arbeitenden, die der SPD vertrauten, diese am meisten gebraucht hätten, verriet die SPD-Führung sie. Sie half der Regierung und den Kapitalisten, die Arbeiter ohne großen Widerstand an die Front und zum Granatendrehen zu schicken.

    Schon bald jedoch begann sich erster Unmut über den Krieg zu regen. Und mit jedem Kriegsjahr nahm der Widerwillen und der Widerstand gegen den Krieg zu. Trotz Streikverbot, trotz Gefängnis und Todesdrohungen kam es immer häufiger zu Demonstrationen und Streiks, die laut das Ende des kapitalistischen Massenmordes forderten. Bis sich 1918, am Ende des Krieges, Millionen Arbeiter und Soldaten erhoben.

    Heute, 100 Jahre später, ist der Kapitalismus nicht friedlicher geworden. Die Ursachen, die einst zum Ersten Weltkrieg geführt haben, sind noch immer da. So bringt der Kapitalismus immer neue Aufrüstung und neue Kriege hervor. Und er birgt auch weiterhin die Gefahr, uns irgendwann erneut in die Barbarei eines Weltkrieges zu stürzen.

  • Kein Mindestlohn in Teilzeit ?!

    Die große Mehrheit derer, die heute noch weniger als 8,50 Euro die Stunde verdienen, sind auch noch dieselben, die in Teilzeit oder Minijobs arbeiten müssen. Und gerade sie werden oft gar nichts vom neuen Mindestlohn haben.

    Zum einen müssen viele von ihnen mit HartzIV aufstocken. Wenn sie also in Zukunft etwas mehr Lohn für ihren Teilzeitjob bekommen, dann bekommen sie entsprechend weniger Aufstockung vom Amt, und damit am Ende des Monats genauso viel (oder besser gesagt genauso wenig) wie heute auch.

    Außerdem haben die Unternehmer gerade bei Teilzeitverträgen zig Möglichkeiten, den Mindestlohn legal zu umgehen. Viele Reinigerinnen können ein Lied davon singen: Als bei ihnen der Branchen-Mindestlohn eingeführt wurde, haben viele Reinigungsfirmen zum Beispiel durchgesetzt, dass dieselbe Arbeit, die die Reinigerinnen bislang in 5 Stunden pro Tag gemacht hatten, nun in 4 Stunden erledigt werden musste. Dadurch zahlte die Firma zwar offiziell den Mindestlohn, aber eben nur noch für 4 statt 5 Stunden am Tag, und damit nicht einen Cent mehr Lohn als vorher auch. Ähnliches droht nun auch vielen anderen Teilzeitbeschäftigten.

    Wenn die Regierung das hätte verhindern wollen, dann hätte sie keinen Mindestlohn pro Stunde, sondern pro Monat einführen müssen. Also den Lohn, den man mindestens pro Monat bekommen muss, damit man auch davon leben kann!
    Das wäre auch der einzige Mindestlohn, der diesen Namen wirklich verdient. Schließlich muss man auch für den ganzen Monat Essen und die Miete zahlen können. Es wäre der einzige Mindestlohn, der tatsächlich die wachsende Armut vieler Arbeitenden eindämmen würde.
    Doch daran hat die Regierung natürlich nicht einmal im Traum gedacht. Schließlich würde das bedeuten, den Kapitalisten das Recht zu nehmen, uns immer mehr nur noch stundenweise, in Minijobs und Teilzeit auszubeuten, so wie es ihnen gerade am besten in den Kram passt.

    Solche Gesetze aber, die die Allmacht und die Profite der Kapitalisten angreifen und damit wirklich unsere Lebensverhältnisse verbessern könnten, die macht die Regierung nicht freiwillig. Solche Gesetze werden wir Arbeitenden gegen Regierung und Unternehmen erkämpfen müssen.

  • PKW-Maut: Wieder ein Lohnfresser mehr

    Seit der Verkehrsminister seine komplizierten und merkwürdigen Mautpläne vorgestellt hat, nach denen (erst mal) nur ausländische Autofahrer auf allen deutschen Straßen rund 90 Euro Maut bezahlen sollen, kommt von allen Parteien Kritik: zu viel Bürokratie, nicht mit EU-Recht vereinbar, bringt zu wenig Geld rein… Doch bei all ihrer Kritik sagen alle Parteien, dass es ein „Problem“ gibt, dass „Geld für den Straßenbau“ fehlt und dass man es natürlich irgendwo holen muss, ob als Maut oder in anderer Form, also letztlich immer… bei der arbeitenden Bevölkerung.

    Dabei tragen die Arbeitenden – übrigens in ganz Europa – schon heute die größte Last der Steuern und Abgaben. Sie zahlen immer mehr, vor allem indirekte Abgaben wie Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Stromsteuer, Müllgebühren, Genussmittelsteuer, Parkgebühren und vieles mehr: alles Abgaben, die unabhängig vom Einkommen sind und damit viel schwerer für diejenigen zu verkraften sind, die ohnehin nicht so viel haben. Warum also sollten sie noch eine Abgabe mehr bezahlen? Eine Abgabe, für die der „Straßenbau“ ohnehin nur ein Vorwand ist und die – wie die anderen Steuern – in Wahrheit durch die Löcher der öffentlichen Kassen verschwinden und bei den Banken und als Geschenke an die Reichsten landen wird.

  • Unikliniken mit Managergehältern

    Die Gehälter der Direktoren der Unikliniken in NRW sind in den letzten sieben Jahren enorm gestiegen, auf 300.000, 500.000, beim Essener Klinikdirektor Nagel sogar auf fast 600.000 Euro Jahresgehalt.

    Bis 2002 war der Posten des ärztlichen Direktors ein Ehrenamt und der kaufmännische Direktor ein normaler leitender Beamter des öffentlichen Dienstes. Doch seit 2002 versuchen die Landesregierungen, die Unikliniken immer mehr wie private Firmen zu organisieren, die alles machen, um „Gewinn“ einzubringen.
    Und dazu gehört auch, dass man die Klinikdirektoren wie Manager einstellt, deren Gehälter über „Boni“ dann steigen, wenn sie viel Geld reinbringen.

    Auf diese Weise bekommen die Klinikdirektoren, die diese Ausrichtung der Krankenhäuser ohnehin richtig finden, auch noch einen finanziellen Anreiz, Arbeitsplätze einzusparen, Arbeiten an billige Subfirmen zu vergeben, möglichst nur lukrative Operationen durchzuführen, Patienten schnell wieder nach Hause zu schicken und und und.

    Und die hohen Boni der Klinikdirektoren zeigen, mit wie viel „Erfolg“ sie diese Verschlechterungen für Beschäftigte und Patienten durchführen. Und das ist das eigentlich Schlimme an ihren explodierenden Gehältern.

  • Risiko-Prämie für Befristung?

    Der Verband der Klinikdirektoren allerdings hat die beste Begründung für ihre hohen Gehälter geliefert: Die Arbeitsverträge als Klinikdirektor sind immer nur auf 5 Jahre befristet. Und für das Risiko, einen Job mit so einer unsicheren Zukunftsperspektive anzunehmen, müsse man schließlich auch entsprechend entlohnt werden.

    Ja, das sehen die befristeten Reinigerinnen, Handwerker, Laboranten und Küchenhilfen genauso!

  • Platz 1 bei Reichtum und Armut

    5 der 50 umsatzstärksten Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Essen und zahlen also auch hier ihre Steuern: RWE, ThyssenKrupp, Aldi Nord, Hochtief und Schenker. Essen ist damit auf Platz 1, zusammen mit Hamburg und München: In allen drei Städten siedeln jeweils 5 der größten Firmen an.

    Man müsste erwarten, dass Hauptsitz von fünf der umsatzstärksten Unternehmen zu sein, einer Stadt auch Arbeitsplätze und Steuern bringen würde. Von wegen! In diesem System ist es völlig normal, dass die reichsten Unternehmen in die Höhe sprießen, während sich zu ihren Füßen Armut und Arbeitslosigkeit ausbreiten. Denn der Reichtum, den die Konzerne anhäufen, wandert aus den schicken Konzernzentralen, die unser Stadtbild zieren… direkt in die Taschen der reichen Aktionäre.

  • Essen: Lange Wartezeiten… nur nicht beim Stellenabbau

    „Wegen Personalmangel geschlossen“ waren wochenlang erst die Essener Bürgerämter in Stoppenberg und Kettwig, jetzt das in Altenessen, außerdem die Kfz-Zulassungsstelle in Borbeck. Und vier bis sechs Stunden wartet man beim Straßenverkehrsamt in Steele, das wegen Personalmangel nur noch vormittags öffnen kann.

    Das ist das Ergebnis davon, dass seit 2010 über 530 Arbeitsplätze in der Stadtverwaltung gestrichen worden sind. Zu wenig Arbeitende, Stress und Mehrarbeit sind seitdem Gang und Gebe. Und kaum ist Urlaubszeit oder eine Grippewelle, können selbst grundlegendste Aufgaben nicht mehr erledigt werden. Trotzdem sollen bis nächstes Jahr 160 weitere Stellen gestrichen werden!

    Als die Stadtspitze 2010 die Stellenstreichungen ankündigte, hatte sie auf die schlechtesten Vorurteile spekuliert. Die Einwohner würden den Personalabbau quasi gar nicht merken, hatte sie behauptet und betont, es werde „nur“ bei den Angestellten und Beamten der Verwaltung gespart. Gerade heute wird mehr als offensichtlich, was für eine wichtige und nützliche Arbeit diese Beschäftigten machen… anders als die Politiker, die solche Sparbeschlüsse machen und verteidigen.

  • Messe Essen: Die Unternehmer haben entschieden

    Im Januar hatten die Essener Einwohner in einem Bürgerentscheid den Umbau der Messe abgelehnt. Denn viele Einwohner waren empört darüber, dass die Stadt überall bei den Beschäftigten und der einfachen Bevölkerung spart, aber gleichzeitig dutzende Millionen für einen Messeumbau ausgeben will, von dem hauptsächlich private Unternehmen profitieren.
    Also wurde die Stadtspitze erfinderisch: Sie änderte die Pläne ein bisschen, sodass sie auf dem Papier billiger wurden… Und schon wird die Messe jetzt doch umgebaut, für mindestens 88 Millionen Euro. Ja, wenn es darum geht, Geld für die Unternehmen auszugeben, lassen sich die Politiker von ein bisschen Demokratie nicht abhalten.

  • „Post persönlich“ – 40 Euro für 30 Sekunden

    In Gelsenkirchen und Mülheim hat die Post ein Pilotprojekt gestartet: „Post persönlich“. Persönlich ist daran allerdings nicht viel: Für 40 Euro im Monat klingelt der Postbote bei älteren Menschen, die allein sind und nicht mehr aus dem Haus kommen, einmal am Tag an und fragt durch die Lautsprecheranlage, ob alles OK ist. Wenn nicht, ruft er die Johanniter.

    Die Post versucht, ihren neuen Dienst zu vermarkten, indem sie auf das alte Bild des Postboten setzt. Ja, früher war der Postbote ein wichtiger Teil des sozialen Lebens in den Stadtteilen und Dörfern. Er kam überall vorbei, unterhielt sich mit den Nachbarn und half auch mal bei anderen Sachen. Auf die Idee, dafür Geld zu nehmen, wäre kein Mensch gekommen.

    Doch das ist lange vorbei: Um Arbeitsplätze einzusparen, sind von Jahr zu Jahr die Touren der Postboten größer geworden. Da bleibt keine Zeit mehr für ein Pläusch’chen, ja manchmal nicht einmal, um alle Briefe auszuliefern.

    Mit „Post persönlich“ kommt noch mehr Stress hinzu. Die Touren werden nämlich nicht kürzer: Denn pro Kunde bekommen die Postboten gerade einmal eine Minute Zeit dafür berechnet:
    1 Minute, in der man klingeln, ein älterer Mensch an die Tür kommen, man sich nach seinem Wohlbefinden und seinen Problemen erkundigen und wieder gehen soll!

    Die Post versucht, auf dem Rücken älterer, einsamer Menschen schnelles zusätzliches Geld zu verdienen und den Postboten zusätzliche Arbeit aufzuzwingen. Dabei würde es wohl auch die Kunden mehr überzeugen, wenn die Post nicht nur auf Geld aus wäre, sondern wieder Personal einstellt und die Touren für die Boten lockerer gestaltet. Dann würden – ohne Extrabezahlung – auch wieder mehr menschliche Kontakte entstehen.

Kein Artikel in dieser Ausgabe.