Leitartikel
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Es gibt keine „Kostenprobleme“ bei der Rente
Die „Rente mit 63“, die ohnehin nur für wenige und für wenige Jahre gelten soll, ist noch nicht verabschiedet, doch schon wollen CDU und SPD sie weiter einschränken. Jetzt wollen sie verbieten, dass Arbeiter, die mit 61 Jahren entlassen werden und mit 63 ihre 45 Beitragsjahre voll haben, ohne Abzüge in Rente gehen können.
Auch nur ein paar wenigen Arbeitenden die massiven Abzüge der Frührente zu ersparen, selbst das ist der Regierung schon zu viel. Dafür sei – so behaupten sie – kein Geld da.
Überhaupt werden sie nicht müde, uns einzureden, schon die Rente mit 63 und die Mütterrente – diese winzigen und nur kurzfristigen Verbesserungen für einige Rentner – wären eigentlich nicht bezahlbar, würden die Rentenkassen leeren und „die künftigen Generationen“ ebenso wie die heutigen Rentner müssten dies bezahlen.
Es ist klar, was sie mit dieser Propaganda bezwecken: Sie bereiten uns darauf vor, dass sie die nächsten Verschlechterungen bei der Rente durchsetzen wollen. Und die Arbeitenden, die 45 Jahre lang geschuftet haben und Frauen, die mühsam Kinder großgezogen haben, wollen sie dafür dann verantwortlich machen! Das ist eine Schande.
Was die jüngere und die ältere Generation bezahlt ist die Politik der Herrschenden. Sie allein ist dafür verantwortlich, dass unser aller Renten den Bach runter gehen.
Es sind in erster Linie die Unternehmer, deren ständige Entlassungen, befristete Verträge und Leiharbeit, Niedriglöhne und Minijobs dazu führen, dass viele im Alter nur noch die Armuts-Grundsicherung bekommen werden. Und die auch dazu führen, dass immer weniger Geld in die Rentenkassen eingezahlt wird.Würden die herrschenden Politiker wirklich an die junge Generation denken, dann würden sie gegen die Entlassungen, gegen Befristungen und Minijobs, gegen die niedrigen Löhne – sprich gegen die wahren Rentenkiller, die Kapitalisten vorgehen.
Und zuallererst würden sie die zahlreichen Verschlechterungen bei der Rente rückgängig machen, die die Regierungen nach und nach eingeführt haben und mit denen sie nicht nur die zukünftigen, sondern auch die jetzigen Renten zerstören: die Abschaffung der gesetzlichen Altersteilzeit, die Besteuerung der Renten, die Änderung der Renten-Berechnung, kaum noch gewährte Arbeitsunfähigkeit, weniger Anrechnung von Arbeitslosigkeit, kaum noch stattfindende Rentenerhöhungen, während Abgaben und Preise steigen, und jetzt die Rente mit 67…
All diese sogenannten Renten-„Reformen“, die massiv dazu beigetragen haben, schon heute viele Rentner zu Armut, zum Arbeiten und sogar zum Flaschensammeln zu verdammen.
Aber, jammern alle Politiker im Chor, „Die Rentenkassen sind doch leer und die Menschen leben zu lange. Verbesserungen sind einfach nicht möglich und nicht bezahlbar.“ Nicht möglich? Doch. Es war schon in viel schlechteren Zeiten möglich.
1957 zum Beispiel, am Ende der Nachkriegszeit. In der Nachkriegszeit war Deutschland vollkommen zerstört, hatte Schulden abzuzahlen, viele Invaliden zu versorgen und 12 Millionen Flüchtlinge einzugliedern.
Doch trotzdem war es der Regierung Adenauer möglich, die Renten grundlegend zu verbessern. Bis dahin hatte kaum jemand von seiner Rente leben können. Mit der Rentenreform von 1957 aber wurden die Renten mit einem Schlag von 35% auf 50% der Bruttolöhne angehoben und 1:1 an die Steigerung der Löhne gekoppelt.
Was damals möglich war, ist es heute erst recht. Denn seitdem sind die Produktivität und der Reichtum der Gesellschaft noch viel größer geworden. Allein in den letzten 40 Jahren ist die Produktivität um 223% gestiegen. Das bedeutet, in einer Stunde Arbeit schafft heute jeder Arbeitende mehr als 3 Mal so viel Reichtum wie vor 40 Jahren.Alle Menschen könnten also problemlos früher in Rente gehen – und dabei eine gute Rente bekommen. Nur muss man dafür gegen die Kapitalisten durchsetzen, dass ein Teil dieses steigenden Reichtums auch bei den Arbeitenden landet, statt wie heute ausschließlich in die Taschen der Kapitalisten zu fließen.
Internationales
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Spanien: Abtreibung darf nicht verboten werden!
Für viele Frauen und Männer war es ein schwerer Schock: Die spanische Regierung will die Abtreibung zu einer Straftat machen – verboten und verfolgt, wie sie es unter der rechtsextremen Diktatur von Franco war.
Entsetzt und empört haben in den vergangenen Wochen zehntausende Frauen und Männer protestiert: Sie wollen verhindern, dass dieses Gesetz sie 30 Jahre in die Vergangenheit zurückwirft. Sie wollen das jetzige Abtreibungsrecht erhalten, das es Frauen ermöglicht, sich bis zur 14. Woche frei zu entscheiden. Entscheiden sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch, so wird dieser in einem ordentlichen Krankenhaus durchgeführt.
Kommt das geplante Gesetz jedoch durch, dann gibt es keine Krankenhäuser mehr, die den Eingriff durchführen dürfen – außer in ganz wenigen Ausnahmefällen wie bei nachgewiesener Vergewaltigung. Dann können die Frauen, wenn sie das nötige Geld hierfür aufbringen können, nur noch ins Ausland oder in getarnte Privatkliniken gehen. Und den Ärmeren bleibt nur, entweder die ungewollte Schwangerschaft hinzunehmen oder wie früher heimlich und illegal abzutreiben, ohne medizinische Kontrolle, zum Teil ohne Arzt, in Hinterzimmern… mit dem ernsthaften Risiko, dauerhafte Schäden davonzutragen oder gar die Abtreibung nicht zu überleben.
Es war ein jahrzehntelanger Kampf vieler Frauen und Männer, bis den Frauen zumindest in fast allen europäischen Ländern dieses Los erspart und die Abtreibung erlaubt wurde. Überall mussten sie dafür den wütenden, hartnäckigen Widerstand der Kirche und der konservativen Politiker überwinden, die immer und überall für sich das Recht in Anspruch nehmen, über den Körper der Frauen entscheiden zu dürfen; ihnen auch eine ungewollte Schwangerschaft mit all ihren Folgen aufzwingen zu dürfen.
Doch wie viele demonstrierende Frauen in Madrid riefen: „Mein Körper gehört mir, ich entscheide.“
In den 70er Jahren wurde schließlich in Frankreich, in der DDR und in zahlreichen anderen Ländern die Abtreibung zum ersten Mal frei und legal, in Spanien ab den 80er Jahren.Viele in Europa hatten die Errungenschaften der 70er-80er wie das Recht auf Verhütung und Abtreibung für gesichert gehalten. Kaum einer konnte und kann sich vorstellen, dass sie wieder in Frage gestellt werden. Doch vor ein paar Jahren mussten bereits die Menschen in Polen erleben, wie ein fortschrittliches Abtreibungsrecht mit einem Federstreich in das rückschrittlichste und grausamste Abtreibungsverbot Europas verwandelt wurde. Und nun ist Spanien an der Reihe.
In dem wachsenden Verfall und Elend dieser kapitalistischen Gesellschaft und bei fast vollständig verschwundenen fortschrittlichen Kämpfe der Arbeiterbewegung werden seit einigen Jahren die rückschrittlichen Ideen auf allen Ebenen stärker. Und die Regierungen tragen dabei einen Teil der Verantwortung. Um ein paar Stimmen mehr von den reaktionärsten Wählern zu bekommen, schrecken sie nicht davor zurück, jedes noch so mittelalterliche und widerwärtige Gesetz wieder aus der Mülltonne zu holen.
Keine Errungenschaft, die wir heute für selbstverständlich halten, ist davor sicher, das Recht auf Abtreibung oder Verhütung ebenso wenig wie das Recht auf Behandlung im Krankenhaus oder Arbeitslosengeld.
Auch ihre Zukunft wird letztlich davon abhängen, dass die Arbeitenden wieder den Kopf heben. Dass sie wieder anfangen, laut und sichtbar für ihre Anliegen und sozialen Forderungen zu kämpfen. Nur so kann ein Gegengewicht entstehen zu den rückschrittlichen Kräften, die heute als einzige spürbar Druck ausüben. Nur große kollektive soziale Kämpfe der Arbeitenden können ein Klima schaffen, in dem auch allgemein fortschrittliche Ideen und Werte wieder an Kraft gewinnen können.