Das rote Tuch – Nr. 59

  • „Soziale Verbesserungen“ von CDU-SPD? Ein Scherz, der leider nicht witzig ist

    Was uns die künftige große Koalition als „große soziale Verbesserungen“ verkaufen will, ist eine echte Verhöhnung aller Arbeitenden, Arbeitslosen und Rentner.

    Da sollen wir dankbar sein über die Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro… im Jahr 2017! Dabei weiß jeder, dass 8,50 Euro heute schon ein Armutslohn sind, und bis 2017 sind die Preise für Strom, Mieten und Lebensmittel dann noch weiter gestiegen. Drei Jahre also sollen alle Betroffenen weiter auf einen Mindestlohn warten, der dann vielleicht kaum noch mehr wert ist als HartzIV und niedriger als die meisten existierenden Branchen-Mindestlöhne heute.
    Und selbst von diesem Mini-Mindestlohn sollen einzelne Berufe auch nach 2017 weiter ausgenommen werden. Ganz zu schweigen von den vielen Schlupflöchern, die sie den Unternehmen lassen, um weniger zu zahlen. Angefangen damit, einen Arbeitsvertrag über offiziell 20 Stunden pro Woche zu machen und dann jeden Tag zwei unbezahlte Überstunden zu verlangen, wie es in manchen Branchen mit Mindestlöhnen bereits üblich ist.

    Da sollen wir uns freuen über ihre „Großzügigkeit“ bei der Rente. Großzügigkeit? Von wegen. Noch vor kurzem hatte die SPD zumindest davon gesprochen, die Rente ab 67 auszusetzen und alle weiter mit 65 in Rente zu lassen. Doch davon ist jetzt keine Rede mehr. Stattdessen soll jetzt eine kurze Zeit lang eine Minderheit tatsächlich früher, nämlich mit 63 in Rente gehen dürfen: Und zwar diejenigen, die 45 Jahre eingezahlt haben, das heißt die sehr jung angefangen haben zu arbeiten und zwischendurch weder arbeitslos geworden sind noch Kinder erzogen haben. Doch das Ganze gilt nur wenige Jahre. Mit der Erhöhung des allgemeinen Rentenalters auf 67 soll selbst diese kleine Verbesserung wieder verschwinden.
    Letztlich geht es nur um eins: Die SPD macht viel Lärm um eine kurzzeitige und kleine Verbesserung für einige wenige, um dahinter zu verstecken, dass sie die große und dauerhafte Verschlechterung für alle abgesegnet hat: die Rente mit 67.

    Und welch eine Verhöhnung aller Rentner, die jahrzehntelang geschuftet haben und trotzdem im Alter in Armut leben müssen, ist erst ihre sogenannte „Mindestrente“. Auch die soll erst 2017 kommen und dann ärmliche 850 Euro im Monat betragen. Und es sollen ernsthaft nur die Rentner die Mindestrente bekommen, die von ihren niedrigen Löhnen auch noch eine private Altersvorsorge bezahlen konnten: also fast niemand. Alle anderen müssen auch weiterhin im Alter den erniedrigenden Gang zum Sozial- und Wohnungsamt auf sich nehmen, um wenigstens Grundsicherung zu erhalten und ihre Miete zahlen zu können.

    Die große Koalition macht nichts anderes, als die Politik der letzten Regierungen fortzusetzen. Eine Politik, die die Kapitalisten dabei unterstützt, die Arbeitenden zu unwürdigen Niedriglöhnen auszubeuten, sie mit unsicheren Verträgen einzustellen und nach Bedarf in die Arbeitslosigkeit zu schicken, sie bald bis zu ihrem 67. Lebensjahr auszubeuten oder mit Abzügen früher in Rente zu zwingen, so dass sie letztlich noch im Alter um Almosen bitten müssen.
    Eine Politik auch, die der einfachen Bevölkerung immer mehr wegnimmt, um es direkt den Kapitalisten zu schenken. Und damit wartet die neue Regierung übrigens nicht bis 2017, damit fängt sie schon im nächsten Jahr an: mit der Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung, höheren Abgaben beim Strom, und nicht zu vergessen der PKW-Maut. Und das sind nur die geplanten Verschlechterungen, die sie uns schon verraten haben.

    Ehrlich gesagt hat kaum einer von uns etwas anderes erwartet – so sehr haben wir uns schon daran gewöhnt, dass es für die einfache Bevölkerung mit jeder Regierung ein Stück weit schlechter wird, damit die reichen Kapitalisten immer reicher werden.
    Und wenn es nach ihnen ginge, dann sollen wir uns am besten so sehr daran gewöhnen, dass wir gar nichts anderes mehr verlangen. Wir sollen uns resigniert damit abfinden, dass die kapitalistische Klasse immer größere Teile des Reichtums aufhäuft, obwohl sie damit nichts besseres hervorzubringen weiß als Armut, Arbeitslosigkeit und Zerstörung – und obwohl sie dabei nach und nach die einzige produktive Klasse, die diesen ganzen Reichtum schafft, zermalmt: die arbeitende Klasse.

    Damit können und dürfen wir uns nicht abfinden! Sicher, das scheint heute nicht einfach. Doch der erste Schritt hierzu wäre bereits, dass wir Arbeitenden das Fordern und Verlangen nicht den anderen überlassen, dass wir wieder unsere eigenen Forderungen aufstellen. Angefangen damit, dass wir unser Recht auf Leben verlangen, das heißt auf eine Arbeit für alle mit einem Lohn, von dem man würdig leben kann.
    Laut unsere gemeinsamen Interessen einzufordern, wäre ein wichtiger Schritt, um als Arbeiterklasse wieder Selbstvertrauen und Zusammenhalt zu erlangen, die wir brauchen, um unsere Interessen zu verteidigen und letztlich diese ganze Gesellschaft in Frage zu stellen.

  • Ukraine: Die von der EU gelobte Opposition ist nicht besser als die Regierung

    Seit drei Wochen halten in der Ukraine die Proteste gegen die Entscheidung des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch an, das Freihandels-Abkommen mit der EU doch nicht zu unterzeichnen.
    Fünf Jahre lang hat die EU mit mehreren Staaten der ehemaligen Sowjetunion über dieses Abkommen verhandelt. Mit ihm sollten Zölle und andere Gesetze wegfallen, die Handel, Import und Export einschränken. Das hätte vor allem den europäischen Einzelhandelsketten, Banken, Lebensmittelkonzernen, Automobilkonzernen usw. genutzt, die im Osten einen neuen, großen Absatzmarkt bekommen hätten.

    Lange Zeit hatte auch der ukrainische Präsident Janukowitsch diesem „Part-nerschaftsabkommen“ zugestimmt in der Hoffnung, dass die EU im Gegenzug auch der Ukraine irgendeine Verbesserung zugestehen würde. Doch kurz vor Abschluss der Vertrags wurde deutlich, dass die EU Nichts geben und versprechen wollte, keine wirtschaftliche Gegenleistung, ja nicht einmal vage Aussichten auf eine mittelfristige Aufnahme in die EU oder gar die Bewegungsfreiheit der ukrainischen Bürger in der EU.

    Die Regierungen der EU wollen einzig die Bewegungsfreiheit des europäischen Kapitals ermöglichen. Sie wollen vor allem deutschen und französischen Konzernen ermöglichen, den ukrainischen Markt ohne Hindernisse mit ihren Produkten zu überschwemmen – ohne jede Gegenleistung für die Ukraine und ihre Bevölkerung.

    Im Gegenteil, in der Ukraine könnte dies ganze Wirtschaftszweige in Industrie und Landwirtschaft bedeutend schädigen, die mit den billigen Importen aus Europa dann nicht mehr mithalten könnten; es würde wahrscheinlich Fabrikschließungen und Massenentlassungen nach sich ziehen. Dabei ist die Wirtschaft ohnehin bereits gebeutelt durch die herrschenden Mafia-Cliquen, die die Wirtschaftszweige seit dem Ende der Sowjetunion ausplündern.

    Hinzu kommt, dass der Anschluss an die EU einen Bruch mit Russland zur Folge hätte, mit dem die ukrainische Wirtschaft sehr eng verflochten ist. Denn die Industrie der Ukraine wurde als Teil einer gemeinsamen, arbeitsteiligen Wirtschaft der gesamten Sowjetunion aufgebaut. Alle Länder der ehemaligen Sowjetunion sind daher bis heute sehr stark miteinander verwoben und voneinander abhängig, und vor allem abhängig vom größten dieser Länder, von Russland.

    Offensichtlich hat der ukrainische Präsident Janukowitsch und die herrschende Staatsclique letztlich die Einschätzung getroffen, dass es sich nicht lohnt, einen solchen Bruch mit Russland zu riskieren – zumindest nicht für ein Abkommen mit der EU, bei dem man ihnen nicht mehr bietet als leere Worte von einer besseren Zukunft.

    Nach dieser Entscheidung ist den EU-Politikern in Brüssel plötzlich wieder aufgefallen, das Janukowitsch ein diktatorischer Mafioso ist, was sie in den Monaten vorher, wo die Verhandlungen gut liefen, „übersehen“ hatten. Und nun loben sie die Oppositionspolitiker hoch, die sich an die Spitze der Proteste gegen Janukowitsch gestellt haben.
    Diese Proteste gingen von Teilen der städtischen Mittelschichten im Westen der Ukraine aus, die große Illusionen darin haben, dass ein Abkommen mit der EU etwas mehr Wohlstand und Sicherheit bringen könnte und die enttäuscht waren, dass Janukowitsch es nicht unterzeichnet hat.
    Doch die drei Oppositionsparteien, die sich an die Spitze der Proteste gestellt haben und die man uns hier als „Pro-Europäer“, „Demokraten“ und „die Stimme des Volkes“ präsentiert, sind genauso wenig appetitlich wie Janukowitsch und seine Clique.

    Sie sind oft ebenso berüchtigt für ihre Beziehungen zur Mafia und in erster Linie daran interessiert, an die Macht zu kommen. Und ob die Partei von Julia Timoschenko, die von Vitali Klitschko oder die dritte, Svoboda, alle sind außerdem wirklich nationalistische Parteien, die die Protestierenden alle Stunde die Nationalhymne singen lassen. Svoboda, die sich bis 2004 noch „Nationalsozialistische Partei der Ukraine“ nannte, ist offen rechtsextrem und bei den jetzigen Demonstrationen haben ihre Aktivisten schon Gewerkschafter angegriffen und verletzt.

    Doch Merkel und die anderen politischen Führer der EU stört es nicht, solchen Kräften einen Heiligenschein zu verpassen, um ihren Interessen Nachdruck zu verleihen. Genauso könnten sie sich übrigens morgen wieder auf Janukowitsch stützen, falls sich der Wind erneut dreht.
    Einer allerdings spielt bei ihren strategischen Machenschaften für die Interessen der europäischen Konzerne keine Rolle: die ukrainische Bevölkerung.

  • Bangladesch, China… Italien

    Schon wieder sind am 1. Dezember sieben Arbeiter bei einem Feuer in einer Textilfabrik verbrannt. Sie müssen in der Fabrik nicht nur arbeiten, sondern auch schlafen, und wurden nachts vom Feuer überrascht.

    Diesmal geschah es nicht in Bangladesch oder in China. Nein, es passierte mitten in Europa – in Italien. Denn auch dort gibt es in der Toskana eine Stadt, Prato, in der zehntausende chinesische Arbeiter unter sklavenähnlichen Bedingungen die berühmte italienische Mode herstellen: 12 Stunden pro Tag und mehr arbeiten sie in stickiger Luft, für wenige hundert Euro im Monat. Zwischen den Nähmaschinen und Stoffballen müssen sie zusammengepfercht schlafen und sich auf Kochern ihr Essen zubereiten, umgeben von Ratten und dem Dreck der Fabrik. Bei diesen Bedingungen ist die nächste Katastrophe schon abzusehen.

    Überall schaffen die Kapitalisten immer mehr Inseln grenzenloser Ausbeutung, auch hier, in den reichen Ländern. In Bangladesch haben diese Arbeitsbedingungen und -katastrophen letztlich zehntausende Arbeitende dazu gebracht, sich seit Monaten gegen diese Sklaverei aufzulehnen. Und so werden die Kapitalisten mit ihren Sklavenmethoden überall dafür sorgen, dass die Arbeitenden irgendwann aufstehen und sich nicht länger als Sklaven behandeln lassen.

  • Arbeiter aus Osteuropa, die Sündenböcke der Politiker

    Seit Wochen wettert Innenminister Friedrich und so mancher Oberbürgermeister darüber, dass das Gericht einer Familie aus Rumänien, die mehrere Jahre vergeblich Arbeit gesucht hat, HartzIV zugesprochen hat. Sie behaupten, das Urteil würde „Sozialtouristen“ aus Osteuropa anlocken, die ihrer Meinung nach alle nicht arbeiten wollen würden.

    Welch eine widerliche Lüge! Die betroffene Familie hatte sich immer wieder beworben, bis die Frau endlich eine Arbeit fand… jedoch so schlecht bezahlt, dass sie immer noch weniger als HartzIV hat. Ihr ist es genauso gegangen wie vielen anderen von uns: Sie suchte einen Job, aber die Unternehmen zerstören nur noch Arbeitsplätze und schaffen keine mehr – außer eben Mini- und Billigjobs, von denen man nicht leben kann.
    Doch über die Verantwortung und die kriminelle Politik der Unternehmen will der CSU-Innenminister nicht reden. Er versucht stattdessen, deren Opfer zu Sündenböcken für alles zu machen, für die Arbeitslosigkeit, die Armut der Städte und die leeren Sozialkassen. Und zwar mit gezielten und dreisten Lügen und Horrormärchen.

    Denn diejenigen, die das Elend und zum Teil die Verfolgung aus Osteuropa hierher treibt und die Politiker als „Sozialtouristen“ beschimpfen, arbeiten oft unter besonders harten und schlechten Bedingungen. Die Sehenswürdigkeiten, die sie zu sehen bekommen, sind deutsche Fleischfabriken, Baustellen oder die Toiletten von Ministern – und die „sehen“ sie 10 oder 12 Stunden am Tag, für 5 oder 7 Euro die Stunde.
    Nicht selten riskieren sie ihre Gesundheit, wie jüngst der 58jährige rumänische Bauarbeiter, eines der Opfer des auf den Aldi-Laden gekippten defekten Baukrans, der aus der Führerkabine geschleudert und schwer verletzt wurde. Und nicht immer stehen Krankenhäuser und Arztpraxen ihnen dann offen.

    Da sei die Frage erlaubt: Zwischen diesen Arbeitern und dem Innenminister in seiner Luxus-Limousine, wer ist hier bitte der Sozialtourist?

  • Am Abgrund stehen die Arbeitenden

    Jetzt will der RWE-Konzern wieder 6750 Arbeitsplätze vernichten. Seit 2011 sind es damit schon 13.600 Stellen!

    Allein im Ruhrgebiet sind wohl tausende Arbeitende betroffen: Zum Schein will man ihnen „alternative Arbeitsplätze“ in anderen Teilen Deutschlands anbieten und sie ansonsten dazu drängen, „freiwillig“ mit Abfindung zu gehen – mit der Drohung, andernfalls 2015 ohne Abfindung gekündigt zu werden. Alle anderen Arbeitenden bei RWE sollen auf Lohnerhöhungen verzichten.

    Der RWE-Konzern behauptet, es gäbe keine Alternative: Wegen der Energiewende stünde er „am Rande des Abgrunds“. Am Abgrund? RWE hat einzig etwas weniger Gewinn gemacht, statt 2,4 Milliarden Euro „nur“ noch 1,5 Milliarden. Das nennen sie Abgrund!
    Wer hier nah an den Abgrund geschoben wird, das sind die Arbeitenden, die ihren Arbeitsplatz und ihren Lohn verlieren – das Einzige was sie zum Leben haben. In dem sogenannten „Abgrund“ von RWE hingegen liegen genug Milliarden, um dauerhaft alle Arbeitsplätze und Löhne zu erhalten.

  • Rollentausch

    Durch einen Zufall kam heraus, dass die meisten Chauffeure, die die Abgeordneten des Bundestages täglich durch die Gegend fahren, weniger als 1000 Euro im Monat verdienen.
    Da wäre es doch besser gewesen, die Abgeordneten wären im Auto geblieben und die Fahrer hätten den Mindestlohn ausgehandelt. Die wissen wenigstens, wovon sie reden… und was wir brauchen.

  • ThyssenKrupp: 27% mehr Lohn… für die Manager

    Da vergeht keine Woche, in der man uns nicht von der schweren Krise erzählt, in der ThyssenKrupp angeblich steckt. Im Namen dieser Krise werden 5000 Stellen vernichtet, bangen tausende Arbeitende um ihren Job. Im Namen der Krise sollen zehntausende Stahlarbeiter demnächst auf 200 Euro Lohn im Monat verzichten.
    Doch für die Vorstände ist keine Krise, im Gegenteil. Hiesinger, der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, bekommt sein Jahresgehalt um 27% erhöht, auf 4,9 Millionen Euro. Und auch der Finanzchef bekommt 30% mehr. Das ist die Belohnung, die sie von ihren Auftraggebern, den Großaktionären von ThyssenKrupp, bekommen: Eine Belohnung dafür, dass sie zum Nutzen dieser Großaktionäre, deren Vermögen nicht Millionen, sondern Milliarden beträgt, mit dem Schreckgespenst der Krise tausenden Arbeitenden Arbeitsplatz und Lohn zerstören.

  • Essener Raub-Ritter in ihren modernen Schlössern

    Tausende Arbeitsplätze sollen demnächst in Essen vernichtet werden, bei Hochtief, Evonik, RWE, ThyssenKrupp, Steag: Überall sitzen die Vorstände und Aufsichtsräte gemütlich in ihren Essener Konzern-Zentralen und beschließen, die Jobs tausender Arbeitender zu zerstören. Und mit ihnen verlieren tausende weitere Kollegen bei Zulieferern und Dienstleistern ihre Arbeit. Das alles nur, damit die Konzern-Profite steigen.
    Man muss diesen Parasiten, die vor unserer Nase in ihren Konzern-Zentralen hocken, die Macht nehmen, den Arbeitenden ihren Arbeitsplatz und ihren Lohn rauben zu können. Entlassungen und Stellenabbau müssen verboten werden!

  • Schweizer Käse im Ruhrgebiet: Und wer zahlt?

    Das Bahn-Chaos wegen den ungesicherten Bergbaustollen in Essen hat uns mal wieder daran erinnert, wie sehr die Zechenbarone den Untergrund im Ruhrgebiet über viele Jahrzehnte auf der Suche nach schwarzem Gold durchlöchert haben. Jetzt, wo die Arbeiten langsam zum Abschluss kommen und tonnenweise Beton in die Stollen unter den Gleisen geflossen sind, stellt sich die Frage: Wer zahlt?

    Eigentlich müssten die Zechenbarone zahlen, beziehungsweise die Unternehmen, in denen sie aufgegangen sind: also RAG, RWE und Co. Zum Beispiel gehört ein Teil der betroffenen Stollen zu einer Zeche, die dem RWE-Konzern untersteht, der noch heute einer der weltweit größten Kohleförderer ist.
    Doch wie immer finden sie Ausflüchte: Weil ein Teil der Stollen schon im 18. Jahrhundert entstanden ist, wären die Konzerne, die die Zechen und Gelände später übernommen haben, dafür nicht verantwortlich, sondern – oh Wunder –
    das Land, also die Allgemeinheit.

    Ja, wenn aus unserem Vorgarten ein Ast von einem Baum auf ein Auto fällt, dann sind wir dafür verantwortlich, egal ob wir oder die Vorbesitzer den Baum gepflanzt haben. Wenn ein Fußgänger vor unserer Haustür ausrutscht, sind wir verantwortlich, obwohl nicht wir es haben schneien lassen. Da kommt kein Land und übernimmt für uns die Verantwortung.

    Die großen Konzerne haben sich viele Jahrzehnte lang „verantwortlich“ gefühlt, die Gewinne mit der Kohle zu machen und später Subventionen für den Kohleabbau zu kassieren. Sie fühlen sich heute dafür verantwortlich, die Grundstücke profitabel zu nutzen. Doch für die Schäden soll die Allgemeinheit verantwortlich sein? Nein, danke. Die Konzerne, die jahrelang im wahrsten Sinne die Kohle rausgeholt haben, müssen auch die Kosten tragen, die Löcher wieder zu stopfen!

  • Schweizer Käse im Ruhrgebiet: Ein Leser schreibt

    Ich gehöre zu denen, die jeden Tag mit der S-Bahn zur Arbeit fahren. Ich hatte volles Verständnis dafür, dass der entdeckte Bergbau-Stollen beim Essener Hauptbahnhof eine Ausnahmesituation war und dies zwangsläufig heftige Folgen und Verspätungen für die Bahn bedeutete. Für den Fernverkehr wurden schnell vernünftige Umleitungen organisiert. Als Fahrgast bekam man sofort klare Informationen, welchen Zug man wann und wie nehmen muss.

    Aber warum war das für die Benutzer der S-Bahn nicht möglich? Anderthalb Wochen hat es gedauert, bis es die Bahn nötig fand, für die Benutzer mit den nicht so teuren Fahrkarten die Versorgung zu organisieren, die Fahrpläne zu ändern und ihre Fahrgäste überhaupt mal zu informieren.

    Bis dahin war das S-Bahn-Fahren ein echtes Lotteriespiel. Man stieg auf gut Glück in eine S-Bahn ein, die oft schon eine halbe Stunde Verspätung hatte. Plötzlich, ohne dass es vorher angekündigt war, hieß es dann zum Beispiel in Velbert-Neviges: „Dieser Zug endet hier. Bitte steigen Sie aus. Die nächste S-Bahn kommt in wenigen Minuten.“ Da stand man dann an einem kleinen verlorenen Bahnhof ohne Schutz vor Kälte und wartete nicht mehrere Minuten, sondern eine halbe Stunde auf die nächste S-Bahn. Das ist mir nicht einmal, sondern gleich mehrfach passiert.

    Ganz klar werden bei der Bahn Prioritäten gesetzt, und die Priorität ist nicht die Zufriedenheit der 170.000 Pendler des Nahverkehrs, Arbeiter und Schüler, oder der älteren Frau, die zum Einkaufen fährt. Ihre Priorität sind die Züge mit den teuren Fahrkarten, die sie außerdem bei Verspätung erstatten müssen. Sprich: ihre Priorität ist das Geld.

Kein Artikel in dieser Ausgabe.