Leitartikel
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8 Jahre Regierung Merkel – und was uns noch erwartet
Angela Merkel schüttelt den Opfern des Hochwassers die Hände, spricht von den Problemen der hohen Mieten, und wir wissen, wo wir dran sind. In drei Monaten sind Wahlen, und bis dahin pflegt Merkel ihr Image. Das Image einer „Kanzlerin für alle“, die sowohl ein guter Freund der Wirtschaftsführer ist, für eine starke deutsche Wirtschaft sorge und sich gleichzeitig sozial um die einfachen Menschen kümmere.
Als ob sie uns nicht seit Jahren das Gegenteil bewiesen hätte!Seelenruhig hat die Regierung die ganzen 8 Jahre zugesehen, wie alle großen Firmen zigtausende Arbeitsplätze vernichtet haben. Selbst jetzt im Wahlkampf verlieren sie nicht einen Ton darüber, wenn große Konzerne wie ThyssenKrupp mal wieder wie nebenbei die Vernichtung von 3.000 Arbeitsplätzen ankündigen, davon alleine 670 in Essen.
Seelenruhig haben sie zugeschaut, wie die Unternehmen stattdessen immer mehr befristet, in Minijobs, über Leiharbeit und Subfirmen einstellen, zu deutlich schlechteren Löhnen. 8 Millionen Arbeitende verdienen bereits weniger als 8,50 Euro brutto die Stunde.
Und so ist die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland mittlerweile so groß wie in kaum einem anderen Land Europas:
Auf der einen Seite gibt es immer mehr Millionäre und Milliardäre, und auf den Konten der Konzerne liegen Rekordsummen in Milliardenhöhe ungenutzt herum. Auf der anderen Seite reicht es bei vielen am Monatsende hinten und vorne nicht mehr und es steigt und steigt die Zahl derer, die von Armutslöhnen und Armutsrenten leben müssen. Das ist die Bilanz von 8 Jahren Regierung Merkel.
Es stimmt: Die wesentlichen Gesetze für diese Entwicklung, die Hartz-Gesetze zu Leiharbeit, Minijobs und HartzIV, ebenso die Aufweichung der Tarifverträge und die Gesundheits- und Rentenreform, wurden schon vor Merkel eingeführt. Diese Drecksarbeit hat Schröders SPD-Regierung erledigt. Und die SPD ist sich nicht zu blöd, dies im derzeitigen Wahlkampf auch noch selber zu betonen.Die CDU-Regierung brauchte diese Gesetze nur weiterzuführen. Sie hat sie noch weiter verschärft, konnte ansonsten aber einfach dabei zusehen, wie sich die Bosse mit Hilfe dieser Gesetze bereichern und die einfache Bevölkerung ausrauben.
Ebenso hat sich Merkels Regierung auch nur selten die Finger damit schmutzig gemacht, selber Sparpläne anzukündigen. Sie hat großzügig hunderte Milliarden (!) aus den öffentlichen Kassen an die Banken, die großen Konzerne und die Reichsten verschenkt. Doch die Folgen der so geplünderten Kassen auszubaden, hat sie hauptsächlich den Kommunen und Ländern überlassen:
Hier fehlt das Geld für die Krankenschwestern, Lehrer, Busfahrer und Putzfrauen, für die Sanierung von Schulen, Sportanlagen und Straßen. Hier hagelt es einen Sparplan nach dem anderen, mit Stellenstreichungen und Sparmaßnahmen in allen sozialen Diensten.
In den anderen Ländern Europas gibt sich die CDU-Regierung weniger Mühe zu verschleiern, dass sie einzig und skrupellos die Interessen der Bosse, der großen deutschen Banken und Konzerne vertritt. Dort ist die deutsche Regierung immer lautstark vorne weg, wenn es darum geht zu verlangen, dass bei den Arbeitern, Rentnern, Kindern noch mehr gespart, noch mehr entlassen und gestrichen werden soll.
Was interessiert es sie, dass mittlerweile die Hälfte der Spanier auf medizinische Behandlungen verzichten muss? Dass die Jugendlichen dort keine Arbeit mehr finden? Dass in Griechenland Armutskrankheiten wie Malaria und Tuberkulose wieder aufkommen? Dass auf dem Nährboden der explodierenden Armut rechtsradikale Schlägertruppen stark werden?
Egal. Hauptsache, die arbeitende Bevölkerung dort wird immer weiter ausgepresst, so dass die südeuropäischen Staaten weiter die Zinsen für ihre Staatsschulden an die Deutsche Bank und die Commerzbank bezahlen können und Banken retten können, die sich verspekuliert haben. Damit die Banken und Spekulanten beruhigt sind und der Euro, der gerade den deutschen Unternehmen so viele Profite beschert wie niemandem sonst, gesichert bleibt.
Mit Unterstützung der anderen – rechten wie sozialdemokratischen – Regierungen führt die deutsche Regierung in Europa eine Politik an, die lautet: Plündert die Arbeitenden aus, wie es geht, zur Rettung der Konzerne und Banken.
Und es ist sicher: Wenn die Krise sich, wie abzusehen, weiter verschärfen sollte, dann wird Merkel keine Skrupel haben, auch in Deutschland offen massive Angriffe gegen die arbeitende Bevölkerung zu führen. Und wie die Arbeitenden in Griechenland, Spanien oder Frankreich müssen auch wir uns die Frage stellen, wie wir uns gegen eine weitere Verschlechterung unserer Lebensbedingungen zur Wehr setzen können.
Internationales
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Türkei: Empörung und Massenproteste angesichts der Provokationen der Regierung
Es war sicher nicht das erste, sondern eher das tausendste oder zehntausendste Mal, dass die türkische Polizei mit ihren üblichen Methoden gegen Demonstranten vorging. Doch die Wasserwerfer, Tränengas und Knüppelschläge gegen die Demonstranten, die ursprünglich nur gegen die Abholzung der Bäume im Gezi-Park demonstrieren wollten, hatten die gegenteilige Wirkung. Die Brutalität der Polizei und die Beschimpfungen und Verachtung von Premierminister Er-dogan haben die Empörung und die Zahl der Demonstranten verzehnfacht.
In Istanbul, Ankara, Izmir und anderen Städten sind vor allem junge Leute nun bereits seit über einer Woche jeden Tag auf der Straße – trotz der Polizeigewalt, der drei getöteten Demonstranten, der tausenden Verletzten und zahlreichen Festnahmen. Im öffentlichen Dienst fanden Warnstreiks zur Unterstützung der Proteste statt.
Längst geht es nicht mehr um die Bäume im Gezi-Park, sondern um die Regierung Erdogan und ihre Politik. Drei Mal hintereinander hat Erdogan, dessen Regierung fast 10 Jahre lang von einem außergewöhnlichen Wirtschaftswachstum profitieren konnte, die Parlamentswahlen gewonnen. Anfangs waren Erdogan und seine Partei AKP auch sehr vorsichtig und hatten bei vielen sogar Hoffnungen auf mehr Demokratie und Frieden geweckt.
Doch in den letzten Jahren zeigt die AKP immer offener ihren Islamismus und übt im Namen der Religion Druck auf das alltägliche Leben aus: Der Verkauf von Alkohol wird eingeschränkt. Durchsagen in der U-Bahn rufen zu „moralischem Verhalten“ auf und sollen Verliebte davon abhalten, sich in der Öffentlichkeit zu küssen. Und auch das Recht auf Abtreibung, das es (im Gegensatz zu Deutschland) in der Türkei gibt, wird von Erdogan in Frage gestellt.
Ein Teil der Bevölkerung ist schockiert über diese Entwicklung und ebenso über die wieder zunehmende Gewalt gegen Demonstrationen, Gewerkschaften, Kurden: 130.000 Menschen sitzen derzeit im Gefängnis, 50.000 mehr sogar als zur Zeit des Militärputsches 1980. Hinzu kommt Erdogans Einmischung im Nachbarland Syrien, von der viele befürchten, dass sie den Krieg auch in die Türkei tragen könnte.
Zum ersten Mal stellen die heutigen Proteste die Regierung Erdogans, die so sicher im Sattel zu sitzen schien, in Frage. Und selbstverständlich versuchen Erdogans politische Konkurrenten dies für sich auszunutzen, sowohl seine Rivalen in der eigenen Partei als auch die größte andere Partei, die mit der Armee verflochtene, kemalistische Sozialdemokratische Partei CHP.
Aber die Bewegung kann auch noch weiter gehen und weitergehende Perspektiven entwickeln als die Frage, wer an der Spitze der Regierung steht. Nicht wenigen der heute Demonstrierenden geht es auch um die Geschäftemacherei der Regierung und um die Allmacht der Unternehmer, um die Ausbeutung und die Härte des täglichen Lebens: ein Leben, in dem Miete, Strom und Essen zu bezahlen für viele ein ständiger Kampf bleibt und Unsicherheit, erzwungene Schwarz–arbeit und tödliche Arbeitsunfälle den Arbeitsalltag bestimmen.
Viele Arbeiter haben die Nase voll von Erdogans Lobgesängen auf den angeblichen Wirtschaftsaufschwung, von dem sie nichts zu sehen bekommen. Eine Unzufriedenheit, die sich in den letzten Monaten in Bewegungen der Arbeiter im Automobilsektor, bei Bosch, Ford, BMW, Fiat und Renault oder auch in dem wilden Streik in den Textilfabriken von Gaziantep ausdrückte.
Die Arbeiterklasse in der Türkei, die über eine große Tradition an gewerkschaftlichen und politischen Kämpfen verfügt, kann nicht nur an der heutigen Bewegung teilnehmen, sondern sich in ihr auch eigenständig organisieren, ihre eigenen Forderungen nach vorne bringen und sich als politische Kraft zeigen, die mit dieser Ausbeutergesellschaft ein für allemal Schluss machen will.
Zahlreiche der heute protestierenden Arbeitenden und Jugendlichen jedenfalls werden sich auf Dauer nicht mit der vagen Aussicht auf einen Machtwechsel an der Regierung zufrieden geben. Und eine Bewegung wie die heutige ist dafür eine viel bessere Schule als alle Reden.
In ihr können die Teilnehmer auf der Straße messen, wie zahlreich sie sind und wie stark ihre Empörung. Und sie können wichtige Erfahrungen darin sammeln, was es braucht, um nicht nur die Polizisten vom Taksim-Platz zu vertreiben, sondern die Staatsmacht und die Ausbeuter zu besiegen.
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Freiheit für den Soldaten Manning
Der Prozess gegen Bradley Manning hat begonnen. 2010 hat dieser im Irak stationierte Soldat hunderttausende vertrauliche Dateien der US-amerika-nischen Armee kopiert. Es waren Dokumente, die die Verbrechen, die Folter und die Korruption der US-Armee und ihrer Verbündeten im Irak und in Afghanistan belegten.
Dafür, dass Bradley Manning der Öffentlichkeit einen kleinen Einblick in den wahren Charakter der Armee, in die Machenschaften und Verhaltensweisen der Besatzungstruppen ermöglicht hat, droht dem 25jährigen heute lebenslängliche Haft.
Wir leben wirklich in einer verkehrten Welt. Für seinen Mut, die Wahrheit ans Licht zu bringen, gehört ein solcher Mann nicht eingesperrt, sondern geehrt!