Leitartikel
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10 Jahre danach: Der Angriffsplan hinter HartzIV geht weiter
10 Jahre ist es her, seit Gerhard Schröder im März 2003 die Einführung von HartzIV und der Agenda 2010 verkündet hat. Wer hätte sich damals träumen lassen, wie schnell sich seitdem unser aller Arbeitsbedingungen verschlechtern würden? In was für einem erschreckenden Tempo sich Leiharbeit, Niedriglöhne, Armut und die ständige Angst vor der Arbeitslosigkeit ausbreiten würden?
Hinter HartzIV steckte ein ausgeklügelter und umfassender Angriffsplan von Regierung und Unternehmern, den sie etappenweise durchgesetzt haben. Im Namen der „Wettbewerbsfähigkeit“ der deutschen Wirtschaft und zur angeblichen Schaffung von Arbeitsplätzen wurden 2002 zunächst die Gesetze HartzI, HartzII und HartzIII angekündigt, 2003 dann HartzIV.
Jedes dieser Gesetze brachte neue Verschlechterungen. HartzI schaffte quasi alle Beschränkungen der Leiharbeit ab. HartzII weitete die Möglichkeiten von Minijobs und Niedriglöhnen aus.Und dann sorgte man dafür, dass die Unternehmen nun auch genug Arbeitende finden, die zu diesen schlechten Bedingungen arbeiten. Mit HartzIII verschärfte die Regierung die Strafen und damit den Druck auf Arbeitslose, die sich weigern, eine schlechte Arbeit anzunehmen. Und mit dem HartzIV-Gesetz lieferte sie den Unternehmen auf einen Schlag Millionen Arbeitende, die diese Mini- und Leihjobs und Niedriglöhne annehmen müssen.
Unter dem widerwärtigen Vorwand, dass Millionen Arbeitslose nur deshalb keine neue Arbeit annehmen würden, weil sie mit dem Arbeitslosengeld jahrelang so komfortabel leben könnten, streicht man nun allen, egal wie lang sie vorher gearbeitet und Beiträge bezahlt haben, nach 12 Monaten Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld und steckt sie in HartzIV. Und dort müssen sie jede Arbeit annehmen, auch für 5 Euro die Stunde, auch für 400 Euro im Monat oder für 3 Monate befristet.
Jeder von uns erlebt, wie die Drohung, arbeitslos zu werden und in HartzIV zu rutschen, als Schatten über allen schwebt.
Um diese Angst vor der Arbeitslosigkeit voll und ganz ausnutzen zu können, haben Unternehmer und Regierung kurz nach den Hartz-Gesetzen außerdem die sogenannten „Öff-nungsklauseln“ durchgesetzt, mit denen Unternehmen schlechtere Löhne und Arbeitsbedingungen als im Tarifvertrag einführen können. Mit Öffnungsklauseln und HartzIV ist es für die Unternehmen noch viel leichter geworden, von den Arbeitenden immer neuen Verzicht und neue Verschlechterungen zu erpressen.Heute ist für alle offensichtlich, dass das Argument, die Agenda 2010 schaffe Arbeitsplätze, einzig ein Vorwand war, um ein Ausbeutungsparadies für die Unternehmer zu schaffen und normale Jobs in schlecht bezahlte, unsichere und auslaugende Arbeitsplätze umzuwandeln. Mit ihr sind die Kapitalisten ihrem Wunschtraum, dass es irgendwann gar keine festen Arbeitsverträge mehr gibt, dass sie uns billig zu ihrer Verfügung haben und jederzeit heuern und feuern können, ein ganzes Stück näher gekommen.
Und dieses Ziel werden sie weiter verfolgen. Zwar sehen sich angesichts der schreienden Unterschiede zwischen den explodierenden Gewinnen und der sich ausbreitenden Armut derzeit nicht nur SPD und Grüne, sondern sogar die CDU dazu gezwungen, im Wahlkampf kleine „soziale Korrekturen“ an der Agenda 2010 zu versprechen. Doch wir können sicher sein, dass sie in Wahrheit alle schon die nächsten Angriffe für die Zeit nach der Wahl planen.
Gegenüber den Kapitalisten und Regierungen, die ihre Angriffe auf uns mit klarem Ziel vor Augen systematisch planen, brauchen wir Arbeitenden wieder unseren eigenen Plan. Wir müssen uns gemeinsam Gedanken machen, welche Maßnahmen, welche Veränderungen wir brauchen, damit sich für uns die Abwärtsspirale zu drehen aufhört. Damit wir, die produktive Klasse dieser Gesellschaft, nicht täglich mit der Angst um unsere Existenz leben müssen.
Und wir müssen uns darüber austauschen, wie wir die größten Chancen haben, diese Maßnahmen gegen die Herrschenden durchzukämpfen und was wir heute dafür tun können und müssen. Nur so können wir wieder aus Rolle des Opfers herauskommen, das man ständig überrumpelt und überfällt.
Internationales
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Zypern: Eine weitere Bankenrettung, bei der es der Bevölkerung an den Kragen geht
Ob Irland, Griechenland, Portugal, Spanien: Nach jedem Rettungspaket versucht man uns zu beruhigen und uns weiszumachen, dass nun das Schlimm-ste vorüber sei. Doch die jüngste Krise in Zypern erinnert uns daran, dass die Finanzkrise immer weiter geht, dass wir auf einem brodelnden Vulkan sitzen, der immer und immer wieder ausbricht.
Diesmal war das kleinste Land der EU an der Reihe. Weil sich die Banken – wieder einmal – verspekuliert hatten, ging die zweitgrößte Bank Zyperns Bankrott, drohte das gesamte Bankensystem auf Zypern zusammenzubrechen und brachte den Euro gleich mit in Gefahr.
Merkel und die Spitzen der EU wollten den zyprischen Brand löschen, indem sie eine Zwangsabgabe auf alle Bankguthaben vorschlugen, auch auf die Guthaben der kleinen Leute. Doch allein die Ankündigung dieser Zwangsabgabe löste beinahe die nächste Panik im europäischen Finanzsystem aus.
Und so haben sie den Plan schnell wieder aufgegeben. Stattdessen haben sie nun ein „Rettungspaket“ (einen Kredit von 10 Milliarden €) geschnürt, von dem sie auch noch dreist behaupten, es wäre sozial gerecht, weil die reichen Anleger, die ihr Geld in der Steueroase Zypern geparkt und dort spekuliert haben, einen Beitrag leisten müssten: Alle Konten über 100.000 Euro werden teilweise eingefroren und mit einer Abgabe belegt. Die Konten mit weniger als 100.000 Euro werden nicht angetastet.
Dennoch wird auch in Zypern vor allem die einfache Bevölkerung für die Bankenrettung bezahlen. Sie muss zwar keine Zwangsabgabe zahlen. Aber das Geld kommt gar nicht mehr auf ihrem Konto an. Denn die Löhne im Öffentlichen Dienst sollen bis zu 12,5 Prozent gesenkt werden, die Renten um 3 Prozent, während die Mehrwertsteuer und andere Verbrauchersteuern erhöht werden.
Viele Tausend werden außerdem jedes Einkommen verlieren, weil sie durch die Entlassungswelle im Bankensektor und die Privatisierung von Staatsbetrieben ihre Arbeit verlieren. Dabei hat sich schon durch das letzte Sparpaket, das die EU im Dezember 2011 durchgesetzt hatte, die Arbeitslosigkeit auf fast 15% verdoppelt. Was nun weitere tausende Entlassungen in einem Land bedeuten, das weniger Einwohner hat als die Stadt Köln, kann man sich ausmalen.
Wieder einmal erlebt eine Bevölkerung in Europa ein „Rettungspaket“, das sie nicht rettet, sondern ins Elend reißt. Viele wirklich reichen Anleger hingegen scheinen wohl schon vorgewarnt gewesen zu sein: Wesentliche Teile ihres Geldes sind längst in andere Länder, auf andere Konten gewechselt, sind auf dem Weg ins nächste Steuerparadies und zur nächsten Spekulationsblase. Und damit auch auf dem Weg, zum nächsten Ausbruch der Finanzkrise beizutragen.Weltweit benutzt die gesamte kapitalistische Klasse einen wachsenden Teil des Reichtums, den sie durch die Ausbeutung der Arbeitenden und öffentliche Gelder an sich bringt, zum Spekulieren, statt ihn in die Produktion zu investieren. Immer wieder löst sie mit diesen Spekulationen existenzbedrohende Finanzkrisen aus.
Und jedes Mal tun die Staatschefs mit ihren „Rettungsplänen“ dann, was die Finanzkapitalisten von ihnen verlangen: Um ihr System zu retten und die Profite und Vermögen der spekulierenden Reichen zu sichern, bringen die Staaten unvorstellbare Summen auf und schenken sie den Banken.
Dafür zwingt man der Bevölkerung drakonische Sparpläne auf, die Teile von ihnen in atemberaubender Geschwindigkeit in Arbeitslosigkeit, Armut und sogar Obdachlosigkeit reißen.Was heute in Zypern passiert, ist ein weiteres Beispiel der Gefährlichkeit ihres Systems, das nicht zu retten ist und das auch keine Rettung verdient, sondern vor dem wir uns retten müssen.
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Skandinavien, ein soziales Paradies?
69.000 Lehrer sind in Dänemark von der Regierung seit Ende der Osterferien einfach ausgesperrt worden: Sie dürfen nicht arbeiten und erhalten keinen Lohn. Mit dieser drastischen Maßnahme will die Regierung die Lehrer der Volksschulen (Klasse 1-9) und ihre Gewerkschaft zwingen, deutlich längere und flexible Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich zu akzeptieren. Gegen diese „Discounter-Schule“ gehen die Lehrer in vielen Städten auf die Straße.
Dänemark und die anderen skandinavischen Länder werden bei uns gerne als soziales Paradies für die Beschäftigten und das Schulwesen hingestellt – als Modell, wie ein „sozialer Kapitalismus“ funktionieren könne. Tatsächlich aber versuchen die Regierungen hier genau wie überall in Europa, mit brachialen Methoden ihre Sparpläne durchzusetzen. Und es ist in jedem Fall realistischer, auf den Widerstand der Arbeitenden dagegen zu bauen als auf einen sozialen Kapitalismus.