Leitartikel
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Mehr Arbeit? Wohl eher mehr Armut!
Wir sollen uns darüber freuen, wie gut es uns geht! Dank der blühenden deutschen Wirtschaft gebe es so wenig Arbeitslose wie seit 20 Jahren nicht. Das zumindest erzählen sie uns.
Die arbeitende Bevölkerung aber kennt nur allzu gut die Wahrheit hinter dieser Statistik. Wir alle erleben, wie überall Vollzeitarbeitsplätze vernichtet werden und dafür Teilzeit- und Minijobs entstehen, die für die Bosse billiger sind. Statt einer Vollzeit-Verkäuferin 2 Minijobs, statt 2 Vollzeit-Altenpflegern 3 Teilzeitkräfte: Kein Wunder, dass es so viele Jobs gibt wie noch nie… nur dass man von ihnen nicht leben kann!Ihr Rekord an Arbeitsplätzen bedeutet damit für uns einen Rekord an Armut. Er bedeutet, dass mittlerweile über 3 Millionen Menschen in Deutschland unter der Armutsgrenze leben, obwohl sie arbeiten gehen.
Alle Regierungen der letzten Jahre sind für diese Entwicklung mitverantwortlich, von Schröders SPD-Grünen Regierung bis zu Merkels CDU-FDP-Koalition. Sie haben die Gesetze für Minijobs, Leiharbeit und Teilzeit gelockert und den Unternehmen sogar Anreize zur Schaffung von Niedriglohnjobs gegeben. Besonders verhängnisvoll war die Einführung der HartzIV-Gesetze unter Schröder, mit denen die Arbeitslosen gezwungen werden, jede Arbeit anzunehmen, egal ob es nur Teilzeit ist und vor allem, egal wie schlecht sie bezahlt wird.Ein Traum für die Kapitalisten! Auf diese Weise haben sie alle Löhne drücken können, auch bei den Vollzeitstellen. In NRW verdienen mittlerweile 10 % der Lohnabhängigen weniger als 6,50 Euro die Stunde. Viele müssen trotz Arbeit noch HartzIV beantragen. Das heißt: Die Unternehmen machen Extra-Gewinne, indem sie die Kollegen zu Billiglöhnen ausbeuten, und dann lassen sie sich noch einen Teil des Lohns von den Steuern bezahlen!
Nicht alle Beschäftigten sind in solchen Extremlagen. Doch keiner ist sicher davor, dass es ihm nicht morgen ebenso ergeht. Und nach und nach wird es außerdem für uns alle immer schwerer, mit unserem Lohn klar zu kommen. Denn wegen der steigenden Preise wird er immer weniger wert. Für diesen so sinkenden Lohn aber sollen wir gleichzeitig immer mehr und immer schneller arbeiten.
Steigende Arbeitshetze, immer mehr Teilzeit- und Minijobs, schlechtere Löhne und wachsende Armut – das ist das „Jobwunder“ für die arbeitende Bevölkerung. Deshalb geht es den deutschen Unternehmen und ihren Profiten so gut. Und da sollen wir uns über diese starke, profitable deutsche Wirtschaft freuen? Das wäre, als wenn sich das abgemagerte Pferd über seinen Bauern freut, der immer fetter wird, weil er sein Pferd immer mehr schindet!
Sich über die „starke deutsche Wirtschaft“ zu freuen heißt sich darüber zu freuen, dass hier die Schere zwischen Arm und Reich derzeit so stark auseinandergeht wie in keinem anderen Land Europas. Dass in diesem reichen Land der ärmere Teil der männlichen Bevölkerung anscheinend sogar weniger lange lebt als noch vor 10 Jahren! Und das in einer Zeit, in der dank der modernen Medizin alle Menschen länger leben sollten.All dies ist die Folge des regelrechten Krieges, den die Reichen, die kapitalistische Klasse gegen uns, gegen die gesamte arbeitende und ärmere Bevölkerung führen. Und damit werden sie nicht aufhören. Denn es ist ihr Mittel, trotz weltweiter Krise ihre Profite und ihre gigantischen Reichtümer weiter zu vergrößern.
Für die Arbeitenden ist es lebenswichtig, dass sie nicht länger nur Opfer sind, sondern dass sie zum Gegenangriff übergehen. Denn die arbeitende Bevölkerung besitzt keine großen Aktienpakete oder Immobilien. Wir müssen von dem leben können, was wir mit unserer Arbeit verdienen.
Und dafür müssen wir es schaffen durchzusetzen, dass Entlassungen verboten werden und die vorhandene Arbeit ohne Lohnverlust unter allen aufgeteilt wird, sodass jeder einen festen Arbeitsplatz hat. Und dass man bei jedem Job so viel verdient, dass man von seinem Lohn vernünftig leben kann.Das ist unmöglich? Nein, unmöglich ist zu glauben, dass es für uns wieder besser werden kann, wenn wir uns nicht gemeinsam wehren und kämpfen.
Internationales
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Ungarn: Eine Liste der Grausamkeiten… gegen Arbeiter, Arbeitslose und Roma
International steht die Regierung von Viktor Orban wegen ihrer neuen Verfassung in der Kritik. In Ungarn selber haben am 2. Januar mehrere zehntausend Menschen gegen diese rückschrittliche Verfassung demonstriert, die die Werte der Kirche als Leitfaden anerkennt, Homosexualität verurteilt sowie das Recht auf Abtreibung in Frage stellt.
Gleichzeitig werden Presse und Justiz noch stärker unter die direkte Kontrolle der Regierung gestellt. Journalisten, Richter und Beamte, die Viktor Orbans ultrakonservativer Partei Fidesz unbequem sind, werden entfernt. Auch das Wahlgesetz wurde geändert. Alles Maßnahmen, die darauf abzielen, Orban und der Fidesz langfristig eine ungeteilte Macht zu sichern.Zur Festigung seiner Macht setzt Orban außerdem auf nationalistisches Säbelrasseln gegenüber den Nachbarländern. Und er betreibt eine fremdenfeindliche Hetze gegen die ärmste und schwächste Bevölkerungsgruppe Ungarns, die 700.000 Roma, von denen zwei Drittel keine Arbeit finden können und ein Drittel regelmäßig unter Hunger leiden muss.
Mit dieser Hetzpropaganda versucht Orban vor allem der Wählerschaft der rechtsextremen Partei Jobbik zu schmeicheln, die 2010 mit ihrem offen gegen Kommunisten, Juden und Roma gerichteten Wahlkampf 17% der Stimmen bekommen hat. Und die Anhänger von Jobbik belassen es nicht bei Worten. Sie marschieren mit Uniform und Abzeichen der alten ungarischen Nazis durch die Dörfer und greifen systematisch und gewaltsam die Roma an. Mit Pitbulls, Äxten und Peitschen bewaffnet bedrohen sie die Viertel der Roma, greifen Erwachsene wie Kinder an. Wie lange wird es dauern, bis sie ganz wie ihre Vorbilder auch streikende Arbeiter und Gewerkschafter angreifen?Um die Unterstützung der Wählerschaft dieser barbarischen Rechtsradikalen zu bekommen, setzt Viktor Orban einen Teil ihrer Forderungen um. So hat er 2011 einen Zwangsarbeitsdienst eingeführt. Um ihre monatlichen 170 Euro Arbeitslosengeld zu behalten, werden arbeitslose Roma gezwungen, im Reinigungsdienst, in der Landwirtschaft, für religiöse Einrichtungen oder auf dem Bau zu arbeiten – teilweise mehrere Stunden von zuhause entfernt, einzig mit einer Baracke zum Schlafen, ohne Toilette, Wasser oder Sonnenschutz am Arbeitsplatz.
Die schutzlosen Roma dienen der Regierung vor allem als Sündenbock. Auf sie soll die Wut gelenkt werden über die dramatischen sozialen Verschlechterungen, die der gesamten arbeitenden Bevölkerung Ungarns in den letzten Jahren von Regierung, Konzernen und Banken aufgezwungen wurden.
Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 sind Arbeitslosigkeit und Inflation explodiert, und die Regierung setzt einen brutalen Sparplan nach dem anderen um. Die arbeitende Bevölkerung verarmt zusehends. Und nun hat Orbans Partei noch ein neues Arbeits“recht“ verabschiedet, dass die Arbeiter regelrecht ins 19. Jahrhundert zurückwerfen soll: Der Kündigungsschutz für schwangere Frauen und Gewerkschafter wird abgeschafft, ebenso die Überstunden- und Schichtzulagen. Streiks gegen die Regierung werden verboten, und Kritik am Arbeitgeber wird ein Kündigungsgrund.
Und so gibt es eine endlose Liste der Grausamkeiten von der Regierung Orban. Doch wogegen richtet sich die Kritik der EU-Politiker? Hauptsächlich gegen die Einschränkungen Orbans bei der Zentralbank und den Steuergesetzen. Ihre Sorge dreht sich also ums Geld, genauer gesagt darum, ob das arme und überschuldete Ungarn weiter die Zinsen seiner Schulden an die westeuropäischen Banken zahlen kann.
Alles andere, von der wachsenden Verarmung der ungarischen Arbeitenden bis zur brutalen Hetze gegen die Roma, ist für sie nicht kritikwürdig, das ist normal. Im Gegenteil: Mit ihren Forderungen nach weiteren Einsparungen im Namen der „Schulden-bekämpfung“ trägt die EU dazu bei, Armut und Elend zu vergrößern und damit den Boden zu bereiten, auf dem Nationalismus, Rassismus und Bewegungen wie Fidesz und Jobbik gedeihen können.Wie sehr hatte die ungarische Bevölkerung 1990 gehofft, der Eintritt in die kapitalistische Welt des Westens würde ihnen die ersehnte Freiheit und materiellen Wohlstand bringen. Es ist ein bitteres Erwachen. Der Kapitalismus kann ihnen keines von beiden geben.
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Regierung Nigerias weicht vor Generalstreik der Arbeiter zurück
Mit einer Woche Generalstreik haben die Arbeiter in Nigeria die Regierung dazu gebracht, nachzugeben. Diese hatte die Subventionen auf Treibstoff abgeschafft, sodass sich die Spritpreise zum 1. Januar brutal von 35 auf 74 Cent pro Liter verdoppelt haben.
Diese Spritpreiserhöhung wirkte sich auch auf viele andere Preise aus… eine Katastrophe in einem Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung von 1,50 Euro am Tag leben muss.Dabei ist Nigeria das größte Ölförderland Afrikas. Doch weil es keine Raffinerien besitzt, muss es das Benzin von den westlichen Ölkonzernen wieder teuer zurückkaufen und importieren. So plündern die Ölkonzerne das Land gleich doppelt aus.
Der brutale Angriff auf ihre Existenz hat das Fass nun zum Überlaufen gebracht: Die Arbeitenden antworteten mit einem Generalstreik, der das wirtschaftliche Leben zum Stillstand brachte. Auch die Gewalt der Regierung, die vom ersten Tag an Demonstranten erschossen hat, hat sie nicht aufgehalten. Ihre Wut und ihr Mut waren größer.
Nach einer Woche hat Nigerias Präsident dann nachgegeben und hat den Spritpreis auf 0,46 Euro gesenkt. Es ist ein erster Sieg, den die Bevölkerung durch ihren Streik und ihre Demonstrationen errungen hat. Und es ist durchaus möglich, dass die Menschen aus ihm Kraft schöpfen, um sich weiter gegen die unmenschlichen Lebensbedingungen aufzulehnen.