Leitartikel
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Das größte Risiko für die Menschen ist der Kapitalismus
Niemand bleibt wohl gleichgültig angesichts des Schreckens und des Leids der Menschen in Japan. Über 7.200 Tote wurden bislang aus dem Trümmerfeld geborgen, das der Tsunami hinterlassen hat. Viele weitere werden noch vermisst. Und nun erlebt das Land ein Atomunglück, dessen Ausmaß und Folgen noch nicht absehbar sind.
Das ungeheure Erdbeben der Stärke 9,0 und der darauffolgende Tsunami haben derartige Schäden verursacht, dass alle Kühlsysteme des Atomkraftwerks Fukushima versagt haben.
Beide Katastrophen hängen also zusammen. Dennoch besteht zwischen ihnen ein wesentlicher Unterschied: Erdbeben und Tsunami sind Naturkatastrophen. Sie passieren, und die Menschheit kann nur darum ringen, ihre schmerzlichen Folgen so gering wie möglich zu halten. Das heutige nukleare Drama hingegen ist die Folge einer gravierenden Störung in einer Technik, die die Menschheit selber geschaffen hat.Allerdings ist nicht die Technik an sich in erster Linie das Problem, sondern dass der Kapitalismus in keiner Weise darauf ausgerichtet ist, die Technik im Interesse der Gesellschaft zu entwickeln und sie nur in dem Maße zu verwenden, wie man sie schon beherrscht. Was und wo etwas gebaut und eingesetzt wird und welche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden, wird nicht gemeinsam und nach den Interessen der Menschheit entschieden.
Nein, das oberste Kriterium ist der Profit. Und das hat fürchterliche Folgen.Wer kann garantieren, dass es bei dem betroffenen Atomkraftwerk anders war? Dass es nicht an einem Ort gebaut wurde, an dem man es nicht hätte bauen dürfen? Dass es in diesem Risikogebiet auf dem neusten Stand der Technik war? Dass wirklich alle möglichen und notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden?
Man kann zumindest stark daran zweifeln. Erst recht, wenn man heute mitbekommt, dass der Betreiberkonzern Tepco seit Jahren Sicherheitsmängel und sogar Störungen bei Erdbeben vertuscht hat – offensichtlich mit Billigung des japanischen Staates.Japan hat wie kein anderes Land eine wirkliche Infrastruktur geschaffen, um die Bevölkerung vor den Folgen der Erbeben zu schützen, mit erdbebensicheren Bauten, Rettungsplänen sowie Erdbebentrainings schon in Kindergarten und Schule. Wie viele Menschen wären bei diesem gigantischen Beben und dem Tsunami ohne diese Infrastruktur gestorben? Auf Haiti jedenfalls hat ein deutlich schwächeres Beben ohne Tsunami… über 200.000 Menschen getötet.
Doch die Durchsetzung von Sicherheitsmaßnahmen hört offensichtlich dort auf, wo die Profitinteressen großer Konzerne ernsthaft dagegen stehen, wie eben beim weltweit größten Stromkonzern Tepco. Oder in Deutschland bei Energiekonzernen wie Vattenfall, dessen alter Reaktor Krümmel trotz ständiger Störfälle bis heute weiter produzieren durfte.
Sicherheit kostet Geld, viel Geld – und das sind die Konzerne nicht bereit, auszugeben. Wissentlich nehmen sie damit die bedrohlichsten Gefahren für die Menschheit in Kauf. Diese Gefahren sind im Bereich der Atomenergie von besonders schlimmem Ausmaß. Doch wie viele Tote, auf Lebzeit Geschädigte und verseuchte Gegenden werden weltweit verursacht durch Explosionen von Chemiefabriken wie in Bhopal oder Ölkatastrophen wie im Golf von Mexiko oder Nigeria? Wie viele Menschen sterben an Arbeitsunfällen durch fehlende Sicherheit oder werden auf Lebzeiten krank durch ungeschützte Arbeit mit Giften, mit PCB, mit Asbest oder in Kohlegruben…
Ganz zu schweigen von den Katastrophen, die insbesondere die USA in Kriegen sogar bewusst hervorrufen… bis dahin, dass sie 1945 zwei Städte in Japan, Hiroshima und Nagasaki, gezielt atomar verseuchten.Dass die moderne Technik und die wirtschaftlichen Entscheidungen in den Händen dieser Leute, in den Händen einer kleinen Minderheit liegen, darin besteht die große, ernsthafte Bedrohung für die Menschheit.
Erst wenn wir uns von dieser Gesellschaftsordnung, deren einziger Motor der Profit ist, befreien, dann kann die Menschheit bewusst Entscheidungen treffen, auch in der Energiefrage. Dann kann sie im Interesse der gesamten Menschheit planen, was gebraucht wird, kann verschiedene Alternativen in der Herstellung mit ihren Risiken und Nutzen abwägen, kann dementsprechend auch die Forschung entwickeln.
Dann kann sie auch entscheiden, wo und unter welchen Bedingungen etwas hergestellt wird, so dass Produktion und Verteilung möglichst effizient und logisch, sicher und umweltschonend sind und außerdem jederzeit unter der Kontrolle von Arbeitern, Anwohnern und Verbrauchern stehen.
Es ist der einzige Weg, der Umwelt und der Menschheit größtmögliche Sicherheit, Entfaltung und Schutz zu bieten.
Internationales
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Tunesien: Die arbeitende Bevölkerung kämpft weiter
Zwei Monate nach dem Sturz des Diktators gehen die Demonstrationen und Streiks in Tunesien weiter. Wer geglaubt hatte, die Bevölkerung würde sich mit dem Rücktritt des Diktators und ein paar warmen Worten von Demokratie abspeisen lassen, den hat die einfache Bevölkerung eines Besseren belehrt.
Die Bevölkerung verlangt, dass alle Verantwortlichen der Diktatur verschwinden. Und so hat sie in den letzten Wochen regionale Gouverneure verjagt und Polizeireviere und Bezirksregierungen gestürmt. Und 4 Tage nach dem Sturz Ben Alis hat sie auch wieder begonnen, gegen die Regierung zu demonstrieren, diesmal gegen die neue Übergangsregierung. Denn die bestand ebenfalls zum großen Teil aus Ministern, die schon unter dem Diktator Minister waren.
Demokratie… aber nicht für die Arbeiter?
Diese Übergangsregierung wurde von den USA und Europa unterstützt als die neue „Demokratie“. Doch kaum hat die einfache Bevölkerung in Tunesien ihre demokratischen Rechte wie Rede- und Demonstrationsfreiheit wahrgenommen, hat man ihnen gezeigt, was für sie diese Demokratie heißt: Sofort sind Armee und Polizei mit Gewalt gegen die Demonstranten vorgegangen, mit Tränengas und Waffen, und haben mehrere Demonstranten umgebracht.
Dennoch wurden die Demonstrationen immer größer, bis erneut über 100.000 Menschen auf der Straße demonstrierten… und letztlich der Regierungschef am 27. Februar zurücktreten musste.Gleichzeitig finden in unzähligen Fabriken und Städten Arbeitsniederlegungen, Streiks und Sitzblockaden statt.
Die Arbeiter fordern Festeinstellungen, Lohnerhöhungen von 30, 50 oder 80%, freie Gewerkschaften oder auch die Absetzung verhasster Manager und Firmenchefs.
Ob Bergleute oder Müllabfuhr, ob bei Henkel oder der Telekom, in Hotels oder Krankenhäusern – überall kämpfen die Arbeiter darum, dass sich mit dem Sturz der Diktatur nun auch etwas an ihren schlimmsten sozialen Problemen ändert, an der hohen Arbeitslosigkeit, an Löhnen von 125 Euro im Monat, an explodierenden Lebensmittelpreisen, an Armut und Hunger…Bei der Müllabfuhr haben es die Arbeiter geschafft, eine Verdoppelung ihres Lohnes durchzusetzen. Und mit 6 Wochen Streik, Sitzblockaden und Demonstrationen haben Arbeiter und Arbeitslose von Gafsah bereits die Einstellung von 4400 Arbeitslosen in den Phosphatminen erreicht.
Jedes Mal müssen die Verbesserungen gegen den Widerstand von Firmenchefs und Regierung erkämpft werden, die mit Polizei und Armee drohen. Doch die Angst vor der brutalen Polizei, mit der die Unternehmen bislang die gnadenlose Ausbeutung der Arbeiter durchgesetzt haben, greift nicht mehr.
Politische Perspektiven sind notwendig
Stück für Stück haben die Arbeitenden in Tunesien mit ihrem Mut, ihrer Ausdauer und ihrer Opferbereitschaft bislang einen Erfolg nach dem anderen errungen. Nichts davon hat man ihnen freiwillig gegeben, nirgendwo konnten sie auch nur auf die Unterstützung der Politiker bauen, die ihnen demokratische und soziale Reformen versprochen hatten. Jede demokratische und soziale Veränderung haben sie selber erkämpft.
Damit ihnen diese Erfolge nicht wieder genommen werden, brauchen die Arbeitenden heute weitergehende, politische Perspektiven. Solange man nämlich die Unternehmen und Banken sowie den Staat in den Händen der Wirtschafts- und Finanzbosse und ihrer Helfer lässt, solange wird der soziale Krieg weitergehen. Denn solange das Bürgertum die Macht behält, wird es immer versuchen, selbst die kleinsten Zugeständnisse wieder zurückzuerobern, die es den kämpfenden Arbeitenden machen musste.
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Beide Seiten sind Feinde der Bevölkerung
An diesem 18. März hat der UN-Sicherheitsrat mögliche Luftangriffe auf Libyen beschlossen – angeblich zum Schutz der Bevölkerung und gegen die Diktatur Gaddafis. Doch wie könnte man ihnen glauben?
Dieselben Länder, allen voran die USA und die Länder der EU, haben Gaddafi noch bis vor wenigen Monaten unterstützt.Sie haben ihm die Waffen geliefert, mit denen er heute mordet. Länder der EU haben Gaddafi sogar dafür bezahlt, dass er Jagd auf Flüchtlinge aus Afrika macht und sie einsperrt… damit sie gar nicht bis Europa kommen. In überfüllten Sammellagern in der Wüste werden sie wie Hunde zusammengepfercht, misshandelt und dann abgeschoben.
Und nachdem sie Gaddafi unterstützt und mit Geld und Waffen versorgt haben, wollen sie nun Bomben auf die Bevölkerung abwerfen – genau wie im Irak und in Afghanistan. Auch hier wird die einfache Bevölkerung die Hauptleidtragende der Angriffe sein.
Doch den Großmächten geht es bei ihrer Entscheidung nicht um die Menschen, und auch nicht um Demokratie. Ihnen geht es nur darum, in Libyen einen gefügigeren Nachfolger für Gaddafi zu finden, der die Proteste beendet… damit die Konzerne in Ruhe weiter das Öl fördern können.