Leitartikel
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Die Arbeitenden müssen ihre eigenen Interessen durchsetzen!
Eine Woche nach Abgang des Diktators Mubarak hat eine Welle von Streiks Ägypten erfasst. Die Arbeiter fordern vor allem höhere Löhne in diesem Land, wo 40% der Bevölkerung von weniger als 2 Dollar am Tag leben muss.
Sie haben gerade erst erlebt, dass die Bevölkerung die Kraft hatte, mit ihren entschlossenen Demonstrationen und Streiks den gefürchteten Diktator zum Rücktritt zu zwingen. Der Hass war größer geworden als die Angst. Es ist nun die Frage, ob die Arbeitenden jetzt auch die Kraft und das Bewusstsein besitzen, um konsequent für wirkliche Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen zu kämpfen.
Die imperialistischen Staaten, allen voran die USA, haben Mubarak jahrelang unterstützt. Doch die Diktatoren nutzen ihnen nur so lange etwas, wie sie mit ihrer Diktatur die ausgebeutete Bevölkerung klein und ruhig halten. Wenn ihnen das nicht mehr gelingt, dann können diese Diktatoren für die sogenannten „Demokratien“ sogar zu einem Problem werden, weil sie so viel Wut und Hass kristallisieren.
Wenn nämlich die Arbeitenden erst einmal anfangen zu kämpfen, können sie spüren, welche Kraft sie gemeinsam haben, können Erfahrungen sammeln, lernen… Und dann kann es passieren, dass sie sich nicht mehr nur gegen die Person des Diktators wenden, sondern gegen die, die hinter ihm die Bevölkerung ausbeuten und unterdrücken: Polizei und Armee, die einheimischen Reichen und Unternehmer und vor allem die Konzerne und Herrschenden der großen westlichen Staaten.
Deshalb haben die USA ihren einstigen Schützling zum Rücktritt gedrängt. Sie hoffen, dass damit die Proteste aufhören, bevor die Bevölkerung anfängt, noch viel weitergehendere Veränderungen zu verlangen. Sie hoffen, dass es genügt hat, das Gesicht an der Spitze der Regierung auszutauschen und vage demokratische Veränderungen zu versprechen, damit wieder „Normalität“ in Ägypten einkehrt.
Dafür soll die Armeeführung sorgen, also dieselben Generäle und Offiziere, die seit Jahrzehnten alle wichtigen Posten im Staat besetzen und ganze Teile der Wirtschaft beherrschen. Angefangen bei Mubaraks Nachfolger Tantaui, der schon seit 1991 Verteidigungsminister des Diktators war. Der gesamte Staatsapparat der Diktatur ist also weiter an der Macht… und der soll nun angeblich „Demokratie einführen“.Schon gibt die Armeeführung einen ersten Eindruck davon, was sie sich unter Demokratie und Freiheit vorstellt: Sie erklärt, dass Streiks und Demonstrationen dem Land schaden, bezeichnet die streikenden Arbeiter als „unverantwort-liche Elemente“ und droht mit dem Verbot von sozialen Demonstrationen.
Offensichtlich haben die ausgebeuteten Massen von dieser Armeeführung kein Brot und keine Arbeit, kein Ende ihres Lebens in bitterer Armut zu erwarten. Und nicht einmal grundlegende demokratische Freiheiten.
Vielleicht wird die Armee so etwas wie Wahlen durchführen lassen und ein paar bürgerliche Parteien erlauben – und selbst das ist noch nicht sicher.
Doch schon macht die Armee deutlich, dass diese „Demokratie“ für die arbeitende Bevölkerung nicht gelten soll. Dass sie weiter von denselben Polizisten und Militärs mit Schlagstöcken und Gewehren unterdrückt, weiter von denselben ägyptischen und vor allem internationalen Firmen für Armutslöhne ausgebeutet werden soll – darunter übrigens BASF, Siemens, Daimler, BMW, ThyssenKrupp, RWE…Doch noch ist nicht sicher, ob der Plan der Generäle und ihrer Beschützer in den USA und Europa aufgehen wird. Es ist zumindest zu hoffen, dass die Arbeiter, die heute streiken, sich weder von Appellen an ihre „Verantwortung für die Wirtschaft des Landes“ beeindrucken lassen, noch von den Drohungen der Armeeführung.
Wenn sich nämlich die zahlreiche Arbeiterklasse Ägyptens massenhaft dazu entschließt, für die Interessen der Ausgebeuteten in den Kampf zu treten, für ausreichend Arbeitsplätze, ausreichend Lohn, für Essen und Wohnung, für das Recht auf eigene Gewerkschaften und Arbeiterparteien, dann steht die einfache Bevölkerung Ägyptens wirklich am Beginn einer Zeit grundlegender Veränderungen.
Internationales
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Armut macht Demokratie unmöglich
Ermutigt von den Beispielen in Tunesien und Ägypten, wagen es seit Wochen in vielen arabischen Ländern immer wieder Zehntausende, auf die Straße zu gehen: im Jemen, in Algerien, in Lybien, Bahrain usw. Obwohl die Herrscher mit brutaler Gewalt auf die Proteste reagieren, obwohl die Demonstrationen niedergeschlagen und immer wieder Demonstranten getötet werden, finden sie den Mut, weiterzumachen. Und sie haben mehr als Recht – denn es ist der einzige Weg, um etwas zu verändern.
Damit sich jedoch wirklich etwas verändern kann, werden die Arbeitenden dort für zwei Dinge kämpfen müssen: für demokratische Rechte – und für das Recht auf Brot, Arbeit und Lohn. Denn Armut und Demokratie sind unvereinbar. Wie soll es Demokratie geben, wenn man Menschen täglich damit erpressen kann, ob sie etwas zu Essen bekommen? Wenn die Menschen zwar frei ein Kreuz bei der Wahl machen und ihre Meinung schreiben dürfen, aber weder das Geld für eine Zeitung haben, noch für die Schule… oder um in die Hauptstadt demonstrieren zu fahren?
Und es wird auch keine Demokratie geben, wenn ein Staat die Löhne im öffentlichen Dienst nicht zahlen kann: Dann nämlich organisieren sich Beamte, Polizisten und Militärs fast zwangsläufig ihren Lohn dadurch, dass sie die Bevölkerung für jedes Papier, jeden Stempel oder auch nur für das Recht weiterzuleben bezahlen lassen.Für die arbeitende Bevölkerung wird es daher so etwas wie Demokratie nur dann geben können, wenn sie gleichzeitig ihr Recht auf Leben, wenn sie soziale und wirtschaftliche Veränderungen erkämpft.