Leitartikel
-
Was steckt dahinter, dass angeblich „die deutsche Wirtschaft kaputt geht“?
10 Milliarden Euro: Das zahlt die Regierung dem US-Konzern Intel, damit dieser in Magdeburg eine Fabrik für Mikrochips mit 3.000 Arbeitsplätzen baut. 10 Milliarden Euro staatliche Subventionen – für eine einzige Fabrik!
Gleichzeitig diskutiert die Regierung, wo sie im nächsten Haushalt bei uns überall sparen könne. Gleichzeitig erklärt sie, dass sie mehrere hundert Krankenhäuser schließen wird, weil dafür „kein Geld“ da ist. Die Regierung kann das Geld nur einmal ausgeben: Entweder für die Konzerne – oder die Bedürfnisse der einfachen Bevölkerung.Anfangs sollte Intel 6,8 Milliarden bekommen. Alles war abgemacht. Doch plötzlich erklärten deren Bosse, sie wollten gefälligst 10 Milliarden vom Staat – sonst würden sie das Werk doch in einem anderen Land bauen. Und kaum haben sie die auch bekommen, verlangen sie nun weitere Subventionen beim Strompreis. Es ist ein Fass ohne Boden.
Und Intel ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Konzerne bekommen bereits immer höhere Subventionen und einen bedeutenden Teil ihrer Energiekosten vom Staat. Und sie fordern immer mehr.
Um die Milliardengeschenke zu rechtfertigen, versuchen sie uns einzureden, dass die Firmen im Rest der Welt beste Bedingungen hätten und nur in Deutschland unter den angeblichen „hohen Kosten“ zusammenbrechen würden. Die Wahrheit ist: In fast allen Ländern fordern die Kapitalisten dasselbe. Denn sie wollen trotz der durch Krise und Inflation sinkenden Nachfrage nicht auf Profit verzichten. Überall drohen sie daher mit Schließungen und Verlagerungen und verlangen mehr Geld.Seitdem versuchen sich alle Industriestaaten darin zu überbieten, wer den Konzernen am meisten Subventionen in den Rachen wirft – in der Hoffnung, dass die Betriebe dann vielleicht nicht bei ihnen geschlossen werden, sondern in anderen Ländern. Nur spielen in diesem Wettkampf nicht alle Staaten in der gleichen Liga.
In der EU zum Beispiel haben fast alle großen Staaten milliardenschwere Subventionsprogramme für die Konzerne aufgelegt, alle unter dem Vorwand, „klimafreundliche Technologien“ und „wirtschaftliche Unabhängigkeit von China“ zu fördern. Doch weil die deutschen, französischen, italienischen Konzerne untereinander in Konkurrenz stehen und verschiedene Interessen haben, handelt jeder EU-Staat alleine und nur für die Interessen seiner Kapitalisten. Keiner von ihnen aber hat alleine eine Chance gegen die USA.Die USA haben bereits den Vorteil, dass die von ihnen verlangten Sanktionen gegen Russland die Energiekosten in Europa und insbesondere in Deutschland in die Höhe getrieben haben – nicht jedoch in den USA. Und weil die USA ein Staat ist und nicht 27 konkurrierende, kann sie auch ganz andere Summen auf den Tisch blättern als jeder der EU-Staaten. Allein im letzten Jahr haben sie ein Subventionspaket von 430 Milliarden Dollar für Konzerne beschlossen, die in den USA produzieren lassen. Auch dies übrigens unter dem Vorwand, „klimafreundliche Energien und Technologien“ zu fördern.
Überall ist der Klimaschutz nur der Deckmantel, damit die Bevölkerung einfacher akzeptiert, dass Chemie-, Auto- und Energiekonzerne mit grenzenlosen Geldgeschenken überhäuft werden.
So viel übrigens zu der Propaganda von AfD und CDU, die behaupten, es gäbe nur deshalb eine Krise, weil die deutsche Regierung die Konzerne mit Klimaschutzmaßnahmen „zu stark finanziell belasten“ würde. Es ist ein billiges Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen.
Und obendrein machen sie damit am Ende dieselbe Propaganda wie die Regierung. Auch AfD und CDU sagen schließlich nichts anderes, als dass die Produktion für die Konzerne in Deutschland angeblich zu teuer wäre und die Konzerne daher noch mehr Geld vom Staat bräuchten.
Lange Zeit gehörten die deutschen Konzerne zu den absoluten Gewinnern im weltweiten Konkurrenzkampf. Wir Arbeitenden hatten davon nichts. Die riesigen Gewinne haben sich die Kapitalisten in die Tasche gesteckt: Allein 2020 sind die 136 reichsten deutschen Kapitalisten um 100 Milliarden Euro reicher geworden!
Doch wegen der Sanktionen im Ukraine-Krieg haben sie gegenüber den US-Konzernen etwas an Boden verloren. Und nun verlangen sie, dass die arbeitende Bevölkerung dafür bezahlt.Wir Arbeitenden können nur verlieren, wenn wir uns in ihren Konkurrenzkampf hineinziehen lassen. In diesem Kampf verteidigen die Kapitalisten, unterstützt von den Regierungen, einzig ihre Profite: gegen ihre Konkurrenten, aber vor allem indem sie sich das Geld holen, wo es bislang am einfachsten ist: bei uns Arbeitenden. Unsere Interessen verteidigt keiner, wenn wir es nicht selber tun.
Die Konzernbosse wollen Geld? Antworten wir ihnen, dass sie es von den angehäuften Gewinnen nehmen sollen! Von den gigantischen Milliardenbeträgen, die sie aus uns herausgepresst haben und die nun auf den Konten der Großaktionäre schlummern – statt von dem öffentlichen Geld, das für Schulen und Krankenhäuser gebraucht wird, oder von unseren Löhnen und Arbeitsplätzen.
Und wenn die Kapitalisten uns damit erpressen, dass sie die Betriebe dann schließen oder verlagern? Antworten wir ihnen, dass sie gerne gehen können – aber dass wir die Betriebe und Bankkonten behalten!Wir Arbeitenden können die Betriebe auch ohne parasitäre Großaktionäre leiten. Wir kennen die Betriebe am besten und haben im Gegensatz zu den Kapitalisten keine, der Bevölkerung entgegengesetzten Interessen. Und angesichts der immer schlimmeren Krisen, Kriege und Zerrüttung, in die die kapitalistische Herrschaft die Welt führt, können wir es wahrlich nur besser machen.
Internationales
-
Der Putschversuch der Wagner-Söldner in Russland – und die vielsagenden Reaktionen der westlichen Staaten
Zwei Wochen nach dem Putschversuch der Wagner-Söldner sind dessen Hintergründe noch immer undurchsichtig und ungewiss – ebenso wie die Frage, wie es jetzt mit der Söldner-Truppe und ihrem Anführer Prigoschin weitergeht. Eines jedoch hat er sehr klar gezeigt: Putins Macht ist durch den Krieg spürbar geschwächt.
Prigoschin, der sich dank Putins Unterstützung von einem Sträfling in einen mächtigen Unternehmer verwandeln konnte, war lange eine rechte Hand Putins. Im Ukraine-Krieg wurden seine Söldner zu Putins berühmtester Vorzeigetruppe. Doch mehr und mehr hat er sich gegen die russische Armeeführung und dann auch gegen Putin gestellt. Und er hätte mit seinen Söldnern kaum widerstandslos mehrere hundert Kilometer nach Russland eindringen können, wenn er dort nicht mindestens über passive Unterstützung verfügt hätte.
Prigoschin genoss wohl Sympathie in Teilen der Bevölkerung, weil er immer wieder offen die Armee-Führung für ihre Kriegsführung kritisiert hat und dafür, dass sie die Soldaten verheizt. Doch Prigoschin fand wohl auch durchaus Anklang bei einem Teil des russischen Machtapparats, der zunehmend unzufrieden mit der Dauer und den wenigen Erfolgen des Krieges ist – und der über die Ablösung Putins nachzudenken beginnt. Der Wagner-Putsch war ein erstes Anzeichen dafür, dass die Machtkämpfe im russischen Staatsapparat an Schärfe gewinnen und noch unvorhersehbare Folgen haben könnten.
Vielsagend sind die Reaktionen unserer eigenen Staatschefs darauf. Seit einem Jahr haben uns Scholz, Biden und Co. erklärt, dass die Kriegsgefahr einzig von dem „verrückten und machtgierigen Diktator Putin“ ausgehe. Und dass wir immer schlimmere Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet (nun sogar die geächtete Streu-Munition), massive Aufrüstung und explodierende Energiepreise akzeptieren müssten, um Putin zu schlagen. Doch angesichts des Putsch-Versuchs waren sie auf einmal voller Sorge, dass er gestürzt werden könnte. Denn die Wahrheit ist: Sie möchten ihren Rivalen und dessen Einfluss in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion gerne schwächen. Nur deshalb unterstützen sie die ukrainische Armee so massiv. Doch gleichzeitig wollen sie auf Putins Diktatur derzeit nicht verzichten. Denn bislang sorgt diese wie keine andere für Ruhe in der russischen Bevölkerung, dem Staat und der gesamten Region.
Die bisherige Einmischung und kriegerische Machtpolitik der westlichen Staaten könnte dennoch dazu führen, dass – wie im Irak und im Nahen Osten – der Staatsapparat explodiert und Russland in einem Bürgerkrieg versinkt.
Um diesem Los zu entkommen, kann die russische Bevölkerung weder auf die verschiedenen Machtcliquen im eigenen Land zählen, noch auf die westlichen Staaten.
Die einzige Hoffnung besteht darin, dass der geschwächte Machtapparat der Arbeiterklasse hilft, wieder Mut zu finden, den Kopf zu heben und selber gegen den Krieg und für ihre sozialen Interessen zu kämpfen. -
Frankreich: Statt Resignation oder sinnlose Gewalt – ändern wir die Gesellschaft!
{Die Ermordung eines 17jährigen durch die Polizei hat spontan und mehrere Tage lang zu einer Explosion blinder Wut von Jugendlichen geführt. Polizei und Justiz sind gegen die Jugendlichen sehr hart vorgegangen. Mehrere hundert, nicht selten Schüler*innen oder Azubis ohne Vorstrafen, wurden noch am selben Tag in Schnellverfahren abgeurteilt. Dafür, dass sie zum Beispiel etwas aus einem geplünderten Laden geklaut haben, sind sie teilweise zu mehreren Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden. Die Regierung Macron hat die Jugendlichen und sogar deren Eltern beschimpft und verleumdet, während sie sich bedingungslos hinter die Polizei gestellt und sie gerühmt hat. Zur Einschätzung der Ereignisse veröffentlichen wir den Leitartikel der Betriebszeitungen unserer französischen Genoss*innen von Lutte Ouvrière vom 3. Juli 2023.}
Über den Tod des 17-jährigen Nahel in Nanterre kann man nur empört sein. Hätte es keine andere Möglichkeit gegeben, das Auto zu stoppen, als dem Fahrer aus unmittelbarer Nähe in die Brust zu schießen? Was hat der Ruf „Knall ihn ab!“ eines der Polizisten zu bedeuten? Wäre die Szene nicht gefilmt worden, wäre diese Hinrichtung durch die Polizei als Notwehr getarnt worden – so, wie es sicher in den meisten Fällen geschieht.
Diesmal gibt es ein Video als Beweis: Polizisten, die keine Zurückhaltung kennen, die schießen, um zu töten, die de facto die Todesstrafe wieder einführen, manchmal nur für geringfügige Vergehen. Und man braucht sich nur die Reaktionen einiger Polizeigewerkschaften anzuhören, um zu begreifen, dass in ihren Augen das Leben eines Jugendlichen aus einem Arbeiterviertel nicht viel wert ist!
Die Jugendlichen in den Arbeitervierteln haben dies verinnerlicht. Denn sie erleben jeden Tag Kontrollen aufgrund ihrer Hautfarbe, rassistische Äußerungen oder Diskriminierung bei der Arbeit oder der Wohnungssuche.
Sie sehen sich dazu verurteilt, sich ohne Geld durchzuschlagen, mit Leiharbeit und schlecht bezahlten Jobs – während die Jugendlichen aus dem Bürgertum gute Beziehungen und eine sichere Karriere haben. Sie erleben, wie ihre Eltern von einer schlecht bezahlten Arbeit ausgelaugt und kaputt gemacht oder in die Arbeitslosigkeit gestoßen werden.Also ja, es gibt Jugendliche, Kinder, die mit Wut im Herzen leben. Diese Wut bringt einen kleinen Teil von ihnen dazu, nichts zu respektieren, in Drogengeschäfte einzusteigen oder den Bewohnern ihrem eigenen Viertel das Leben schwer zu machen. Und diese Wut ist mit Nahels Tod in blinde Gewalt umgeschlagen.
Die Zerstörungswut, die in einigen Stadtvierteln ausgebrochen ist, löst ihrerseits Bestürzung, Verwirrung und zum Teil Wut aus. Und das aus gutem Grund! Denn es sind nicht die Reichen, deren Autos, schicke Restaurant oder Tennis- und Golfplatz in Rauch aufgehen. Es sind Frauen und Männer der einfachen Bevölkerung, die nun hilflos ohne Sozialzentrum, Einkaufsladen oder Transportmittel zur Arbeit dastehen.Die Aktionen derjenigen, die mehrere Nächte damit verbracht haben, alles in ihrer Reichweite zu zerstören, einschließlich des Ferienzentrums, in dem ihre kleine Schwester angemeldet war oder des Arztbusses, in dem ihre Mutter sich behandeln lassen wollte, zeugen von einem dramatischen Mangel an Bewusstsein. Unter ihnen befinden sich übrigens auch Kleinkriminelle und Drogenhändler, die sich nicht darum scheren, dass sie das Leben der Einwohner in Gefahr bringen.
Diese blinde Wut darf nicht die Oberhand gewinnen! Aber wer ist da, um die Revolte dieser Jugend zu tragen und ihr eine Perspektive zu eröffnen? Wer, um sich gegen die Politik der Regierung zu stellen? Wer kämpft gegen das Großkapital, das schon an Reichtum erstickt und doch immer raffgieriger wird?
Die zerstörerische Revolte dieser Jugend ist die Folge der fehlenden Organisation der Arbeiterklasse, ihres Mangels an Kampfgeist und Politisierung. Der Arbeiterklasse werden die Jugendlichen als Lieferboten, Lagerarbeiter, Gabelstaplerfahrer, Kellner oder Köche angehören – so wie ihre Brüder, Schwestern oder Eltern bereits heute. Es liegt also an uns, an allen Arbeiterinnen und Arbeitern, ihnen den Weg zu weisen.
Indem wir uns organisieren und dafür kämpfen, dass wir von den Großkapitalisten, aber auch von der Polizei und der Justiz respektiert werden, können wir zu einem Vorbild für die Jugend werden. Diese Perspektive ist untrennbar damit verbunden, die gesamte Gesellschaftsordnung in Frage zu stellen. Denn es ist sinnlos, auf eine bessere Polizei oder Justiz zu hoffen.
Hinter der Polizei und der Justiz stehen die Gesetze der Bourgeoisie. Diese Gesetze weisen den Arbeitenden und ihren Kindern die Rolle zu, sich ausbeuten zu lassen und den Reichsten zu dienen. Sie legitimieren die Ungleichheit. Sie erlauben es einer Regierung wie der von Macron, uns zwei Jahre unserer Rente zu stehlen. Sie geben einer Klasse von Parasiten alle Macht, die bereit wären, Vater und Mutter zu töten, wenn das ihre Profite vergrößert!
In Punkto Plünderung und Zerstörung werden die jungen Randalierer niemals an die Konzerne heranreichen, die bereit sind, die ganze Welt zu schröpfen, den Planeten zu zerstören, die Menschheit auszubeuten und Kriege zu schüren.
Gewalt ist das Herzstück dieser von Ungerechtigkeiten zersetzten Gesellschaft. Wir werden daher nur dann Frieden und Gerechtigkeit erlangen, wenn wir dem Großkapital die Kontrolle über die Gesellschaft entziehen. Wir werden erst eine wirklich gerechte Gesellschaft aufbauen, wenn die Frauen und Männer, die alles produzieren, selber an der Macht sind und die Gesellschaft so organisieren, dass sie den Bedürfnissen der gesamten Bevölkerung entspricht.