Leitartikel
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Medikamente: Wir müssen unabhängig werden… von den Kapitalisten
Erst im Winter sind Eltern verzweifelt von einer Apotheke zur nächsten gefahren, weil es für ihre Kinder kaum noch Medikamente gegen Fieber und Husten gab. Nun gehen immer mehr wichtige Antibiotika für Kinder aus.
Von Jahr zu Jahr wird der Mangel bei Medikamenten schlimmer. Es fehlen Chemotherapien, Blutdrucksenker, Insulin-Präparate… Im letzten Jahr waren bereits 564 dieser lebenswichtigen Medikamente wochen-, oft sogar monatelang nicht zu bekommen – doppelt so viele wie vor vier Jahren.Nicht nur in Deutschland. Weltweit breitet sich dieser Medikamenten-Mangel aus, obwohl die technischen Produktionsmöglichkeiten nie besser waren. Und warum? Weil die Pharmakonzerne, um „Kosten zu sparen“, fast alle Lager abgeschafft haben und die Herstellung eines Medikaments auf oft nur noch eine oder zwei Fabriken weltweit konzentriert haben. Die können die weltweite Nachfrage gerade so abdecken… wenn sie 365 Tage im Jahr durchproduzieren. Daher reicht mittlerweile eine einzige größere Störung in einer Fabrik oder der Lieferkette und schon fehlen Medikamente, oft monatelang.
Die Jagd der Pharmakonzerne nach immer mehr Profit ist also die Ursache dafür, dass uns heute immer häufiger wichtige Medikamente fehlen!Für die Mehrheit der Weltbevölkerung ist dies alltäglich geworden. Für viele Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika, die keine Krankenversicherung und wenig Geld haben, produziert die Pharmaindustrie nämlich gar keine Medikamente, weil es sich „nicht lohnt“. Sie können an einer einfachen Infektion oder Bluthochdruck sterben – weil in der Logik des Kapitalismus nur das produziert wird, was genug Gewinn einbringt.
Doch mittlerweile haben sie in ihrer Profitgier so viel bei Produktion und Lieferketten eingespart, dass sie nicht mal mehr die Medikamente in ausreichender Menge hergestellt bekommen, die sie problemlos verkaufen könnten.
Und was macht die Regierung? Zwingt sie die Konzerne mehr Medikamente zu produzieren oder nimmt die Produktion selbst in die Hand? Nein, sie versucht uns zu erzählen, dass das Problem nur darin bestehe, dass „zu viel“ in Indien und China produziert werde, dass Europa „unabhängig“ bei der Medikamentenherstellung werden müsse – und bietet den Pharmakonzernen Unsummen öffentlicher Gelder, wenn sie einzelne Produktionen nach Europa verlagern.Mal abgesehen davon, dass es keine „Unabhängigkeit“ geben kann, weil für die Medikamente Rohstoffe und Produkte von mehreren Kontinenten notwendig sind: Was sollte dadurch besser werden? Der Sanofi-Konzern zum Beispiel stellt seine Insulinpräparate in Frankfurt her. Trotzdem sind sie hier derzeit ein halbes Jahr lang nicht zu bekommen – wegen einer größeren Anlagen-Störung. Denn nur, weil eine Anlage in Deutschland steht, sind wir ja nicht „unabhängig“ von deren Störungen.
Das Problem ist nicht, wo produziert wird, sondern dass jedes Medikament aus Profitgründen insgesamt in zu wenig Fabriken – oft nur in ein oder zwei – und ohne Lager produziert wird.Und überhaupt, wenn der Standort einer Fabrik eine so große Rolle spielen würde, müsste die Bevölkerung in Indien dann nicht bestens mit Medikamenten versorgt sein? Doch genau das Gegenteil ist der Fall! Selbst die von AstraZeneca in Indien produzierten Corona-Impfstoffe bekam die Bevölkerung in Indien anfangs nicht, obwohl die Pandemie dort grausam wütete. Stattdessen gingen die Impfstoffe zuerst nach Europa und in die USA… weil dort am meisten dafür bezahlt wurde.
All unsere Politiker, die so viel über die angebliche „Abhängigkeit“ von Indien oder China faseln, fanden das übrigens nicht empörend. Dass die Bevölkerung der ärmeren Länder abhängig ist und sich den Entscheidungen der reichsten Staaten und Konzerne beugen muss, finden sie völlig in Ordnung.
Die Pharmakonzerne liefern grundsätzlich an den, der ihnen am meisten bezahlt. Und so schaffen es diese parasitären Konzerne, aus dem Mangel noch Gewinn zu schlagen. Sie organisieren mittlerweile einen regelrechten Wettkampf, welcher Staat ihnen für die knapp gewordenen Medikamente am meisten bietet.
Die deutsche Regierung macht auch prompt dabei mit und bietet ihnen… bis zu 50% höhere Preise an! Was nichts anderes bedeutet, als dass unsere Krankenkassen noch mehr geplündert werden, noch weniger Geld für Behandlungen und Therapien da ist – weil noch mehr Geld im Rachen der Pharmaindustrie verschwindet, die heute schon zu den Branchen mit der höchsten Profitmarge zählt.„Wir“ – die arbeitende Bevölkerung – sind weltweit abhängig von den profitgierigen, parasitären Pharmakonzernen, von denen die größten übrigens fast alle aus den USA und Europa kommen. Und diese Abhängigkeit ist das Problem.
Dass die Politiker stattdessen von einer notwendigen „Unabhängigkeit“ von Asien faseln, ist nicht nur ein billiges Ablenkungsmanöver. Sie versuchen die Empörung über die fehlenden Medikamente auszunutzen für ihre gefährliche Stimmungsmache, die uns auf größere Konflikte – auch militärische – insbesondere mit China einstimmen soll. Lassen wir uns da nicht reinziehen! Die wahren Fronten verlaufen nicht zwischen den Ländern, sondern zwischen den Arbeitenden und den Konzernen – weltweit.Erst wenn die arbeitende Bevölkerung die Konzerne vergesellschaftet hat und selber die Kontrolle über sie übernimmt, wenn nicht mehr eine Handvoll Kapitalisten und ihre Profitlogik entscheiden, sondern die Interessen der Allgemeinheit – dann ist der Weg frei, um weltweit ausreichend Werke zu bauen und so der gesamten Menschheit den Zugang zu allen wichtigen Medikamenten und allen Errungenschaften der modernen Medizin zu eröffnen.
Internationales
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Türkei: Die Wahl alleine wird die Lage nicht verändern
Am 14. Mai finden in der Türkei die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Seit Wochen sind Erdogan und sein Gegenkandidat Kilicdaroglu in den Umfragen gleich stark. Zum ersten Mal seit vielen Jahren ist es nicht sicher, dass Erdogan wiedergewählt wird.
Lange hatte er noch von der Erinnerung an die ersten Jahre seiner Präsidentschaft zehren können, die eine Zeit des Wirtschaftsaufschwungs waren, in der Löhne und Renten stiegen und auch der Staat mehr Geld für den Bau von Krankenhäusern oder Straßen ausgeben konnte. Doch das ist lange vorbei.
Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal für die Arbeiterklasse und die Mittelschichten. Seit 2018 wird die Inflation immer schlimmer. Jedes Jahr werden die lebenswichtigen Waren um 50-200% teurer! Viele Familien müssen zum Beispiel schon rechnen, wie viele Zwiebeln sie sich leisten können. Rechnungen und Schulden treiben viele in die Verzweiflung. Und die einzige Antwort der Regierung ist immer mehr Einschüchterung und Unterdrückung.
Dazu noch das fürchterliche Erdbeben, das die mörderischen Folgen der Profitgier der Bauunternehmer und der Korruption der staatlichen Behörden und die Verachtung des Regimes für das menschliche Leben offenbarte! Erdogan kann nur darauf setzen, dass viele Betroffene nicht die Möglichkeit haben werden zu wählen.
Um trotzdem wiedergewählt zu werden, ist Erdogan jedes Mittel recht. Er versucht die Religionszugehörigkeiten gegeneinander auszuspielen (sein Gegenkandidat gehört der religiösen Minderheit der Aleviten an). Er verstärkt die Einschüchterung und den Terror gegen seine politischen Gegner, insbesondere in den kurdischen Gebieten. Und abseits der offiziellen Reden lässt man die Drohung verbreiten, dass es Bürgerkrieg geben könnte, sollten Erdogan und die AKP verlieren.
All das soll das Gefühl verstärken, dass es eine „Schicksalswahl“ ist, von der abhängt, wie es in der Türkei weitergeht. Doch damit sich in der Türkei wirklich etwas ändert, wird die arbeitende Bevölkerung sich nicht auf die Wahlen verlassen können – auch nicht auf den Gegenkandidaten Kilicdaroglu, der Erdogan ablösen könnte.
Kilicdaroglu ist der Kandidat eines Bündnisses aus mehreren Parteien. Neben seiner Partei, der nationalistischen CHP, gehören ihm fünf kleinere, rechte Parteien an. Darunter eine islamistische Partei, zwei Abspaltungen von Erdogans Partei AKP (deren Vorsitzende jahrelang Mitstreiter und teilweise Minister von Erdogan waren) und eine Abspaltung der rechtsextremen MHP, hier als Graue Wölfe bekannt. Und nun soll die Bevölkerung darauf vertrauen, dass gerade sie die Rechtsentwicklung und Unterdrückung beenden?
Man braucht nur zu hören, wie Kilicdaroglu im Wahlkampf gegen die Schwächsten und Ärmsten, gegen die Flüchtlinge hetzt. Er erklärt, er werde alle syrischen Flüchtlinge aus dem Land vertreiben und behauptet, dadurch das Leben in der Türkei besser und sicherer zu machen.
Hingegen kommt von ihm kein Wort der Kritik an den Kapitalisten, die die Infla-tion nutzen, um die Löhne zu drücken und sich zu bereichern – und auch kein Wort der Kritik an den internationalen Banken, die die Bevölkerung mit ihren Krediten und hohen Zinsen aussaugen. In dem so dringenden Kampf gegen die rasant wachsende Armut hat die Bevölkerung nichts vom ihm zu erwarten.
Das ist die „Wahl“, vor der die Bevölkerung in der Türkei am 14. Mai steht – umso mehr, da alle linken Parteien, insbesondere die größere kurdische HDP, zugunsten von Kilicdaroglu auf einen eigenen Kandidaten verzichtet haben.
Damit sich für die arbeitende Bevölkerung irgendetwas zum Besseren wendet, wird sie (genau wie wir hier) kämpfen müssen. Auch nach der Wahl hat sie die Mittel dazu – sogar viel mächtigere als ein Stimmzettel: den Kampf in den Betrieben, den Streik.
Die Arbeiterklasse in der Türkei verfügt über eine lange Tradition von Arbeiterkämpfen. Mehr als einmal hat sie damit autoritären Kapitalisten und Regierungen einen Schrecken eingejagt.
Die Wochen des Wahlkampfes haben deutlich gemacht, wie viele die wachsende Armut und Unterdrückung nicht mehr ertragen wollen. Viele, die lange geschwiegen haben, haben geredet.
Und egal wie die Wahl letztlich ausgeht: Dies kann dazu beitragen, dass Arbeiter*innen wieder den Kopf erheben und den Kampf aufnehmen – und der Beginn wirklicher Veränderung sein.
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Sudan: Ein blutiger Machtkampf – gefördert von den USA und der EU
Im Sudan ist ein blutiger Machtkampf zwischen zwei Generälen ausgebrochen. Seitdem lebt die Zivilbevölkerung in der Hölle. Bomben und Kugelhagel terrorisieren und töten sie. Sie können kaum aus dem Haus gehen, um sich etwas zu essen zu besorgen, haben keinen Strom und kein Wasser mehr. Wer irgendwie kann, versucht zu fliehen.
Auf der einen Seite in diesem Machtkampf steht der derzeitige Präsident und Oberbefehlshaber der offiziellen Armee, al-Burhan. Auf der anderen Seite steht der stellvertretende Präsident Daglo, der die „Rapid Support Forces“ (RSF) befehligt – eine paramilitärische Truppe, berüchtigt für ihr blutrünstiges Vorgehen im Südsudan.
Armee und RSF waren schon immer erbitterte Rivalen. Nicht zuletzt, weil jede von ihnen einen Teil der Wirtschaft kontrolliert. Die reguläre Armee hat die Industrie- und Handelsunternehmen in ihrer Hand, die RSF den wichtigsten Rohstoff des Sudans: Gold. Der derzeitige politische Machtkampf ist auch ein Kampf um diese Quellen des Reichtums.
Dennoch waren diese Erz-Rivalen in den letzten Jahren vereint… gegen die Bevölkerung, die 2019 in einer mutigen Revolte den langjährigen Diktator gestürzt und auch anschließend weiter für eine demokratische Regierung und Maßnahmen gegen Armut und Hunger gekämpft hatte. Armee-Generäle und RSF bildeten eine gemeinsame Regierung, um diese Revolte zu beenden, was ihnen jedoch nie vollständig gelungen ist.Die Regierungen der USA und der EU hingegen, die nun erschrocken tun und Krokodilstränen über den Bürgerkrieg vergießen, haben beiden Seiten selber die Waffen und das Geld für das heutige Massaker geliefert.
Die USA haben die sudanesische Armee über Ägypten mit Kampfflugzeugen und anderem Kriegsgerät ausgestattet, um mit ihr einen verlässlichen Verbündeten in dieser rohstoffreichen Region zu haben. Die RSF ihrerseits rüsteten sie über Saudi-Arabien auf, damit diese an ihrer Seite Krieg im Jemen führt.
Die EU war nicht besser. Sie hat der sudanesischen Armee viel Geld dafür gezahlt, dass diese am Horn von Afrika die Flüchtlinge vor allem aus Eritrea mit Waffengewalt davon abhält, nach Europa zu gelangen. Die RSF hingegen hat sie dafür bezahlt, dass sie die Flüchtlinge an der sudanesischen Grenze zu Libyen aufhält – mit denselben blutrünstigen Terrormethoden wie einst im Südsudan. Nun ist es die Bevölkerung im Sudan selber, die in die Flucht getrieben wird.
Einmal mehr haben so die imperialistischen Großmächte, die einzig ihre Interessen in der Region sichern wollen, einen Konflikt verstärkt, der nun die ganze Region zu destabilisieren droht.
Von ihnen ist keine Hilfe zu erwarten. Die arbeitende Bevölkerung des Sudans kann nur auf ihre eigene Kraft setzen, um diese kriminellen Generäle zu vertreiben – so wie sie es 2019 mit dem mächtigen Diktator gemacht hat.