Leitartikel
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Rechtsradikalismus: Die Gefahr lauert im Inneren von Armee und Polizei
Nach Jahrzehnten, wo dies besonders in Deutschland undenkbar schien, haben rechtsradikale Gruppierungen in den letzten Jahren deutlich gemacht, dass sie ihre verbrecherischen Ansichten mit Terror und Gewalt durchsetzen wollen. Einige haben tödliche Anschläge auf eine Synagoge oder muslimische Familien verübt, andere haben Politiker mit Stich- oder Schusswaffen verletzt oder ermordet. Und immer häufiger hört man von geheimen rechtsradikalen Gruppierungen innerhalb von Polizei und Militär.
Nun erfährt man, dass rund 200 rechtsradikale Reichsbürger der „Patriotischen Union“ nichts weniger als einen Putsch geplant haben. Sie wollten eine Diktatur errichten und hatten angefangen, Waffen zu horten, militärische Strukturen aufzubauen und Listen zu erstellen, wer als erstes umgebracht werden soll.
Zu ihnen gehören Unternehmer, Adelige, AfD-Politiker, Richter, aktive und ehemalige hochrangige Bundeswehr-Offiziere und Polizisten. Sie zählen sich also zur „Elite“, kommen aus dem Inneren des Staats-Apparates. Und was das Gefährliche ist: Sie sind dort eben kein „Einzelfall“.
Vor zwei Jahren musste sogar eine ganze Einheit mit 400 KSK-Soldaten aufgelöst werden, weil diese nicht mehr nur offen ihre Bewunderung für Hitler und die Nazis gezeigt, sondern Waffen und Sprengstoff der Bundeswehr für rechtsradikale Anschläge beiseite geschafft hatten. Diese Soldaten wurden allerdings nur auf andere Einheiten verteilt: Sie sind weiter in der Bundeswehr aktiv.
Im Moment wird das Militär mit 100 Milliarden Euro hochgerüstet, angeblich um „unsere Demokratie und Freiheit“ zu verteidigen. Will man uns weismachen, dass solche Truppen von Berufssoldaten dies tun sollen?
Und was ist mit den Polizisten, die sich an den NSU 2.0-Morddrohungen beteiligt oder im Dienst willkürlich Migranten verprügelt haben? Auch diese Polizisten sind fast alle weiter im Dienst.
Auch wenn solche Kräfte den regierenden Parteien Probleme bereiten: Trotz aller gegenteiligen Versprechungen kann und will die herrschende Klasse die Rechtsextremen in ihrem Staatsapparat nicht loswerden. Letztlich brauchen sie sie sogar.
Denn die Aufgabe von Polizei, Justiz und Armee ist, die herrschende Gesellschaftsordnung samt ihren Gesetzen zu verteidigen. Diese Ordnung jedoch beruht grundlegend auf sozialer Ungleichheit, Gewalt gegen Ärmere und letztlich dem Recht der Kapitalisten, ihre Interessen durchzusetzen.
Am Ende besteht ihre Aufgabe darin, den Reichtum der Lebensmittelkonzerne zu beschützen und dafür kleine Ladendiebe zu verfolgen. Sie besteht darin, das Recht der Konzerne zu verteidigen, inklusive ihrem Recht, Arbeitsplätze oder die Umwelt zu zerstören – und dafür notfalls Arbeitende, die ihre Fabrik besetzen oder Umweltschützer, die einen Wald besetzen, mit Gewalt zu vertreiben.
Und wenn wie heute die Zeiten härter werden, dann gehen sie auch härter vor, nehmen immer weniger Rücksicht auf demokratische Rechte. Dafür brauchen die Herrschenden Polizisten und Justiz-Beamte, die diese Vorstellung von „Recht und Ordnung“ nicht hinterfragen.
Und sie brauchen Soldaten, die nicht hinterfragen, ob sie nicht vielleicht nur deshalb Familien im Irak oder in Mali in die Luft sprengen sollen, weil Konzerne sich für die Rohstoffe in dem Land interessieren. Für die Herrschenden ist es lebenswichtig, dass die Soldaten bedingungslos diese Ordnung verteidigen und bereit sind, dafür notfalls auch zu sterben. Sie müssen sich hundertprozentig auf die Armee verlassen können.
Und wenn es wirklich drauf ankommt, wären die Herrschenden und die Rechtsextremen in den entscheidenden Fragen nicht unterschiedlicher Meinung. Deren Ideologie, mit ihrer Verachtung für andere Völker, ihrer Begeisterung für soldatischen Gehorsam, ihrer Verachtung für Arbeiter und Arbeitslose und ihrer Verehrung des kapitalistischen „Recht des Stärkeren“, macht sie für die Herrschenden im Notfall sogar zu sehr guten Verteidigern ihrer kapitalistischen Ordnung. Deshalb hatten die Regierenden auch kein Problem damit, dass ehemalige Nazi-Generäle und -Richter nach 1945 die Polizei, Justiz und Armee der „freiheitlich-demokratischen“ Bundesrepublik aufbauten.
Heute sind Rechtsradikale im Staatsapparat noch eher die Ausnahme. Noch kann die Regierung einzelne verhaften lassen. Und die Vorstellungen und Pläne von solchen rechtsradikalen Reichsbürgern wirken teilweise so absurd und fern der Realität, dass man sie nicht wirklich ernst nimmt.
Doch auch Hitlers Ideologie klang für die meisten anfangs lächerlich, und sein Putsch-Versuch 1923 scheiterte kläglich. Zehn Jahre und eine Weltwirtschaftskrise später lachte keiner mehr.
Denn in ernsthaften wirtschaftlichen Krisenzeiten können sich die rechtsradikalen Monster sehr schnell verselbstständigen – wenn die kapitalistische Klasse sie nicht sogar (wie damals) selber an die Macht holt: Weil sie in großen Krisen die Arbeiterklasse in Armut und Krieg treiben, um weiter Profite zu machen – und in einer harten Diktatur ohne Meinungsfreiheit und Streikrecht, in Einschüchterung und Terror die einzige Chance sehen, dies der Bevölkerung aufzwingen zu können.
Die Herrschenden gehen davon aus, dass ihr System in den kommenden Jahren in eine größere, tiefe Krise schlittern kann. Ihre Reden von einer „Zeitenwende“, von Zeiten „großer Entbehrungen“ und vielleicht sogar Kriegen, zeugen davon. In ihrem Staatsapparat bereiten sie sich darauf vor, und einige zielen schon jetzt darauf ab, uns dies mit diktatorischer Gewalt aufzuzwingen.
Es wird dringend Zeit, dass wir uns auf der anderen Seite ebenfalls vorbereiten.
Internationales
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Iran: Trotz brutaler Unterdrückung geht die Revolte weiter
Auch nach über drei Monaten geht die mutige Revolte der Bevölkerung im Iran weiter: gegen die extreme Unterdrückung, gegen den Terror im Alltag vor allem gegen Frauen, gegen die massive Verarmung, gegen das gesamte diktatorische Regime.
Am Anfang ist vor allem die Jugend auf die Straße gegangen. Mittlerweile unterstützen sie immer breitere Gruppen der Bevölkerung. Anfang Dezember gab es zum zweiten Mal einen dreitägigen Streik, an dem sich Arbeiter*innen in Raffinerien, Stahlwerken, Zuckerfabriken und anderen Betrieben beteiligten. In dutzenden Städten blieben die Geschäfte geschlossen.
Als Antwort auf die Ausweitung der Bewegung hat das iranische Regime mehrere Teilnehmer*innen der Proteste hinrichten lassen: junge Leute von 23, 24 Jahren. Es ist ein weiterer vergeblicher Versuch, die Bevölkerung einzuschüchtern und die Proteste zu beenden. Ebenso vergeblich sind bislang die durchschaubaren Versuche des Regimes, die Proteste zu beruhigen, indem sie kleinste Reformen wie die Auflösung der verhassten Sittenpolizei versprechen oder „Reform“-Politiker wie den ehemaligen Präsidenten Chatami ins Rennen schicken.
Alle ihre Manöver und erst recht die brutale Repression überzeugen die Protestierenden nur umso mehr davon, dass es notwendig ist den Kampf fortzusetzen: bis zum vollständigen Sturz des Regimes.
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Peru: Massenproteste für die Freilassung des linken Präsidenten
Das Parlament und das Militär in Peru haben den gewählten linken Präsidenten Castillo abgesetzt und ins Gefängnis geworfen. Seitdem gibt es Massenproteste für seine Freilassung. Das Militär geht gewaltsam gegen die Menschen vor. Es hat einen Ausnahmezustand verhängt, die Menschen dürfen sich nicht mehr frei bewegen und versammeln – was diese allerdings bislang nicht daran hindert, trotzdem auf die Straße zu gehen.
Castillo war 2021 gewählt worden – gegen den vorherigen Präsidenten, der für seine Grausamkeit gegenüber den Indios berüchtigt war und dafür, dass westliche Konzerne unter ihm ungehindert die Rohstoffe des Landes plündern durften, während ein Drittel der Bevölkerung in Armut lebt.
Das Parlament wurde jedoch nicht neu gewählt und besteht weiterhin mehrheitlich aus Anhängern des alten Präsidenten: Mitglieder der rechten und rechtsextremen Parteien – weiße Rassisten der privilegierten Schichten – hinter denen auch die Armeeführung und die Unternehmerverbände stehen. Ihnen allen war der neue linke Präsident von vornherein verhasst: ein Lehrer aus einer kleinen Bauernfamilie, halber Indio, der große Streiks geleitet hat. Sie haben ihn bekämpft, ohne dass er überhaupt irgendwelche größeren Reformen gemacht hätte, und haben ihn letztlich wegen angeblicher „Rebellion und Verschwörung“ abgesetzt und eingesperrt.
Castillo ist nicht der erste lateinamerikanische Staatschef, der vorsichtig Reformen im Interesse der armen Bevölkerung verspricht und allein dafür von den Eliten gestürzt wird. Und zwar mit offener Unterstützung der US-Regierung, der alle Mittel recht sind, um die Interessen ihrer Konzerne zu schützen. Auch diesmal hat sowohl die US-Regierung wie die EU die Absetzung Castillos begrüßt und das rechte Parlament ernsthaft dafür gelobt, dass es… „die demokratische Stabilität“ garantiert. Für unsere Regierungen herrscht in einem Land nämlich dann „Demokratie“, wenn die westlichen Konzerne machen können, was sie wollen.
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Von Vietnam bis Deutschland: Wir sind untrennbar verbunden
In Vietnam sind zehntausende Arbeiter*innen entlassen worden, die für Zulieferer der Schuh-, Bekleidungs- und Möbelindustrie in Europa und den USA arbeiten. Über eine halbe Million Arbeiter*innen wurden außerdem die Stunden und damit der Lohn drastisch reduziert. Eine Katastrophe für viele Familien!
Grund ist, dass die Bestellungen aus den USA um über 30%, aus der EU sogar um 60% zurückgegangen sind. Die Arbeiter*innen in Vietnam und wir sind also Opfer derselben Krise: Bei uns schmelzen die Löhne unter der Inflation zusammen. Viele müssen zwei Mal überlegen, bevor sie sich Möbel, Schuhe und Kleidung kaufen. Und in Vietnam führt dieser Rückgang bereits zu Massenentlassungen und Elend.Weltweit haben wir Arbeitenden angesichts der Krise den gleichen und gemeinsamen Kampf: um unser Existenzrecht, unser Recht auf Arbeit und Lohn gegen eine Gesellschaftsordnung zu verteidigen, die die produktive Klasse in den Abgrund stößt, während eine kleine Minderheit megareicher Groß-Kapitalisten sich an Krise und Chaos gigantisch bereichert.
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EU-Parlament: Lobbyisten gibt’s nicht nur für Katar
Vier EU-Abgeordnete sind verhaftet worden, weil sie wohl massenhaft Bestechungsgelder kassiert haben, um für Katar vorteilhafte Resolutionen durchzusetzen. Darunter die Vizepräsidentin Kaili, die Katar ernsthaft als „Vorreiter bei Arbeitsrechten“ gelobt hat!
Viele EU-Politiker empören sich seitdem, wie Katar es denn wagen könne, mit teurem Geld für seine Unternehmen Vorteile erkaufen zu wollen. Deutsche oder französische Unternehmen haben das im EU-Parlament in der Tat nicht nötig.
Ob beim Glyphosat, bei den Abgas-Normen und zahllosen anderen Fragen: Für BASF, Daimler und Co. setzen die EU-Politiker vorteilhafte Gesetze durch, ohne dafür extra bestochen werden zu müssen. -
Großbritannien: Die Streikwelle für höhere Löhne geht weiter
Seit dem Frühjahr streiken in Großbritannien immer und immer wieder hunderttausende Arbeitende mehrere Tage am Stück für höhere Löhne. Auch im Dezember streiken unter anderem Arbeitende der Bahn, der Flughäfen, der Krankenhäuser, der Post und viele mehr.
Die Regierung hetzt seit Monaten gegen die Streikenden. Sie behauptet, diese würden die Bevölkerung „als Geisel“ für ihre egoistischen Forderungen nehmen. Doch die große Mehrheit steht hinter den Streikenden. Sie sind gewohnt, dass die Bahnen auch ohne Streik ständig ausfallen und OPs verschoben werden und freuen sich, dass es diesmal wenigstens aus einem guten Grund passiert: für einen Kampf gegen die Inflation, der alle Arbeitenden betrifft.
Nun will die Regierung sogar Soldaten als Streikbrecher einsetzen. Auch das aber mindert die Entschlossenheit der Streikenden nicht. Fast eine Million Arbeitende streiken in diesen Wochen.
Doch obwohl sie alle höhere Löhne fordern, streikt jede Branche, teilweise jeder Betrieb für sich allein. Die Gewerkschaftsführungen machen keinerlei Anstalten, die Kämpfe zusammenzuführen oder sich auch nur abzusprechen und überall an den gleichen Tagen zu streiken. Sie wollen die gut geölte „Sozialpartnerschaft“ und jahrzehntelange „Verhandlungskultur“ der Tarifverträge nicht zu sehr beschädigen. Und das, obwohl sie Unternehmern und einer Regierung gegenüberstehen, die angesichts der Krise zu keinem Kompromiss bereit sind – und obwohl diese Zersplitterung die Kämpfe bedeutend schwächt.Die Vereinigung der Kämpfe kann daher nur von den Streikenden selber kommen: wenn diese sich dieser Notwendigkeit bewusst werden und entschlossen sind, die künstlich errichteten Schranken zwischen ihnen einzureißen.