Leitartikel
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Öffentlicher Dienst: Verantwortungsbewusst sind diejenigen, die streiken!
Beunruhigend schnell ist jüngst die Zahl derjenigen gestiegen, die an Covid erkranken. Doch glaubt man Regierung und Medien, dann wären daran einzig private Feiern und die „Verantwortungs-losigkeit Einzelner“ Schuld.
Kein Wort darüber, dass es auf Schlachthöfen weiterhin fast wöchentlich Ausbrüche gibt, zum Teil mit hundert infizierten Arbeitern. Dass sich in Betrieben immer wieder ganze Gruppen von Arbeitenden anstecken. Und dass die meisten Infizierten in den ärmeren Stadtteilen leben: Wo viele eng zusammenleben. Und wo viele unter ungeschützten Verhältnissen arbeiten und keine andere Wahl haben, als in überfüllten Bussen zur Arbeit zu fahren.Sie reden nur über unser Privatleben, das in den Augen der Bosse sowieso unwichtig ist. Unser soziales Leben, dass wir Familie und Freunde treffen, all das ist gefährlich. Aber dass wir (für ihre Profite) eng zusammen arbeiten und in vollen Bussen und Bahnen zur Arbeit fahren, das ist völlig in Ordnung.
Ähnlich bei den Schulen. Da wirft die Regierung den Jugendlichen vor, in ihrer Freizeit leichtsinnig zu sein. Aber sie selber zwingt die Jugendlichen täglich, alle Abstands- und Hygieneregeln zu brechen, indem sie sie den ganzen Tag mit 30 Leuten in kleine Klassenräume pfercht!
Zahlreiche Schüler und Lehrkräfte haben sich infiziert, zehntausende mussten in Quarantäne – eine heftige Belastung für Familien und Schulen. Und warum? Weil die Regierung nichts unternommen hat, um zusätzliches Betreuungspersonal einzustellen und zusätzliche Räume für die Schulen in Beschlag zu nehmen. Und vor allem natürlich, weil die Schulen schon seit Jahren kaputtgespart werden, genau wie so viele andere Bereiche des Öffentlichen Dienstes.
Schon in „normalen“ Zeiten ist der Mangel an Personal und Ausstattung hier unerträglich. Doch in Ausnahmesituationen wie jetzt geht es gar nicht mehr.
Viele Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes sind in den letzten Wochen auf die Straße gegangen. Allein in NRW haben über 50.000 gestreikt: für ihre Forderung nach 4,8 Prozent, mindestens aber 150 Euro mehr Lohn im Monat – und für mehr Personal.Die Regierenden haben versucht, Stimmung gegen die Streikenden zu machen: Sie haben sie sogar als „verantwortungslose Egoisten“ beschimpft, die der Bevölkerung in diesen schweren Zeiten Streiks „aufbürden“ würden!
Während der ersten Welle der Pandemie hatten dieselben Regierenden die Busfahrer und Pflegekräfte hochgelobt, weil sie alles am Laufen gehalten haben – mit viel Engagement und Risiken für ihre Gesundheit. Aber wenn dieselben Arbeitenden fordern, dass sie für ihre wichtige Arbeit Löhne bekommen, von denen sie korrekt leben können und genug Personal, um die Arbeit vernünftig erledigen zu können, dann sind sie „verantwortungslose Egoisten“?Arrogant haben die Regierenden den Streikenden erklärt, sie sollten doch froh sein, in der jetzigen Zeit überhaupt ihre Arbeit zu behalten. Und dass wegen der Krise „kein Geld“ für höhere Löhne da wäre. Doch die Streikenden haben gesehen, wie die Regierung gerade hunderte Milliarden Euro für die Bosse von Lufthansa, Adidas, BMW, Deutsche Bank und Co. aus dem Hut gezaubert hat. Für die reichsten Kapitalisten ist Geld wie Heu da – aber für Löhne und Arbeitsplätze nicht?
Unabhängig davon, wie die Auseinandersetzung enden wird, haben die Arbeitenden des Öffentlichen Dienstes schon jetzt einen Sieg errungen, und zwar für uns alle: Sie haben allen gezeigt, dass wir Arbeitenden nicht einfach hinnehmen müssen, dass alle Folgen der Krise auf uns abgewälzt werden. Dass wir unsere Interessen verteidigen müssen und können!
Denn nein, es ist kein unvermeidbares Schicksal, dass hunderttausende Arbeitende in der Krise ohne Arbeit dastehen und in die Armut rutschen. Es ist kein Naturgesetz, dass wir wegen der Krise auf Lohn verzichten müssen – und auch nicht auf Lohnerhöhungen, die wir allein schon brauchen, um die jährlich steigenden Preise auszugleichen.Von den Reichtümern, die die Kapitalisten angehäuft haben, könnte man problemlos alle Arbeitsplätze und Löhne sichern und zusätzliche Stellen im Öffentlichen Dienst schaffen. Allein die drei reichsten Familien hier (die Besitzer von Lidl, die Chemie-Unternehmerfamilie Reimann und die Familie von W. Porsche) besitzen über 80 Milliarden Euro. Und das sind nur drei Familien!
Doch das Gegenteil passiert: Die größten Kapitalisten vergrößern ihr Vermögen in der Krise sogar noch – indem sie die Krise und ihre Folgen für uns alle noch schlimmer machen!Das Verhalten der Kapitalisten, das auf der Profitlogik beruht, kann man mit Fug und Recht als verantwortungslos und egoistisch bezeichnen. Wir Arbeitenden hingegen handeln auch im Interesse der Allgemeinheit, wenn wir für unsere Arbeitsplätze und Löhne kämpfen.
Die Arbeiter bei Continental und Daimler, die mit massiven Warnstreiks gegen die Entlassung tausender Arbeitender und die Schließung ganzer Werke protestiert haben, kämpfen auch im Interesse aller Subfirmen und vieler kleiner Ladenbesitzer der Gegend. Die Streikenden des Öffentlichen Dienstes kämpfen auch im Interesse der gesamten einfachen Bevölkerung, die auf Kliniken, Kitas und Nahverkehr angewiesen ist.
Ja, anders als die Kapitalisten vertreten die Arbeitenden in ihren Kämpfen die Interessen der großen Mehrheit. Und eben deshalb kann nur die arbeitende Klasse – wenn sie sich in größerem Maßstab zu kämpfen entschließt – für die ganze Gesellschaft eine andere Perspektive eröffnen: die einer Gesellschaftsordnung, in der die Allgemeinheit und ihre Interessen in der Wirtschaft entscheiden.
Internationales
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Islamistischer Anschlag in Frankreich: Der Kapitalismus (in der Krise) erzeugt wachsende Barbarei
Am Freitag, den 16. Oktober, hat ein 18jähriger in Conflans (Frankreich) einen Geschichtslehrer hingerichtet: Er hat ihm den Kopf abgeschlagen, weil er in seinem Unterricht über Meinungsfreiheit eine Mohammed-Karikatur gezeigt hatte. Es waren dieselben Karikaturen, die vor fünf Jahren der Anlass für den islamistischen Terroranschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo gewesen waren.
Der junge Mann hat die Tat begangen: Doch seine Hand geführt und ihn bewaffnet haben islamistische Kreise, mit denen er in Kontakt stand und die in den Tagen zuvor bereits eine widerwärtige Hetzkampagne gegen den Lehrer in den sozialen Netzwerken veranstaltet hatten.
Diesen militanten Islamisten geht es nicht nur darum, was in der Schule unterrichtet wird. Sie versuchen mit solchen terroristischen Einschüchterungsmethoden, allen ihre Moral aufzuzwingen – und zwar allen voran den Muslimen selber.
Ja, hauptsächlich richtet sich der Druck der Islamisten gegen die Muslime. Mit Überwachung versuchen sie das Leben der Muslime zu kontrollieren und sie zu zwingen, nach ihren Regeln zu leben. Sie drohen Muslimen, die sich nicht an den Ramadan halten, Alkohol trinken oder kein Kopftuch tragen. Und allen, die sich dem nicht beugen wollen, senden sie mit solchen grausamen Attentaten die Botschaft: „Seht her, das passiert mit denen, die sich uns offen widersetzen.“
Es sind ähnliche Ziele und Methoden, wie sie die rechtsradikalen Gruppen haben. Diese verüben Brandanschläge, schlagen Leute zusammen und ermorden Menschen, einfach weil diese sich ihren nationalistischen und fremdenfeindlichen Ansichten entgegenstellen. Und auch hier gibt es die Brandstifter, die mit Hetze insbesondere in den sozialen Netzwerken das Feuer legen.
Denken wir nur an den Politiker Lübke, der es ‚gewagt‘ hatte, in einer Bürgerversammlung in Hessen Pegida-Anhängern offen entgegenzutreten – und der dafür von einem Rechtsradikalen mit einem Kopfschuss hingerichtet wurde, nachdem die AfD und ihre Anhänger zuvor monatelang in den sozialen Netzwerken gegen ihn gehetzt hatten. Und erinnern wir uns daran, wie die AfD versucht hat, im Internet ein Portal einzurichten, wo Schüler ihre Lehrkräfte öffentlich mit Namen und Schule denunzieren sollten, wenn diese Lehrkräfte zum Beispiel schlecht über die AfD geredet hatten.
Ja, die Rechtsradikalen und die Islamisten sind Zwillinge. Die einen benutzen Nationalismus und die Angst vor Migranten, die anderen die Religion, aber beide mit demselben Ziel: Sie wollen diejenigen beherrschen, die sie für ihre „Glaubensgemeinschaft“, beziehungsweise „Volksgemeinschaft“ halten. Beide sind Todfeinde der Arbeiterinnen und Arbeiter – bereit, für ihre Machtansprüche einen Graben aus Hass und Blut unter uns Arbeitenden zu schaffen. Und beide verstärken sich gegenseitig!
In Frankreich haben nicht nur die Rechtsextremen schon am Tag nach dem islamistischen Anschlag eine Kampagne gegen Flüchtlinge und Muslime begonnen, die sie quasi alle mit islamistischen Terroristen gleichsetzen. Auch die Reden der meisten anderen Parteien waren nicht viel besser, ebenso die Stellungnahmen und ersten Maßnahmen der französischen Regierung. Durch eine solche Politik können sich nur noch mehr muslimische Jugendliche als Ausgestoßene, als Fremde im eigenen Land fühlen. Was keinen weiteren Anschlag verhindern wird, sondern einzig einige weitere Jugendliche in die Arme der Islamisten treiben könnte.
Das Erstarken all dieser reaktionären Kräfte – die rechtsradikalen wie die islamistischen – hat ihre Ursachen in der seit Jahren schlimmer werdenden kapitalistischen Krise: in der Arbeitslosigkeit und Armut, die sie hervorruft.
Die reaktionären Kräfte nutzen politisch aus, dass immer mehr Menschen angesichts der Krise verzweifelt sind und sich allein gelassen fühlen. Der Frust und der Hass, der dadurch hervorgerufen wird, schaffen immer neuen Nährboden für Intoleranz, Individualismus und Gewalt. Und die Politik der Regierungen, die systematisch die Reichen, die Kapitalisten gegen die Arbeitenden unterstützt, verstärkt diese gefährliche Entwicklung.Es gibt nur einen Ausweg aus dieser gefährlichen Spirale. Wenn wir Arbeitenden Schwestern und Brüder bleiben und über Religion und Nationalität hinweg zusammenhalten, um gemeinsam diese Gesellschaftsordnung zu verändern.
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Polen: Eine weitere barbarische Entscheidung gegen Frauen
Das polnische Verfassungsgericht hat entschieden, Abtreibungen selbst dann zu verbieten, wenn der Fötus schwere Missbildungen aufweist. In einem weiteren Land wird damit die Abtreibung praktisch vollständig verboten und verzweifelte Frauen werden so gezwungen, heimlich und illegal abzutreiben – unter zum Teil lebensgefährlichen Bedingungen. Tausende Frauen und Männer gehen seit dem 22. Oktober auf die Straße, um gegen diese mittelalterliche und barbarische Entscheidung zu protestieren.
Der hartnäckige Eifer, mit dem diese extrem konservativen katholischen Kreise – nicht nur in Polen – alle Menschen zwingen wollen, nach ihren rückschrittlichen Glaubensansichten zu leben, ist eine Warnung für uns alle!