Leitartikel
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Die Arbeitenden brauchen ihr eigenes Krisenprogramm
Die Wirtschaftskrise sei „gar nicht so schlimm wie befürchtet“, es gehe „bereits wieder bergauf“, hat CDU-Wirtschaftsminister Altmaier verkündet. Über eine halbe Million Arbeitende, die in kürzester Zeit ihren Job verloren haben, das nennt er „nicht so schlimm“?
Und die Liste der Betriebe, die Entlassungen und massiven Stellenabbau ankündigen, wird jede Woche länger. Ebenso der Betriebe, die obendrein bis zu 20% Lohnkürzungen erpressen, wie bei Bosch, Ryanair, ZF, Lufthansa oder Karstadt. Die Schuldnerberatungen kommen nicht mehr hinterher, weil immer mehr Arbeitende, die arbeitslos geworden, in Kurzarbeit oder selbstständig sind, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Und das nennen sie bergauf gehen?
Bergauf geht es, wenn überhaupt, für die großen Kapitalisten, eben weil sie mit Entlassungen und Lohnkürzungen ihre Profite aufrecht erhalten… und obendrein unfassbare Summen vom Staat kassieren. 130 Milliarden erhalten die Konzerne allein durch das Konjunkturpaket. Von diesem Geld könnte der Staat selber fünf Jahre lang 600.000 (!) Menschen einstellen, um sie in den Altenheimen, Kitas oder Krankenhäusern zu beschäftigen, um bezahlbare Wohnungen zu bauen, um Schulen, Straßen und Brücken zu renovieren, um Busse und Bahnen zu fahren… Auf diese Weise würde das öffentliche Geld wirklich Arbeitsplätze retten und der gesamten Bevölkerung zu Gute kommen.
Stattdessen überweist die Regierung es auf die Konten der Bosse von Lufthansa, Thyssen, Airbus, Adidas, die bereits Dutzende Milliarden besitzen. Die das Geld kassieren – und weiter entlassen.
Und die sogenannten Oppositionsparteien, ob Grüne, FDP oder Linke, machen in den Landesregierungen dieselbe Politik. Sie alle haben zugestimmt, die Öffentlichen Kassen bis auf den letzten Cent zu plündern, um die Profite der Konzerne zu retten.
Entsprechend wissen alle Parteien ganz genau, dass sie lügen, wenn sie derzeit im Kommunalwahlkampf versprechen, nach den Wahlen alles besser zu machen, in den Kitas, beim Nahverkehr… Denn egal welche Partei gewählt wird, ihre Rolle wird darin bestehen, die leeren Kassen zu verwalten, sprich zu sparen und nochmals zu sparen.Die AfD bildet da keine Ausnahme, im Gegenteil: Sie fordert sogar, dass insbesondere die Bosse der Autokonzerne noch mehr Geld geschenkt bekommen sollen. Ja, die AfD tut gerne so, als wäre sie „anders“. Doch wenn es um den Schutz der Profite und die Ausbeutung der Arbeiter geht, ist sie mit den herrschenden Parteien ganz auf einer Linie.
Um sich trotzdem irgendwie abzugrenzen und von sich reden zu machen, macht sich die AfD stattdessen zum politischen Sprachrohr der Anti-Corona-Demos und ihrer Forderung nach einer „Freiheit“, die nichts anderes bedeutet als die Freiheit, andere Menschen anstecken zu dürfen und alle Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu missachten. Warum nicht gleich die Freiheit fordern, über rote Ampeln fahren zu dürfen – gegen die „Verkehrsregel-Diktatur“?
Diese Propaganda ist nicht nur menschenverachtend und rücksichtslos gegenüber den Pflegekräften und allen Krankenhausbeschäftigten. Sie lenkt auch von den wahren Angriffen auf die Arbeitenden ab, gegen die wir uns in der Krise früher oder später werden verteidigen müssen.
Und eins ist sicher: Die Wahlen werden uns dabei nicht helfen. Weder die jetzigen Kommunalwahlen – noch die Bundestagswahlen, für die die großen Parteien gerade ihre Spitzenkandidaten auswählen. Nicht nur, weil alle größeren Parteien letztlich die Interessen einer Minderheit, der kapitalistischen Klasse vertreten. Sondern auch, weil wir die Hauptverantwortlichen für unsere Lage gar nicht wählen dürfen.
Wir wählen nicht die Vorstände und die Kapitalisten, die bei Continental, Karstadt oder Daimler über Entlassungen und Lohnkürzungen entscheiden – und über die Zukunft zahlloser Subfirmen und kleiner Läden gleich mit. Wir wählen auch nicht die Bosse der Lufthansa oder Commerzbank, obwohl diese mit Milliarden öffentlicher Gelder gerettet wurden. Und Arbeitende und Verbraucher dürfen auch nicht die Vorstände und Entscheidungen von Vonovia oder E.ON kontrollieren, die mit ihren steigenden Preisen ganze Familien in den Ruin treiben.Die wichtigsten Entscheidungen über unser Leben – ob wir Arbeit haben, wie viel Lohn und Rente wir bekommen, was für eine Wohnung wir bezahlen können, ob wir uns auf der Arbeit die Gesundheit ruinieren – all diese lebenswichtigen Entscheidungen liegen in den Händen von Leuten, deren Namen wir oft nicht einmal kennen und die wie Diktatoren über die Unternehmen herrschen.
Doch ihre Macht hat eine große Schwachstelle: Sie brauchen uns Arbeiter. Wenn wir die Arbeit gemeinschaftlich niederlegen, halten wir ihre Betriebe und damit ihre Profitmaschinen an. Mit dieser Waffe, mit Streiks und Kämpfen in den Betrieben und über die Betriebe hinweg, kann die arbeitende Klasse gemeinsam ihre Interessen verteidigen.
Für diese Kämpfe brauchen die Arbeitenden ihr eigenes Verteidigungsprogramm. Statt Entlassungen, Lohn-Erpressungen und Plünderungen der Öffentlichen Kassen durch die Kapitalisten: Aufteilung der Arbeit unter allen Arbeitenden ohne Lohnkürzungen! Offenlegung aller Konten der Konzerne, Banken und ihrer Besitzer und ihre Kontrolle durch die Arbeitenden!
Und es ist lebenswichtig, dass sich in der Arbeiterklasse wieder Frauen und Männer finden, die eine unabhängige Arbeiterpartei aufbauen und in den Betrieben, den Arbeiterstadtteilen und auch bei Wahlen solche Perspektiven verteidigen und verbreiten.
Internationales
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Weißrussland: Eine wichtige Lehre für die arbeitende Klasse
Noch immer gehen in Weißrussland an den Wochenenden Zehntausende auf die Straße – trotz der Einschüchterungen und der Repression seitens der Regierung. Empört über den offensichtlichen Wahlbetrug, verlangen sie den Rücktritt des Präsidenten Lukaschenko, der seit 26 Jahren an der Macht ist.
Das Prägendste der Bewegung war das plötzliche Eingreifen der Arbeiterklasse. Aus Solidarität mit den Protestierenden und aus Empörung über die brutale Gewalt, mit der der Präsident gegen sie vorging, traten sie in den Streik, in der Autoindustrie, der Chemie, den Bergwerken, der Bauwirtschaft. Arbeiter aus großen Betrieben mit 10-20.000 Arbeitern (ein Erbe der Sowjetzeit) traten auf den Demonstrationen mit beeindruckenden Blöcken auf, stimmten auf Vollversammlungen über den Streik ab und wählten zum Teil ihre eigenen Streikkomitees.
Diese streikenden Arbeiter, die ganze Teile der Wirtschaft lahmlegten und eine organisierte Kraft darstellten, stellten eine viel größere Macht und damit eine viel größere Gefahr für die Regierung dar als die vorherigen Demonstrationen. Entsprechend hat auch Präsident Lukaschenko seine ganze Kraft zunächst gegen die Streiks gerichtet: Die Streikleitungen wurden entlassen, die aktivsten Streikenden verhaftet, manche gefoltert. Dutzende Streikende wurden entführt und tot wieder aufgefunden.
All dies hat dazu beigetragen, einen Teil der Arbeiter einzuschüchtern. Doch dass die Streikwelle nach und nach wieder abgeebbte, hat auch eine tieferliegende, soziale Ursache: nämlich, dass die Arbeitenden sich in der politischen Opposition, die bei den Wahlen gegen Lukaschenko kandidiert hatte und seitdem die Protestbewegung anführt, weder sozial noch politisch wiederfinden können.
Diese politische Opposition besteht aus Diplomaten, Juristen, Besitzern von Start Up-Unternehmen… aus bessergestellten Kleinbürgern, deren Hauptanliegen eine noch „marktwirtschaftlichere“ Ausrichtung der Wirtschaft ist, von der sich das Kleinbürgertum einen sozialen Aufstieg verspricht. Die Arbeiter hingegen fühlen, dass sie der große Verlierer einer solchen Entwicklung wären. Und dies dämpft die Lust, für eine solche Perspektive seinen Arbeitsplatz und seine Haut zu riskieren.
Auch wenn die politische Opposition über Lukaschenko siegen sollte: Mit ihr würde sich bestenfalls die Fassade ändern. Hinter der Fassade würde die alte Ausbeutung, wahrscheinlich noch schlimmer, weitergehen. Eine grundlegendere Änderung der Verhältnisse kann nur die Arbeiterklasse erkämpfen, die als einzige sowohl die gesellschaftliche Kraft als auch ein soziales Interesse an einer grundlegenderen Veränderung der Gesellschaft hat.
Doch dafür ist es notwendig, dass die Arbeiterklasse mit ihrem eigenen politischen Programm in die Geschehnisse eingreift, als vom Bürgertum unabhängige gesellschaftliche Kraft. Eben deshalb ist es so wichtig, wieder Arbeiterparteien aufzubauen, die ein solches Programm und eine unabhängige Organisierung der Arbeitenden verteidigen. -
Griechenland-Türkei: Eine gefährliche Eskalation im Kampf um Gas und Öl
Die Auseinandersetzung zwischen Griechenland und der Türkei um die Frage, wem die neuen Erdgas-Funde im östlichen Mittelmeer gehören, schaukelt sich immer weiter hoch.
Seit mehreren Wochen schickt die türkische Regierung Forschungsschiffe aus, die – eskortiert von Militärschiffen – Probebohrungen im Mittelmeer machen. Diese Ausflüge sollen der ganzen Welt (und vor allem der eigenen Bevölkerung) signalisieren, dass Erdogan sich das Recht nehmen wird, dieses Gas zu fördern.
Doch auch Griechenland hat nicht vor, auf diesen Schatz zu verzichten. Und so hat es ebenfalls Kriegsschiffe in die Gegend geschickt. Griechenland hat obendrein bereits ein Abkommen geschlossen, das dem französischen Total-Konzern und dem italienischen ENI-Konzern die Rechte an der Gasförderung zusichert. Und als willige Helfershelfer ihrer Konzerne haben auch Frankreich und Italien prompt Kriegsschiffe und Kampfjets vor der türkischen Küste aufziehen lassen.Schon seit Jahrzehnten herrscht Streit darum, wem dieses Gebiet im östlichen Mittelmeer zusteht. Denn einerseits liegt es ganz in der Nähe des türkischen Festlands. Andererseits jedoch befinden sich dort auch griechische Inseln, weshalb Griechenland das Gebiet mit Berufung auf das internationale Seerecht für sich beansprucht. Die jüngsten Erdgas-Funde haben diesen Streit erneut angefacht. Hinzu kommt, dass Erdogan mit diesem weiteren nationalistischen Säbelrasseln von den immer schlimmeren Folgen der Wirtschaftskrise im eigenen Land ablenken will, durch die er selber immer stärker unter Druck gerät. Beim griechischen Staat ist es nicht viel anders. Dieser wird obendrein von den französischen und italienischen Ölkonzernen getrieben, die gerade in der heutigen Krisenzeit nicht auf eine neue Profitquelle verzichten wollen.
Noch beschränken sich beide Seiten darauf, mit kriegerischen Reden und Militärübungen die Muskeln spielen zu lassen. Doch auch diese Eskalation macht deutlich, wie sehr mit der Verschärfung der kapitalistischen Krise die Gefahr von Kriegen wächst – auch vor unserer Haustür.
Die Herrschenden zetteln Kriege an, die wir Arbeitenden dann mit unserem Geld, ja unserem Blut bezahlen müssen. Ob Griechen, Türken oder Deutsche: Lassen wir uns nicht in ihren Machenschaften hineinziehen!