Leitartikel
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Ihre Freiheit ist die Freiheit, uns auszubeuten und krank zu machen
Gut 1.000 Arbeiter der Fleischindustrie sind an Covid-19 erkrankt, dutzende mussten ins Krankenhaus: Weil sie mitten in Deutschland zu Bedingungen arbeiten müssen, die an die Dritte Welt erinnern!
Zehntausende, vorwiegend osteuropäische Arbeiter schuften hier teils 16 Stunden lang, zu Niedrigstlöhnen mit einer Matratze zum Schlafen in einer überfüllten Gemeinschaftsunterkunft. Wen wundert es, dass sich so auch das Virus stark verbreiten konnte!
Deutsche Fleischkonzerne wie Tönnies oder Westfleisch und Supermarktketten wie Lidl oder Kaufland verdienen an dieser Ausbeutung Milliarden. Und es gehört eine gehörige Portion Heuchelei dazu, wenn die Regierung jetzt so tut, als wolle sie ernsthaft etwas ändern. Nein, hinter der Fassade einiger schön klingender Maßnahmen wird die Regierung genau das tun, was sie in all den letzten Jahren getan hat: Die Augen schließen und die deutschen Konzerne heimlich darin unterstützen, aus der Not der Arbeitenden Gewinn zu schlagen.
Wenn die Arbeitenden der Fleischfabriken auch besonders hart getroffen sind, so sind sie nicht die einzigen, unter denen das Virus weiter zuschlägt. Zwar verbreitet es sich nicht mehr so unkontrolliert, dafür trifft es umso gezielter die Arbeiter, die ihm am ungeschütztesten ausgeliefert werden: Osteuropäische Arbeitskolonnen auf Baustellen, in der Landwirtschaft und Industriereinigung. Prekäre Arbeiter in Lagern und Paketdiensten. Bewohner überbelegter Armutshäuser und Flüchtlingsheime.Genau wie im Rest der Welt sind die ärmsten Teile der Arbeiterklasse, die ohnehin schon die härtesten und schlecht bezahltesten Arbeiten machen, auch am schlimmsten von der Pandemie betroffen – zusammen mit den Patienten und Beschäftigten der Pflegeheime und Krankenhäuser.
Diejenigen, die auf Demos derzeit die Aufhebung der letzten Schutzmaßnahmen fordern – ohne deren Einführung zehntausende Menschen allein in Deutschland gestorben wären – fordern deshalb nichts anderes als das Recht, die Alten, Kranken, Pflegekräfte und ärmsten Teile der Arbeiterklasse noch mehr in Gefahr zu bringen: nur um ihre persönlichen Interessen, ihre „Freiheit“ ausleben zu dürfen. Ob bewusst oder nicht verkörpern diese Demos wirklich die Eigenschaften, auf denen der Kapitalismus beruht: Individualismus, das Recht des Stärkeren und tiefe soziale Verachtung.Deswegen kann die AfD diese Demos auch so nutzen und mit ihnen politischen Druck ausüben. Sie vertritt in der Krise genau das: den aggressiven Flügel des Groß- und Kleinbürgertums, der offen die „Freiheit“ fordert, für seine persönlichen Profite all denen skrupellos zu schaden, die keine Freiheit haben zu wählen: die gezwungen sind, arbeiten zu gehen und ihre Haut zu riskieren, um zu leben – und die dabei die Gesellschaft für alle am Laufen halten.
Genau durch diese Rolle in der Gesellschaft aber, die völlig entgegengesetzt ist zu der der Kapitalisten, halten die Arbeitenden einen Gegenentwurf zu dieser kaputten, auf Individualismus und Profitgier basierenden kapitalistischen Gesellschaft in den Händen: nämlich die Wirtschaft und Gesellschaft gemeinschaftlich und nach den Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung zu organisieren.
Internationales
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Indien: Angriffe der Regierung – und Wutausbrüche der Arbeiter
Der Artikel ist eine Zusammenfassung eines Artikels unserer englischen Genossen von Workers Fight in ihrer gleichnamigen Zeitung vom 14. Mai 2020.
Hunderte Millionen Arbeitende in Indien sind durch das Virus und die Art und Weise, wie Kapitalisten und Regierung damit umgehen, in eine verzweifelte Lage geraten. Seit zwei Monaten haben sie keinen Cent Lohn bekommen. Aufgrund der Ausgangssperre und weil die Regierung den Zugverkehr eingestellt hat, sind noch immer über 100 Millionen Wanderarbeiter, die auf dem Land leben und zum Arbeiten in die Stadt kommen, in den Städten gefangen – hunderte Kilometer von ihren Familien und Dörfern entfernt, wo es für sie wenigstens etwas zu essen gäbe!
Und nun will die Regierung diese Krise als „Gelegenheit nutzen“ (wie es Premierminister Modi zynisch erklärt hat), um viele der ohnehin nicht sehr zahlreichen Rechte der Arbeiter abzuschaffen. Fünf Bundesstaaten haben bereits die legale Arbeitszeit von 8 auf 12 Stunden erhöht. Im Bundesstaat Gujarat wird über das Verbot von Gewerkschaftsgründungen diskutiert. Und die Regierung des Bundesstaats Uttar Pradesh hat bereits für die nächsten drei Jahre 35 der 38 Gesetze des Arbeitsrechts außer Kraft gesetzt!
Während des ganzen Monats ist es trotz Ausgangssperre immer wieder zu spontanen Protesten gekommen. Um den Druck zu verringern, hat Modi den Arbeitern erlaubt, ab dem 3.Mai wieder zu ihren Familien aufs Land zu fahren und hat versprochen, Züge dafür bereit zu stellen. Doch natürlich gibt es viel zu wenig Züge.
Und vor allem versuchen die Kapitalisten dies zu verhindern. Sie haben Sorge, dass sie nun – wo trotz weiterhin hoher Ansteckungsgefahr die Wirtschaft wieder hochgefahren werden soll – nicht genug Arbeitskräfte haben. Ja, der Unternehmerverband der Industrie hat sogar gefordert, dass die Arbeiter per Gesetz gezwungen werden sollen, zu ihrer Arbeitsstelle zurückzukehren und zu arbeiten.In zahlreichen Industriedistrikten hat diese Politik zwischen dem 2. und 4. Mai in der Arbeiterklasse zu Wutausbrüchen geführt. Besonders massiv waren sie im Bundesstaat Gujarat.
In der Stadt Surat zum Beispiel haben sich tausende Arbeiter versammelt und gefordert, dass sie zu ihren Familien zurückgebracht und nicht gezwungen werden, zu arbeiten. Sie haben die Scheiben der neuen Diamantbörse eingeschlagen, die gerade gebaut wird. In Rajasthan haben 2 500 Arbeiter einer Zementfabrik in ihrer Wut die Fabrik verwüstet und sich gegen die anrückende Polizei mit Steinen verteidigt. Auch in zahlreichen anderen Städten wie Bangalore, Hyderabad, Madhya Pradesh, Delhi und Jammu, kam es zu Protesten.Die kapitalistische Klasse ist gnadenlos bei ihren Angriffen. Und wer Wind säht, wird Sturm ernten.