Leitartikel
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Die Migranten sind unsere Klassenbrüder und -schwestern!
Über 15.000 Flüchtlinge sind in den letzten fünf Jahren im Mittelmeer ertrunken. Das Mittelmeer hat sich in einen Friedhof verwandelt – den größten und schändlichsten Europas!
Und es gäbe noch viel mehr Tote, wenn Hilfsorganisationen nicht einen Teil der auf dem Meer treibenden Flüchtlinge rechtzeitig finden würden. Doch deren völlig überfüllte Rettungsboote irren nun wochenlang über das Mittelmeer: Weil kaum ein europäisches Land die Geretteten freiwillig aufnimmt. Und weil die italienische Regierung sie mittlerweile sogar mit Polizeischiffen daran hindert, in einen ihrer Häfen einzulaufen.Die 31jährige Kapitänin Rackete hatte diese Situation nicht mehr ertragen. Nach 16 Tagen Irrfahrt hat sie schließlich die Polizeisperre durchbrochen, um die völlig erschöpften und verzweifelten Menschen endlich an Land zu bringen. „Die Verantwortungslosigkeit der europäischen Staaten hat mich gezwungen, so zu handeln“, stellt sie wütend fest.
Für diesen mutigen Akt der Menschlichkeit wollte der rechtsextreme italienische Innenminister Salvini sie 10 Jahre ins Gefängnis bringen! In den Medien und sozialen Netzwerken hat er zu einer regelrechten Hexenjagd gegen sie getrommelt. Ja, wir sind auf dem Weg in eine Gesellschaft, wo es gegen das Gesetz verstößt, Migranten in Not zu helfen. Die Passagiere einer gekenterten arabischen Luxusjacht hingegen würde Salvini nicht ertrinken lassen.
Zum Glück gibt es viele Menschen, die dem nicht schweigend zuschauen. In Italien haben tausende Menschen protestiert und 430.000 Euro zu Racketes Unterstützung gesammelt.
In Deutschland gab es ebenfalls eine Welle der Solidarität. Und letzten Samstag gingen zehntausende in vielen deutschen Städten auf die Straße, um gegen die Kriminalisierung aller Rettungsaktionen zu demonstrieren und dafür, dass die europäischen Staaten alle Flüchtlinge aufnehmen.
Wenn es nach rechtsextremen Politikern wie Salvini oder der AfD geht, dann soll man die Migranten ertrinken lassen! Oder sie nach Libyen oder Tunesien zurückschicken, was quasi auf dasselbe rauskommt. Denn wenn sie nicht in den grausamen Flüchtlingslagern Libyens zugrunde gehen, werden sie die Überfahrt wieder und wieder versuchen, bis sie es schaffen – oder sterben.
Dies lässt ermessen, welche Verzweiflung sie antreibt! Der Kapitalismus ist in einem Zustand des Verfalls: Er lässt immer größere Teile der Welt in dauerhaftem Krieg oder solch hoffnungslosem Elend versinken, dass Menschen lieber wiederholt ihr Leben riskieren, als dorthin zurückzukehren.Ein regelrechter Krieg aber hat begonnen, um die Flüchtlinge mit allen Mitteln daran zu hindern, bis nach Europa oder in die USA zu gelangen. Immer mehr gefährliche Grenzen und Stacheldraht überziehen den Planeten. Und diesen Krieg führen nicht nur ein Trump in den USA, nicht nur rechtsextreme Regierungen wie in Ungarn oder Italien, sondern auch die sich ach so menschenfreundlich gebenden Staaten wie Frankreich und Deutschland.
18 diktatorische Regime insbesondere in Afrika werden von der EU dafür bezahlt, die Flüchtlinge aufzuhalten – egal mit welchen Methoden, selbst wenn sie sie foltern und als Sklaven verkaufen. Ja, selbst wenn in diesen Ländern selber Krieg herrscht und die Flüchtlingslager bombardiert werden, wie in Libyen.
Und alle EU-Staaten sind sich einig darin, die EU-Außengrenze immer mehr in Todesfallen zu verwandeln… für die Wenigen, die es trotz allem bis aufs Mittelmeer schaffen: Die Europäische Küstenwache wird zu einer 10.000 Mann-starken Armee umgebaut, die die Flüchtlinge in die Hölle nach Libyen oder Tunesien zurücktreiben soll.
Die Regierungen versuchen uns einzureden, sie würden diesen Krieg gegen die Ärmsten zu unserem Schutz führen. Sie sagen: „Wir können schließlich nicht das ganze Elend der Welt bei uns aufnehmen.“ Doch das Elend kommt nicht von außen!
Die viele Armut, die es bei uns in Deutschland gibt, haben nicht die Migranten ins Land gebracht – sondern unsere heimischen Kapitalisten: Indem sie immer wieder Tausende in die Arbeitslosigkeit drängen, wie gerade erst wieder Kaufhof, BASF, Ford oder die Deutsche Bank. Und indem sie, um ihre Profite zu steigern, bedeutende Teile der Arbeiter in Niedriglohn- und Teilzeitjobs gezwungen haben.
Die Regierungen haben mit den Hartz-Gesetzen, der Rente mit 67 und all den Einsparungen in Kliniken, Schulen und bei sozialen Unterstützungsmaßnahmen die Armut ebenfalls vergrößert.Ganz gleich was an den Grenzen passiert, unsere eigenen Kapitalisten und Regierungen werden uns weiter angreifen, werden die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandertreiben.
Die Konzerne und Regierungen der reichen Staaten – und ihr krisenhafter, verfaulter Kapitalismus – sind für die Armut bei uns verantwortlich. Und dieselben sind auch für die Ausplünderung der ärmeren Staaten verantwortlich, für das Elend und die Kriege, die Millionen Männer, Frauen und Kinder in die Flucht treiben.Wir können nicht verhindern, dass uns die Armutsspirale immer weiter bergab zieht, wenn es uns nicht gelingt, uns (Deutschen und Migranten) gemeinsam Gehör zu verschaffen und gegen unsere Ausbeuter unser aller Recht auf ein würdiges Leben durchzusetzen.
Für die volle Bewegungsfreiheit und das Bleiberecht der Migranten einzutreten, ist ein Akt elementarer Menschlichkeit. Und es ist auch ein Ausdruck von Klassenbewusstsein. Arbeiter, egal woher wir kommen, unser aller Schicksal ist untrennbar miteinander verbunden!
Internationales
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Griechenland: Tsipras wird abgestraft für seine Unterordnung unter das Kapital
In Griechenland hat die konservative Partei die Parlamentswahlen gewonnen. Premierminister Tsipras und seine Syriza-Partei mussten abtreten. Das ist das Ergebnis einer Regierung, in die die einfache Bevölkerung vor wenigen Jahren noch so viel Hoffnung gesetzt hatte.
Als Tsipras 2015 an die Macht kam, war die griechische Bevölkerung ausgeblutet: Eine Spirale aus Überschuldung und Spekulationen – an denen die europäischen Banken kräftig verdient hatten – hatte den griechischen Staat 2010 in den Bankrott getrieben. Er wurde unter Vormundschaft gestellt: Die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds zwangen die griechische Regierung, drastische Sparpläne umzusetzen: Die einfache Bevölkerung musste für die Schulden bezahlen, für die sie nicht verantwortlich war!Die Folgen dieser Sparpläne, die sowohl die konservative wie die sozialdemokratische Partei durchführten, waren dramatisch: Die Arbeitslosigkeit vervierfachte sich, während die Löhne halbiert wurden. Die Krankenhäuser verfielen, zahllose Menschen verloren ihre Wohnung.
Nach fünf Jahren konnte die Bevölkerung nicht mehr: Bei den Wahlen setzte sie ihre Hoffnungen auf eine neue Partei – Syriza – die vorgab, sich den Erpressungen der Banken und den mächtigen Staaten der EU entgegenzustellen und die unerträgliche Sparpolitik zu beenden.
Im Januar 2015 wurde Syriza mit 36% der Stimmen gewählt, und Tsipras wurde Premierminister. Fünf Monate lang weigerte er sich, noch weiter bei Renten, Löhnen und im Öffentlichen Dienst zu sparen, wie es EU und Banken verlangten. Noch Anfang Juli 2015 organisierte er sogar eine Volksabstimmung zu dieser Frage, bei der mehr als 60% der Bevölkerung sich hinter ihn stellten.Doch Tspiras einzige Perspektive bestand darin, mit den Staats- und Bankchefs über Finanzpläne zu verhandeln. Nie hat er versucht, sich auf Kämpfe der Arbeitenden zu stützen, um die Sparpläne zu verhindern. Und damit war er von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Denn die großen Banken und EU-Staaten waren nicht bereit, ihm auch nur das kleinste Zugeständnis zu machen. Im Gegenteil, sie wollten an Griechenland ein Exempel statuieren, dass kein Land es wagen sollte, sich den Forderungen der großen Banken und imperialistischen Staaten zu widersetzen.
Daher drehten die Banken und Staaten Griechenland den Kredithahn zu. Und nur acht Tage nach der Volksabstimmung gab Tsipras klein bei. Trotz Protesten der Arbeiter stimmte er weiteren Sparplänen und weiteren Entbehrungen für die einfache Bevölkerung zu.Nachdem Tsipras so viele Hoffnungen und Illusionen geschürt hatte, wundert es nicht, dass den griechischen Arbeitern die Sparpläne nach Syriza-Art im Hals stecken blieben. Dies hat die konservative Partei heute wieder an die Macht gebracht.
Diese wird nicht nur die Sparpläne fortsetzen und verschlimmern. Sie wird der Regierung obendrein auf vielen weiteren Ebenen einen reaktionären Charakter verleihen.Für uns Arbeiter enthält die Entwicklung in Griechenland zwei wichtige Lehren: Nämlich dass wir nicht darauf hoffen können, dass ein Politiker uns rettet. Und dass alle, die sich der Macht der Banken und des Geldes entgegenzustellen vorgeben, ohne die Wurzeln der kapitalistischen Macht anzugreifen, letztlich selber zu Dienern der Banken und des Großkapitals werden.
Unsere einzige Perspektive besteht darin, selber für unsere Interessen zu kämpfen und den Kampf irgendwann bis zum Ende zu führen, bis zur Enteignung der großen Banken und Konzerne.
(nach einem Artikel unserer französischen Genossen von Lutte Ouvrière vom 8. Juli 2019)
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Eine sehr bittere Schokolade
Auf den Nussplantagen in der Türkei, wo die Nüsse für Nutella und andere Produkte der Lebensmittelkonzerne angebaut werden, werden syrische Flüchtlinge unter den schlimmsten Bedingungen ausgebeutet: Sie erhalten erbärmliche Löhne, werden von „Arbeitsvermittlern“, wie sich diese Menschenhändler nennen, erpresst und ausgenommen. Arbeitsgesetze? Fehlanzeige! Selbst Kinderarbeit ist auf den Plantagen Alltag.
Nachdem die EU alles dafür getan hat, die Flüchtlinge, die nach Europa wollten, in der Türkei (und später in Libyen) festzuhalten, sind sie dort Opfer von Menschenhändlern – die letztlich die schmutzige Arbeit für die großen Marken Nestlé, Ferrero und Godiva machen. So machen sich die großen Konzerne das Elend der Flüchtlinge zu Nutze, die vor den Mauern der „Festung Europa“ gestrandet sind.