Leitartikel
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Proteste weltweit: für die Rechte der Frauen!
Am internationalen Frauentag, sind Millionen Frauen – und auch Männer – auf die Straße gegangen, von Spanien über Istanbul bis Algerien, Kenia und Indien.
In Spanien haben sechs Millionen Frauen gestreikt: Gegen Niedriglöhne und Teilzeitjobs, die vor allem Frauen treffen. Und gegen die verbreitete sexuelle Belästigung vor allem durch Chefs. In Brasilien sind viele tausend gegen den neuen rechten Präsidenten auf die Straße gegangen, der – wie Trump in den USA – offen frauenverachtend auftritt, Vergewaltigung als Kavaliersdelikt bezeichnet und damit regelrecht zur Gewalt gegen Frauen ermuntert!Auch in Deutschland sind zum ersten Mal seit Jahren Zehntausende für die Rechte der Frauen auf die Straße gegangen. Selbst hier, in einem der reichsten Länder, wird die Lage der Frauen schlechter. Zwar werden Frauen Ministerin und Kanzlerin. Doch jede dritte Frau erlebt körperliche Gewalt, meist durch den Partner oder nahe Bekannte – während die Mittel für Frauenhäuser oder Beratungsstellen gekürzt werden.
Frauen sind von den Angriffen der Kapitalisten besonders stark betroffen. Bei ihnen wurden die meisten festen Vollzeitarbeitsplätze und Tariflöhne zerstört.
Vor zwanzig Jahren haben noch 70% der Frauen in Vollzeitjobs gearbeitet. Heute hingegen arbeiten fast 50% der Frauen in Teilzeit oder Minijobs.Auch die extrem kurzfristig wechselnden oder auf morgens und abends verteilten Arbeitszeiten werden am häufigsten Frauen aufgezwungen: in Läden, Reinigungsfirmen oder ambulanten Pflegediensten… Ganz zu schweigen von denen, die zwei oder drei Minijobs an einem Tag machen.
Über 60% der Frauen verdienen weniger als 1.500 Euro netto im Monat. Kein Wunder, dass viele alleinerziehende Mütter in Armut leben. Kein Wunder, dass ganz besonders Frauen von den Armutsrenten betroffen sind.
In der Diskussion um die Grundrente hat die CDU-Spitze erklärt, Niedrigrenten wären für die meisten Frauen gar kein Problem, weil „der Ehemann ja genug Rente“ hätte. Die AfD findet gar, die meisten Alleinerziehenden wären an ihrer Armut selber schuld, weil sie aus „egoistischen“ Gründen ihren Mann verlassen hätten! Nach ihrer Logik sind nicht die Kapitalisten das Problem, die den Frauen Niedriglöhne zahlen – sondern die Frauen, die die Frechheit besitzen, von ihrem Lohn und ihrer Rente selbstständig leben zu wollen.In Wahrheit ist die heutige Arbeitssituation vieler Frauen die Zukunft, die sie für alle Arbeiter planen, auch für die Männer. Doch es ist schwer, Verschlechterungen für alle Arbeitenden gleichzeitig durchzusetzen. Deshalb braucht der Kapitalismus zwingend die Ungleichheit – und Ideologien und Parteien, die diese Ungleichheit rechtfertigen.
Auch deshalb hat die Arbeiterbewegung von Anfang an für Gleichberechtigung gekämpft. Sozialistische Parteien und Gewerkschaften haben als erste und einzige konsequent dafür gekämpft, dass Frauen und Männer gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen erhalten, ebenso gleiche politische Rechte. Sie waren der Überzeugung, dass Arbeiterinnen wie Arbeiter nur eine Chance haben, wenn sie zusammen kämpfen: für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung für alle.
Auch das Wahlrecht haben die Frauen in Deutschland durch diesen Kampf bekommen: durch eine Revolution der Arbeiterinnen und Arbeiter, die 1918 den Kaiser stürzten, den 1. Weltkrieg beendeten und eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung errichten wollten. Und dazu gehörten gleiche Rechte für Frauen. Obwohl sie scheiterte, brachte die revolutionäre Welle, die ausgehend von Russland durch halb Europa ging, den Frauen in wenigen Jahren mehr Fortschritte als in Jahrzehnten davor und danach.
Erst als ab den 1960er Jahren die Jugend und viele Unterdrückte erneut die Gesellschaftsordnung in Frage stellten, konnten auch Frauen weltweit erneut deutlich mehr Rechte erkämpfen. Erst seit dieser Zeit darf eine Frau in Deutschland ohne Erlaubnis ihres Mannes arbeiten. Und erst seitdem darf sie selber entscheiden, ob und wann sie Kinder bekommt.In den letzten Jahrzehnten jedoch, wo den Arbeitenden vieles Erkämpfte wieder weggenommen wird, geht es auch und besonders schnell für die Frauen in der Arbeiterklasse wieder rückwärts.
Wachsende Teile der Welt verelenden oder versinken im Dauerkrieg – mit all den Folgen, die Not, Verrohung und bewaffnete Männerbanden für die Frauen haben! Und weltweit werden mit der Krise rückschrittliche Kräfte stärker, die die Rechte der Frauen in Frage stellen.In vielen Ländern (auch Deutschland) üben rechte, religiöse Kräfte Druck auf Ärzte und Frauen aus, die abtreiben möchten. In Argentinien haben Kirche und Behörden jetzt sogar ein 11jähriges Mädchen, das vergewaltigt wurde, an einer Abtreibung gehindert! In Italien will die rechtsextreme Regierungspartei das Recht auf Scheidung einschränken.
Und reden wir gar nicht erst von den Regimen, die auf dem Nährboden von Elend und Krieg in einer Reihe Länder die Macht erobern, indem sie im Namen einer mittelalterlichen religiösen Ideologie alle und vor allem Frauen terrorisieren und ihnen alle Rechte rauben.Der Kapitalismus, der sich in seiner tiefen Krise nur noch um den Preis wachsender Armut, Verrohung, Krieg und rückschrittlicher Regime hält, kann die Lage der Frauen nur verschlechtern. Für sie wie die gesamte Arbeiterklasse bleibt weiterhin ein Weg: sich wehren und letztlich diesem Gesellschaftssystem ein Ende setzen. Und die Frauen, die sich heute gegen ihre Entrechtung wehren, können dabei auch anderen Hoffnung und Mut geben!
Internationales
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Algerien: Nach dem ersten Etappensieg gehen die Massenproteste weiter
Der Verzicht von Präsident Bouteflika auf eine fünfte Amtszeit ist ein erster Sieg der Massenproteste in Algerien: Das Regime hoffte, damit die Proteste im Land zu beenden. Doch schon am Tag danach gingen sie weiter. Und am Freitag, den 15. März, zogen erneut Hunderttausende durch die Straßen.
In der Tat wurde zwar verkündet, dass Bouteflika nach 20 Jahren an der Macht nicht erneut kandidiert. Aber gleichzeitig wurden die Präsidentschaftswahlen, die im April stattfinden sollten, auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Plan ist wohl, dass Bouteflika lange genug an der Macht bleibt, bis sich die herrschende Clique auf einen neuen Kandidaten geeinigt hat, der dafür sorgt, dass die reichen Geschäftsleute und Politiker hinter Bouteflika weiter am Futtertrog der Macht bleiben.
Vielen Demonstranten ist bewusst, dass es nichts bringt, nur den Mann an der Spitze auszutauschen. Einer der beliebtesten Slogans ist: „System, hau ab!“ Was meinen sie damit? Das politische System, das wirtschaftliche System? Die Hoffnungen und Ziele sind sehr unterschiedlich, je nachdem, welche gesellschaftliche und politische Gruppe die Forderung stellt.
Welche Perspektive gibt es in diesem Kampf für die arbeitende Bevölkerung? Wir veröffentlichen hierzu Auszüge aus Artikeln unserer französischen Genossen von Lutte Ouvrière vom 13.3.2019.Noch nie haben so viele Algerier, insbesondere Frauen, ihre Wut herausgeschrien wie am 8. März, dem dritten Freitag, an dem die Massen ihre Wut auf die Straße getragen haben. Die Bevölkerung konnte das Schauspiel nicht mehr ertragen, dass ein alter Mann, der seit seinem Schlaganfall zu Nichts mehr in der Lage ist, an der Spitze des Staates gehalten wird, damit sich hinter den Kulissen die reichen Geschäftemacher aus seinem Umfeld weiter die Reichtümer des Landes unter den Nagel reißen können.
Alle Generationen sind auf die Straße gegangen, ganze Familien und besonders viele junge Leute, Studenten und junge Arbeiter: sowohl diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben als auch die vielen, die eine Arbeit suchen. Sie alle sind empört über das „schlechte Leben“, wie sie es ausdrücken. Der Mindestlohn liegt bei 130 Euro monatlich, und viele verdienen noch weniger – während alles teurer wird. Unsichere Jobs sind die Regel. Die Mehrheit der Bevölkerung ist jung und ein Drittel von ihnen ist arbeitslos. In der Hoffnung auf ein besseres Leben versuchen immer mehr, das Mittelmeer zu überqueren und riskieren dabei ihr Leben.
Das Land ist reich an Erdöl und Erdgas, doch der Öffentliche Dienst wird immer schlechter, die Schulen sind überfüllt und die Krankenhäuser dem Verfall preisgegeben. Letzten Sommer grassierte die Armutskrankheit Cholera. Gleichzeitig reißen sich die Geschäftsleute die Einnahmen aus Öl, Gas, dem Bausektor oder dem Import-Exporthandel unter den Nagel. Ausländische Kapitalisten wie Renault oder Total sind bei der Plünderung vorne mit dabei, angelockt von den Rohstoffen und günstigen Arbeitskräften.
Mit dem Verzicht auf Bouteflika und der Verschiebung der Wahlen versucht das Regime die Proteste zu beenden und dafür zu sorgen, dass ein Jüngerer aus der herrschenden Clique dessen Position einnehmen kann. Das würde darauf hinauslaufen, dass sich jenseits der Fassade… gar nichts ändert.
Man denke nur an die tunesischen und ägyptischen Aufstände 2011, die so große Hoffnungen geweckt haben! Viele Beteiligte haben dabei ihr Leben gelassen. Aber die Hoffnungen der einfachen Bevölkerung in beiden Ländern wurden verraten. Die Reichen haben ihre Macht behalten. In Ägypten hat ein neuer Diktator den Platz seines Vorgängers eingenommen.In Algerien kann die Armee jetzt eine Gefahr darstellen. In der Vergangenheit hat sie bereits bewiesen, dass sie zu schlimmsten Massakern fähig ist. So im Oktober 1988, als Jugendliche aus den Arbeitervierteln protestierten und Hunderte von der Armee getötet wurden.
Hinter der Einigkeit der Demonstranten, hinter ihrem gemeinsamen Ruf „Bouteflika, hau ab“ verbergen sich außerdem entgegengesetzte Interessen. Die Mehrheit von ihnen möchte einfach eine Arbeit haben und würdevoll leben können. Doch da gibt es auch die Kapitalisten, wie Issad Rebrab oder der algerisch-französische Unternehmer Rachid Nakkaz, die hoffen, bei einem Machtwechsel an der Staatsspitze selber mehr vom Kuchen abzubekommen. Jeder dieser „Oppositionellen“ bringt derzeit seinen Kandidaten für die Nachfolge Bouteflikas in Stellung. Schon tobt also der Kampf um die Plätze an der Staatsspitze.Und es ist kein Zufall, dass sich diese „Oppositionellen“ quasi ausnahmslos gegen die Streiks ausgesprochen haben, die in zahlreichen Betrieben begonnen haben – und auch gegen den Generalstreik vom 11. März. Sie behaupten, dies würde die „Einheit“ im Kampf gegen Bouteflika in Gefahr bringen. Genauer gesagt: Sie machen Druck, damit die Arbeiter ja nicht auch für soziale Veränderungen, für eine konkrete Verbesserung ihres Lebens zu kämpfen anfangen, angefangen bei höheren Löhnen – Forderungen, die sich damit gegen alle (inländischen und ausländischen) Kapitalisten richten.
Genau darin aber liegt die Hoffnung und Chance der Bewegung. Nur die junge und zahlreiche Arbeiterklasse Algeriens kann – wenn sie anfängt, für ihre Klasseninteressen zu kämpfen – der tiefen sozialen Unzufriedenheit, die sich in den Protesten ausdrückt, eine wirkliche Perspektive bieten.
Ansonsten ist die Gefahr groß, dass selbst die demokratischen Forderungen nicht erfüllt werden. Und welche Veränderung würde ein neuer starker Mann, der genauso herablassend sein wird wie die herrschende Clique, den jungen Arbeitslosen, den Armen bringen?
Es bleibt also zu hoffen, dass die Proteste weitergehen werden. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich auch gegen diejenigen richten werden, die alle von der arbeitenden Bevölkerung geschaffenen Reichtümer für sich beanspruchen. Ganz nach dem Motto vieler Demonstranten, die riefen: „Sie haben die Millionen, wir sind die Millionen“. Ja, die Millionen Unterdrückten müssen die Millionäre ins Visier nehmen!