Leitartikel
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Grundrente: Die SPD versucht, wieder wie ein Vertreter der „kleinen Leute“ zu wirken
Es ist eine unerträgliche Schande. Fast vier Millionen Arbeitende – vor allem Frauen und besonders in Ostdeutschland – haben über 35 Jahre lang gearbeitet und bekommen dafür gerade mal ein paar hundert Euro Rente! Doch sollen wir ernsthaft glauben, dass die SPD dies jetzt ändern wird?
Mal abgesehen davon, dass Arbeitsminister Heil ernsthaft behauptet hat, die 900 Euro Grundrente (die er für diese langjährig Beschäftigten jetzt angeblich einführen will) würden „ein Leben ohne Armut“ ermöglichen.
900 Euro im Monat bedeutet jeden Tag rechnen und verzichten zu müssen. Heißt kein Geld zu haben für Ausflüge oder Geschenke an die Enkelkinder. Heißt bei jeder unvorhergesehenen Rechnung, einer Stromnachzahlung oder kaputten Waschmaschine den erniedrigenden Gang zu den Tafeln gehen zu müssen… und das, nachdem man jahrzehntelang gearbeitet hat!
Arbeitsminister Heil wäre glaubwürdiger, wenn er die Verursacher der Niedrigrenten benennen würde: Die großen Firmen, wie LIDL, Siemens oder Karstadt, die seit Jahren feste Stellen und Tarifarbeitsplätze vernichten oder auslagern, die die Löhne drücken und Millionen Frauen in Teilzeitstellen und Minijobs zwingen. All das verschärft durch die Rentenreformen und die Hartz-Gesetze.
Dagegen müsste man vorgehen, wenn man an den Armutsrenten wirklich etwas ändern wollte.
Doch selbstverständlich kommt es für den SPD-Arbeitsminister nicht in Frage, sich an den Kapitalisten und ihren Profiten zu vergreifen – und für CDU, FDP, Grüne oder AfD erst recht nicht. Und deshalb werden sie, trotz aller schönen Worte, nichts gegen die wachsende Armut im Alter unternehmen.
Mehr noch: Selbst die bescheidenen 900 Euro Grundrente werden die meisten Betroffenen nicht bekommen. Denn die CDU besteht darauf, dass nur „Bedürftige“ sie erhalten – also diejenigen, die Anspruch auf Sozialhilfe haben. Eine Verkäuferin aber, die 40 Jahre in Teilzeit bei Edeka an der Kasse gestanden hat und nun 600 Euro Rente hat – und deren Mann als Stahlarbeiter 1.500 Euro Rente bekommt, die gilt nicht als „bedürftig“. Zusammen mit ihrem Mann hätte sie laut der CDU ja „genug“ Geld.
Über drei Millionen Frauen sind in so einer Lage, und sie alle sollen auch in Zukunft nur 400 oder 600 Euro Rente bekommen. Ebenso die Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter, die weniger als 35 Jahre gearbeitet haben, weil sie krank geworden oder mit 48 Jahren entlassen worden sind und keine Arbeit mehr finden konnten – oder weil sie zwischendurch mehrere Kinder großgezogen haben.
Nein, wir Arbeiter brauchen nicht beweisen, dass wir „bedürftig“ sind. Wir sind keine Bettler. Wir haben ein Anrecht auf ein Einkommen, von dem wir sorgenfrei leben können. Ob wir Frisörin, Lagerarbeiter, Paketbote, Altenpfleger, Busfahrerin oder Putzfrau sind, ob wir in Voll- oder Teilzeit arbeiten oder in Rente sind – keiner dürfte weniger als 1.800 Euro Netto bekommen!
Denn wir erzeugen mit unserer Arbeit ALLEN Reichtum dieser Gesellschaft. Das heißt, wir erarbeiten nicht nur das kleine bisschen, das wir als Lohn oder Rente bekommen. Wir erarbeiten auch das, was die Unternehmer offiziell in die Renten- oder Arbeitslosenkassen oder an Steuern zahlen. Wir erarbeiten die gesamten Gelder, die sich in den öffentlichen Kassen befinden. Und natürlich erarbeiten wir auch all das, was sich die Kapitalisten, die Großaktionäre in die Tasche stecken. Wer sollte diesen Reichtum auch sonst schaffen – die Aktionäre etwa?
Und wenn wir, die produktive Klasse der Gesellschaft, trotzdem immer ärmer werden – dann weil es das Kräfteverhältnis der kapitalistischen Klasse mit Unterstützung der Regierung ermöglicht, einen immer größeren Teil dieses Reichtums an sich zu reißen.
Sie bestehlen die arbeitende Klasse so brutal, dass das reichste Ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland – sprich die kapitalistische Klasse – mittlerweile genauso viel besitzt wie 87 Prozent der Bevölkerung! Die Milliardäre in Deutschland konnten ihr Vermögen allein 2018 noch einmal um 20% steigern! Und mit der sich eintrübenden wirtschaftlichen Lage drohen sie in ihrem Diebstahl noch aggressiver zu werden.
Wenn wir uns auch nur einen kleinen Teil dessen zurückholen würden, müsste kein Arbeiter, kein Rentner, kein Kind, keine Alleinerziehende, kein Arbeiter mit einer Behinderung – müsste niemand in Deutschland in Armut leben.
Doch dies wird kein Politiker für uns tun. Wir werden selber für unsere Interessen kämpfen und das Kräfteverhältnis wieder zu unseren Gunsten ändern müssen. Wir Arbeitenden haben die Kraft und die Mittel dazu – eben weil wir so eine entscheidende Rolle in der Wirtschaft spielen und damit eine große Macht in den Händen halten. Und weil wir Arbeitenden letztlich die Gesellschaft sogar besser ohne diese parasitäre kapitalistische Klasse organisieren könnten.
Internationales
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Venezuela: ein vom Imperialismus unterstützter Putsch
Vor drei Wochen hat der rechte Abgeordnete Guaidó sich in Venezuela einfach selbst zum Präsidenten ernannt. Nur wenige Minuten später hat US-Präsident Trump sich hinter ihn gestellt. Und er hat mit einer Militärinvasion gedroht, sollte Präsident Maduro (der im Gegensatz zu Guaidó mit 30% der Stimmen gewählt worden ist) nicht zurücktreten.
Seit 20 Jahren träumen die USA davon, das Regime von Chavez und seinem Nachfolger Maduro zu stürzen und ein Regime an die Macht zu bringen, das den USA gehorcht – so wie Guaidó und seine Partei, die das große und mittlere Bürgertum in Venezuela vertritt. Mit der schweren wirtschaftlichen Krise, die Venzuela derzeit erschüttert, wittern sie nun ihre Chance.
Guaidó hat darauf gesetzt, dass sich größere Teile der Armee bei seinem Putsch hinter ihn stellen werden. Er braucht die Armee, die ein entscheidender Machtfaktor ist und den wichtigsten Wirtschaftszweig (die Ölindustrie) unter ihrer Kontrolle hat. Doch die Armee zögert und scheint sich bislang noch mehrheitlich auf Maduros Seite zu stellen.
Daher erhöhen die imperialistischen Staaten ihren Druck. Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben sich offen hinter die Politik der USA gestellt und unterstützen Guaidó. Die USA haben Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela verhängt. Ausländische Konten des venezolanischen Staates wurden gesperrt und sollen erst wieder freigegeben werden, wenn Guaidó Präsident wird.
Wie immer, wenn die imperialistischen Staaten sich in die Politik eines ärmeren Landes einmischen, behaupten sie, ihnen ginge es dabei um Demokratie und das Wohl der Bevölkerung. Um ihre angebliche Sorge um die Bevölkerung zu beweisen, haben die USA Hilfsgüter an die Grenze Venezuelas bringen lassen. Sie wollen diese Hilfsgüter allerdings nur ins Land lassen unter der Bedingung, dass Guaidó sie verwaltet – weil er ja der richtige Staatschef sei. Diese politische Erpressung ist so plump, dass sogar das Internationale Rote Kreuz erklärt hat, mit dieser „nicht-humanitären Hilfe“ nichts zu tun haben zu wollen, wie ihr Sprecher Christoph Harnisch sie genannt hat.
In Wahrheit scheren sich die USA und die anderen imperialistischen Staaten kein bisschen um die Bevölkerung. Hinter den scheinheiligen Reden von Demokratie geht es den imperialistischen Staaten um ihre wirtschaftlichen Interessen – und um nichts Anderes. . Sie hassen das Regime in Venezuela, einfach weil es gewagt hatte, die Plünderung des Landes durch die US-amerikanischen Konzerne ein klein wenig einzuschränken.
Chavez hat sie insbesondere gezwungen, 70% der Profite, die sie mit dem venezolanischen Öl machen, an den Staat abzugeben. Und einen Teil dieser Einnahmen nutzte er für Sozialprogramme, für kostenlose Gesundheitsversorgung, Schulbildung und Grundnahrungsmittel für alle.Das Leben der ärmeren Bevölkerung, die bis dahin in tiefem Elend gelebt hatte, besserte sich innerhalb weniger Jahre massiv. Dadurch hat die Regierung Chavez sich über viele Jahre eine große Unterstützung in der ärmeren Bevölkerung gesichert – eine Unterstützung, auf die sie in ihrer Auseinandersetzung mit den mächtigen USA zwingend angewiesen war.
Doch seit einiger Zeit steckt das Land in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Wegen der weltweiten Börsen-Spekulationen ist der Ölpreis in den letzten Jahren drastisch gesunken. Der Ölverkauf macht jedoch 96% von Venezuelas Exporten aus. Der fallende Ölpreis hat zur Folge, dass der Staat nur noch ein Viertel (!) seiner früheren Einnahmen hat – das heißt, dass er innerhalb von kurzer Zeit quasi kein Geld mehr hatte.
Die Folgen für die Bevölkerung sind dramatisch: Die Versorgung mit Nahrungsmitteln wird immer schwieriger. Die venezolanischen Kapitalisten verschärfen die Krise, indem sie die Lebensmittel verstecken und teuer auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Die Inflation wird immer unerträglicher: Sie liegt bereits bei eine Million Prozent, und die Arbeiter fordern eine Koppelung der Löhne an die explodierenden Preise. Drei Millionen Venezolaner haben bereits das Land verlassen, doch in den Nachbarländern werden sie oft schlecht empfangen und leiden weiter unter Mangel und Hunger.In ihrer Verzweiflung setzen einige ihre Hoffnungen nun auf Guaidó. Der behauptet, ebenso wie die Imperialisten, dass die Einschränkungen für die Großkonzerne und die staatlichen Sozialprogramme die Wirtschaft ruiniert hätten. Sie versprechen, dass mit Guaidó alles besser würde. Aber wie sollte es?
Die Ursache der Krise in Venezuela ist die kapitalistische Krise weltweit; ist die irrsinnige Macht der Spekulation, die die Ölpreise willkürlich nach oben und unten treiben kann… und viele ärmere Länder, deren Wirtschaft hauptsächlich auf dem Export eines Produkts beruht, sind auf Gedeih und Verderb diesen irrsinnigen Preisschwankungen ausliefert.
Daran ändert auch Guaidó nichts. Im Gegenteil, er will auch noch die letzten Sozialprogramme zerstören und die noch verbleibenden Einnahmen aus dem Ölgeschäft vollständig auf die Konten der US-amerikanischen Konzerne und der venezolanischen Oberschicht überweisen. Für die ärmere Bevölkerung kann es mit Guaidó also nur noch viel schlimmer werden.
2002 hat ein von den USA unterstützter Militärputsch bereits versucht, eine solche Regierung an die Macht zu bringen. Damals sind Millionen aus der ärmeren Bevölkerung auf die Straße gegangen und haben durch ihr Eingreifen den Militärputsch verhindert. Die arbeitende Bevölkerung hat noch immer die Kraft dazu. Und auch, um gegen das Regime von Maduro die Forderungen der arbeitenden Klasse durchzusetzen, die für ihr Überleben unverzichtbar sind.
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Ungarn: Die Audi-Arbeiter siegen
10.000 Arbeiter des ungarischen Audi-Werks in Györ haben Ende Januar eine Woche lang für 18% mehr Lohn gestreikt – und haben gesiegt: Audi musste ihre Forderung vollständig erfüllen.
Das Werk stellt Motoren für Werke des VW-Konzerns in ganz Europa her. Schon nach wenigen Tagen Streik stand die Produktion im Werk in Ingolstadt still, bald darauf auch in Leipzig und Bratislava. Ungarn ist nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“ zu einem Billigproduktionsland für viele deutsche Konzerne geworden, wo sie den Arbeitern sogar noch viel weniger zahlen als in der Slowakei oder Polen. Doch nun haben die Konzernchefs zu spüren bekommen, welche Macht die Arbeiter haben, wenn diese anfangen sich zu wehren.
Der Streik fand in einem Kontext wachsender Proteste von Arbeitern statt. Seit Dezember sind immer wieder tausende auf die Straße gegangen, um gegen das sogenannte „Sklavengesetz“ zu demonstrieren – ein Gesetz, das es den Konzernen ermöglichen soll, die Arbeiter noch mehr und länger auszubeuten.
Auch das trägt dazu bei, dass das Selbstbewusstsein und der Kampfeswillen steigt. Bei Bosch und Thyssen-Krupp in Ungarn rumort es ebenfalls, ebenso bei Audi-Zulieferern. Der Streik bei Audi könnte damit vielleicht bald schon ein Vorbild für andere werden.