Das rote Tuch – Nr. 113

  • Benzin, Miete, Strom, Lebensmittel… Wenn die Preise steigen, müssen alle Löhne automatisch mitsteigen!

    Alles wird teurer, Mieten, Lebensmittel und ganz besonders der Sprit. Um 20% ist der Preis für Diesel in den letzten drei Monaten gestiegen! Monat für Monat verschlingt allein der Weg zur Arbeit ein immer größeres Stück von unserem Lohn. Und jetzt kommen auch noch die Fahrverbote!

    Regierung und Autokonzerne erwarten nun ernsthaft, dass zehntausende Arbeiter und kleine Selbstständige irgendwie Geld oder Kredite auftreiben, um sich ein neues Auto zu kaufen. Für viele ist das schlicht unbezahlbar! Ihnen bliebe dann nur, alle gesperrten Bereiche samt A40 in ewig langen Umwegen zu umfahren. Und das soll dann die Umweltverschmutzung bekämpfen?

    Die betrügerischen Autokonzerne müssen für nichts aufkommen. Im Gegenteil: Erst hatte die Regierung jahrzehntelang Werbung gemacht, dass wir die „umweltfreundlichen“ Diesel kaufen. Und nachdem sich das als Betrug entpuppt hat, wirbt sie dafür, dass wir Euro-Norm-6-Autos kaufen… und den Autobossen weitere Gewinne bescheren.

    Vor allem für größere Firmen mit ihren LKW- und Dienstwagenflotten plant die Politik außerdem Ausnahmen vom Fahrverbot und finanzielle Unterstützung. Für uns Arbeiter jedoch gibt es keine Hilfen. Wir werden gleich zwei Mal ausgeraubt: von der Autoindustrie – und von den Ölkonzernen und Spekulanten, die seit einem Jahr die Spritpreise nach oben treiben.

    Wir fahren nicht aus Spaß jeden Tag durch die Gegend, sondern weil wir zur Arbeit müssen. Und eigentlich müssten für unsere Fahrtkosten und den Zeitaufwand die Unternehmer aufkommen, für die wir arbeiten…und nicht wir. Denn genau wie Arbeitskleidung, Werkzeug oder Material ist unsere Fahrt zur Arbeit notwendige Vorbedingung, damit wir für den Betrieb arbeiten können. In großen Werken gab es früher Fahrtkostenzuschüsse, Wegestunden und Werksbusse, die Arbeiter kostenlos zur Arbeit gefahren haben. Stattdessen gehen heute die Fahrtkosten und die immer längeren Fahrzeiten vollständig zu unseren Lasten. Und mit den steigenden Benzinpreisen wird uns obendrein ein immer größerer Teil des Lohns dafür weggenommen!

    Der Sprit ist nicht das einzige, was teurer wird. Alles wird teurer: Heizkosten, Strom, Lebensmittel – und ganz besonders die Mieten. Immer mehr schmelzen Lohn und Rente unter den steigenden Lebenshaltungskosten zusammen. Immer mehr müssen Schulden machen, weil es nicht einmal für das Nötigste reicht. Jeder zehnte ist mittlerweile überschuldet.

    Allein im letzten Jahr sind 35% mehr Rentner über 70 in die Überschuldung geraten. Ärmere Rentner, die genau wie die Arbeitenden mit Niedriglöhnen von den steigenden Mieten regelrecht erdrückt werden. Viele von ihnen müssen jetzt schon die Hälfte ihres Einkommens für die Kaltmiete aufbringen. Wie soll man da noch alles andere bezahlen?

    Im Gegensatz zu den Kapitalisten, die haufenweise Aktien, Grundbesitz und Immobilien besitzen, haben wir nur unseren Lohn. Davon müssen wir – die wir die ganze Gesellschaft am Laufen halten – vernünftig leben können!

    Die Unternehmen können die steigenden Preise weitergeben. Wenn die Transportpreise steigen, erhöhen die Supermärkte die Lebensmittelpreise. Wenn die Strompreise steigen, erhöhen die Betriebe ihre Verkaufspreise. Wir aber können nichts weitergeben. Wir haben mit jeder Preiserhöhung weniger im Portemonnaie.

    Auf die Preise haben wir Arbeiter keinen Einfluss. Das Einzige, worauf wir Einfluss nehmen können, sind unsere Löhne. Denn hier haben wir ein direktes Druckmittel: den Streik. Für höhere Löhne zu kämpfen ist unsere einzige Chance zu verhindern, dass wir für die steigenden Preise den Kopf hinhalten.

    Über 50% der Arbeiter haben keinen Tarifvertrag mehr. Alleine aber haben sie es viel schwerer, sich zu wehren und bekommen daher oft jahrelang keinen einzigen Cent Lohnerhöhung. Auch und gerade deshalb müssen wir auf Dauer eine allgemeine Koppelung der Löhne an die Preise erkämpfen: Alle Löhne, Renten und Sozialhilfen müssen automatisch genauso viel steigen, wie die Lebenshaltungskosten steigen.

    Niemand wird uns den Kampf hierfür abnehmen. Wir brauchen nicht zu hoffen, dass irgendwelche neuen Politiker oder eine neue Regierung die Dinge für uns regeln. Das kann uns nur neue Enttäuschungen bereiten.
    Nehmen wir doch nur die AfD: Wie lange brüllen sie schon „Merkel muss weg“ und tun so, als wäre dies die wichtigste Veränderung für uns. Jetzt geht Merkel tatsächlich. Doch wird unser Leben dadurch besser?

    Im Gegenteil: Diejenigen, die sich jetzt für Merkels Nachfolge in Stellung bringen, lassen erahnen, dass wir uns warm anziehen können. Denn ein Friedrich Merz zum Beispiel – Millionär, Aufsichtsratsvorsitzender des Heuschrecken-Finanzkonzerns Blackrock und in seiner letzten Amtszeit Verfechter der 42-Stunden-Woche und der Abschaffung des Kündigungsschutzes – lässt keine Zweifel daran, für wen er Politik machen und wen er dafür angreifen wird.

    Ebenso wenig übrigens wie die Politiker der selbsternannten „Alternative“ AfD, wie Alice Weidel zum Beispiel, eine Unternehmensberaterin, die für die berüchtigte Bank Goldman Sachs arbeitete und Spendengelder von Bossen der Pharmaindustrie kassiert.

    Nein, wir Arbeitenden haben von „oben“ keine Rettung zu erwarten. Den Kampf für unsere Interessen müssen wir selber in die Hand nehmen.

  • Nach allen Gefahren der Flucht nun die Mauer – und Trumps Soldaten

    Nach über einem Monat Fußmarsch sind einige tausend Flüchtlinge aus Honduras, El Salvador und Guatemala nun in Mexiko an der US-amerikanischen Grenze angelangt. Sie sind geflohen vor Diktaturen, vor der bitteren Armut und den kriminellen Banden, die in ihrer Heimat die Bevölkerung terrorisieren, wahllos ermorden oder versklaven. Und die USA und deren Konzerne, die seit vielen Jahrzehnten die südamerikanischen Länder ausplündern, tragen einen großen Teil der Verantwortung für diese Entwicklung.

    Die USA ist die einzige Hoffnung für die Flüchtlinge, auch wenn sie wissen, dass sie dort die härteste Ausbeutung erwartet. Für die US-Bosse sind die Migranten Arbeitskräfte, die sie zu extrem niedrigen Löhnen und den unmöglichsten Arbeitszeiten ausbeuten können. Doch alles ist ihnen lieber als die Hölle, aus der sie geflohen sind.

    Nun aber, nachdem sie alle, auch lebensgefährliche Hindernisse auf ihrer Flucht überwunden haben, nachdem sie zusammen marschiert sind, um sich gegenseitig zu schützen, prallen sie auf die meterhohe Grenzmauer und die Soldaten, die Präsident Trump demonstrativ an die Grenze geschickt hat. Sie sollen mehrere Monate in Mexiko ausharren, bevor sie überhaupt Asyl in den USA beantragen dürfen – und selbst dann ist nicht klar, ob sie ins Land gelassen werden. Viele der Flüchtlinge aber haben gar nicht das Geld, um monatelang in Mexiko zu überleben.
    In den USA würde nichts funktionieren ohne die Arbeit der vielen Immigranten aus Lateinamerika: Die Büros würden nicht gereinigt, die Ernte würde nicht eingeholt, die Busse würden nicht fahren, Straßen und Häuser nicht gebaut… Kein Bereich der Wirtschaft würde ohne sie funktionieren, und Trump weiß das genau.
    Doch um gegenüber seinen Wählern gut dazustehen, hetzt er gegen sie, spielt sich als mutiger Krieger auf… gegenüber verzweifelten Frauen, Männern und Kindern, die sich nichts weiter wünschen, als einfach nur arbeiten und leben zu dürfen! Sie endlich einreisen zu lassen, würde nicht nur sie aus ihrer katastrophalen Lage befreien. Diese wenigen tausend mutigen Menschen wären auch eine Bereicherung für die USA – auf allen Ebenen.

  • Deutsche Konzerne wollen Arbeitskräfte – aber ausbilden sollen sie andere

    Die Regierung hat ihr sogenanntes „Fachkräfte-Einwanderungsgesetz“ beschlossen. Wer eine abgeschlossene Berufsausbildung hat, Deutsch spricht und einen Arbeitsplatz in Deutschland findet, darf zukünftig nach Deutschland einreisen und bekommt eine Aufenthaltsgenehmigung. Mit diesem Gesetz will die Regierung „Fachkräfte“ nach Deutschland locken.

    Deutschland lässt also viel ärmere Staaten wie Indien oder den Kosovo viel Geld in die Ausbildung ihrer Handwerker, Ärzte, Krankenschwestern, Elektriker… stecken. Und dann werben die deutschen Firmen den armen Staaten die fertig ausgebildeten Arbeitskräfte ab. Eines der reichsten Länder der Welt will sich die Ausbildung seiner Arbeitskräfte von den armen Staaten der Welt bezahlen lassen!

    Alle Arbeitenden (egal ob mit oder ohne Berufsausbildung) sollten selber entscheiden dürfen, in welchem Land sie leben und arbeiten wollen. Doch darum geht es den Konzernen nicht. Sie wollen sich nach Belieben einzelne ausgewählte Arbeitende „aussuchen“ dürfen.

    Es gibt hier hunderttausende junge Menschen, die hundert Bewerbungen schreiben, keine Ausbildung finden oder sich von einem Leiharbeitsjob zum nächsten Niedriglohnjob hangeln. Außerdem die vielen jungen Männer und Frauen, die hierher geflohen sind und die sich nichts sehnlicher wünschen, als in Deutschland arbeiten zu können.

    All diese jungen Menschen werden aufs Abstellgleis geschoben, weil die deutschen Konzerne nicht einmal mehr bereit sind, das Geld und die Energie aufzubringen, um die Arbeitskräfte auszubilden, die sie brauchen… und sie stattdessen lieber den ärmsten Ländern stehlen.

  • Ein kleiner Dämpfer für ihre tägliche Arroganz

    30 Jahre lang hat die Bertelsmannstiftung untersucht, wofür Eltern, die auf Sozialhilfe und HartzIV angewiesen sind, Geld ausgeben. Und welch eine Überraschung: Die Eltern geben das Geld… für ihre Kinder aus. Wenn die Familien ausnahmsweise etwas mehr Geld bekommen, dann versuchen sie, ihren Kindern den Sportverein, Nachhilfe oder Ausflüge zu ermöglichen.

    Seit Jahren werden Eltern, die auf HartzIV angewiesen sind – also gerade die Eltern, die es am dringendsten bräuchten – von den meisten Zuschüssen für Kinder ausgeschlossen. Sie bekommen nicht einmal die Kindergelderhöhungen. Gerechtfertigt haben die herrschenden Politiker diese unglaubliche Ungerechtigkeit mit dem Vorurteil, mehr Kindergeld würde ja gar nicht bei den Kindern ankommen. HartzIV-Empfänger würden davon ja nur Alkohol, Zigaretten und Flachbildfernseher kaufen. Immer das gleiche bequeme Vorurteil, dass man an der Armut ja selbst schuld wäre!

    An der seit Jahrhunderten von den Reichen verbreiteten Verachtung für uns Arbeiter und Arme wird auch diese Studie nichts ändern. Sie wird die Herrschenden auch nicht daran hindern, weiter gerade bei den Ärmsten zu sparen. Aber zumindest sollte sie eine Genugtuung sein für all die vielen Eltern, die seit Jahren diese Beschimpfungen und Verachtung ertragen müssen, während sie täglich darum kämpfen, von dem wenigen Geld ihre Kinder so gut wie möglich großzuziehen.

  • Ausbeutung + Transporter = „Arbeitsplatz“ + „Wohnung“?

    In Düsseldorf wurden Arbeitende ohne festen Wohnsitz gezielt angeworben, um als billige Arbeitskräfte für Hermes Pakete auszuliefern. Weil man als Wohnungssuchender fast gar keine Arbeit bekommt, sind sie auf das „Angebot“ eingegangen, für deutlich weniger als den Mindestlohn zu arbeiten – letztlich so wenig, dass sie trotz Arbeit weiter von der Obdachlosenhilfe versorgt werden müssen. Nach 10, 12 Stunden Arbeit schlafen sie in dem Kleinlaster, mit dem sie tagsüber Pakete ausliefern.
    Willkommen in der „modernen“ Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts!

  • CDU: drei Kandidaten für eine Politik

    Seit zwei Wochen reisen die drei Kandidaten, die Merkel als CDU-Partei-vorsitzende nachfolgen wollen, durch Deutschland und liefern sich Rededuelle auf CDU-Mitgliederversammlungen. Von Wahlkampfveranstaltung zu Wahlkampfveranstaltung überbieten sie sich gegenseitig, um dem konservativen und arbeiterfeindlichen Teil der CDU zu gefallen.

    Natürlich als erstes beim Thema Migration, wo Kramp-Karrenbauer lebenslange Einreiseverbote für Straftäter verhängen,
    Spahn daraufhin den UN-Migrationspakt verhindern und Merz gleich das Asylrecht aus der Verfassung streichen möchte.
    Doch nicht anders sieht es bei anderen Themen aus, von denen allerdings weniger berichtet wird. Zum Beispiel bei der Rente, wo Merz und Kramp-Karrenbauer dafür werben, dass jeder zukünftig privat vorsorgen müsse, während Spahn das Rentenalter gleich auf 70 setzen will.

    Das ist die Politik, die wir von der CDU-Spitze künftig zu erwarten haben: Eine immer größere Hetze gegen Migranten, deren eigentliches Ziel es ist, neue Angriffe auf alle Arbeiter zu verschleiern!

  • HartzIV: Die Verursacher der Arbeitslosigkeit bekämpfen, nicht ihre Opfer!

    Millionen Menschen haben HartzIV mehr als satt, dieses System mit all seinen Sanktionen, Schikanen und Entwürdigungen! Doch dass die SPD die Abschaffung von HartzIV jetzt fordert, ist schlicht eine Verhöhnung aller Betroffenen – jetzt, wo sie auf 14% abgestürzt ist und keine Forderung mehr durchsetzen kann.

    Die SPD hat mit ihrer sozialen „Wandlung“ so lange gewartet, bis sie für die Kapitalisten kein Problem mehr darstellen kann. Denn die wollen HartzIV um keinen Preis verlieren.

    HartzIV zwingt die Arbeitslosen, jede noch so schlecht bezahlte und unsichere Arbeit anzunehmen. Statt zu Tariflohn können die Kapitalisten die Arbeitslosen daher zu Bedingungen einstellen, die sie früher niemals akzeptiert hätten. HartzIV hat auf diese Weise Millionen fester Tarifarbeitsplätze vernichtet und Deutschland in das größte Niedriglohnland der EU verwandelt. Und jedes Mal, wenn ein Betrieb schlechtere Arbeitsbedingungen durchsetzen will, steht die (unausgesprochene) Drohung im Raum: „Entweder ihr akzeptiert die Verschlechterung – oder ihr seid bald arbeitslos und nach einem Jahr in HartzIV.“

    HartzIV ist eine der besten Waffen, die die SPD-Regierung den Bossen geschenkt hat, um unsere Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. CDU, FDP und AfD haben daher auch gleich erklärt, dass sie HartzIV auf jeden Fall erhalten werden.

    Und was die SPD angeht: Auch jetzt, wo sie um ihr Überleben kämpft, beschränkt sie sich – genau wie die Grünen – darauf zu diskutieren, ob man Arbeitslosigkeit und Armut etwas weniger erniedrigend gestalten sollte. Keiner von ihnen aber redet davon, ihre Ursache zu bekämpfen: nämlich die Konzerne, die trotz ihrer Milliardengewinne weiter entlassen, Arbeitsplätze abbauen und auslagern, weiter Arbeitshetze, Leiharbeit, Befristung, Zwangsteilzeit und Niedriglöhne ausweiten!

  • Essen: Ein Krankenhaus für die halbe Stadt?

    Die Contilia GmbH, der in Essen alle katholischen Krankenhäuser gehören, hat angekündigt, im Essener Norden zwei Krankenhäuser zu schließen. In der gesamten Nordhälfte der Stadt (der bevölkerungsreicheren und vor allem deutlich ärmeren Hälfte) gibt es dann nur noch ein einziges Krankenhaus – gegenüber 10 Krankenhäusern in der südlichen Hälfte!

    Obwohl die Zahl der Patienten sogar gestiegen ist, wollen sie mehrere hundert Betten einsparen. Das heißt, die Patienten werden noch länger auf Behandlungen warten müssen und noch schneller wieder nach Hause geschickt werden. Und dass gerade in den ärmeren Stadtteilen, wo sich die Patienten am Wenigsten wehren können, teilweise nicht so gut deutsch sprechen und oft hilflos dastehen, wenn wegen zu frühzeitiger Entlassung Komplikationen auftreten.

    Und die Contilia-Gruppe bekommt sogar noch Geld vom Staat dafür! Denn die Regierung zahlt tatsächlich Prämien an Krankenhäuser, die Stationen oder ganze Krankenhäuser schließen. Und Gesundheitsminister Spahn behauptet ernsthaft, durch diese Schließungen würde… die Gesundheitsversorgung besser werden!

  • November 1918: Der Beginn der Revolution in Deutschland

    Vor hundert Jahren, im November 1918 beginnt die deutsche Revolution. Millionen Arbeiter kämpfen in ihr für ein Ende der kapitalistischen Gesellschaft.

    1914 stürzt der Kapitalismus die Menschheit in die Barbarei des Ersten Weltkriegs. Als die russischen Arbeiter und Soldaten 1917 ihre Regierung stürzen, selber die Macht übernehmen und allen Völkern der Welt den Frieden anbieten, sind die Arbeiter und Soldaten überall wie elektrisiert. In mehreren Ländern kommt es zu Streiks und Aufständen.

    In Deutschland streiken im Januar 1918 fast eine Million Arbeiter für Frieden. Und als die Admiräle Ende Oktober, obwohl der Krieg eigentlich längst verloren ist, 80.000 Matrosen in eine letzte Ehren-Schlacht schicken will, ist das Maß voll. Die Matrosen in Kiel weigern sich auszulaufen, die Werftarbeiter eilen ihnen zur Hilfe. Sie entwaffnen die Offiziere, setzen die Militärbehörden ab und wählen einen Rat aus Vertretern der Arbeiter und Soldaten, der die Leitung übernimmt.

    Von da ziehen die Matrosen am 5. November 1918 nach Hamburg, Bremen, Lübeck…. Und überall, wo sie hinkommen – oder auch nur die Nachricht von ihrem Aufstand – erheben sich die Arbeiter und Soldaten, gründen Räte und übernehmen die Leitung der Städte. Innerhalb von 5 Tagen hat die Revolution ganz Deutschland erfasst.

    In manchen Städten wie Duisburg lösen die Arbeiter die kaiserliche Polizei auf und gründen Arbeitermilizen. Andernorts fangen sie an, sich in die Entscheidungen der Unternehmen einzumischen. In Hanau verbietet der Arbeiterrat Entlassungen und beschließt den 8-Stunden-Tag. In Müllheim beschließt er 80% Lohnerhöhung. Und vielerorts fordern die Arbeiter die Vergesellschaftung der Zechen, Konzerne und Banken: Sie sollen den Kapitalisten weggenommen und unter die Kontrolle der Arbeiter gestellt werden. Um zu verhindern, dass die Kapitalisten noch einmal einen Krieg anzetteln können – und um die Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu organisieren.

    Die Kapitalisten bekommen es mit der Angst zu tun. In ihrer Verzweiflung wenden sie sich an die SPD. Denn in der SPD sind damals zwar hunderttausende Arbeiter organisiert, die in der Revolution aktiv dabei sind und eine sozialistische Gesellschaft erkämpfen wollen. Doch die SPD-Führung hat mittlerweile ihren Frieden mit dem herrschenden System gemacht.
    Sie ist der tiefen Überzeugung, dass eine Revolution nur Chaos anrichtet. Sie glaubt eher an die Fähigkeit des kaiserlichen Staates, Verbesserungen durchzuführen – als an die Fähigkeit der Arbeiter, die Gesellschaft zu leiten. Und so setzt sie all ihren Einfluss ein, um die Gesellschaft vor den revolutionären Arbeitern zu „retten“.
    Anfangs gelingt es ihr sogar, die Arbeiter davon zu überzeugen, die Räte aufzulösen und ihre Hoffnung in die Wahl eines neuen Parlaments zu setzen. Dieses könne „in Ruhe und Ordnung“ alle Forderungen der Arbeiter auf gesetzlichem Weg durchsetzen.

    Revolutionäre wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht versuchen die Arbeiter zu warnen: Wenn sie den Kapitalisten ihre wirtschaftliche Macht und ihren Staat samt Generälen lassen, werden diese die Macht nutzen, um die Revolution niederzuschlagen und alle Hoffnungen der Arbeiter zu vernichten.

    Und genau dies tritt ein. Die Generäle gründen paramilitärische Einheiten (sogenannte Freikorps). Ende des Jahres setzen sie sie zum ersten Mal ein, um Streiks und Zechenbesetzungen im Ruhrgebiet zu beenden. Gleichzeitig versucht die SPD, die revolutionären Matrosen aus Berlin zu entfernen.

    Die Ereignisse öffnen vielen Arbeitern die Augen. Sie erkennen, dass die SPD nicht auf ihrer Seite steht und ihre Revolution in Gefahr ist. Eine neue revolutionäre Welle beginnt. Doch anders als im November ist die herrschende Klasse diesmal vorbereitet. Die Arbeiter hingegen verfügen über keine Partei, keinen „Generalstab“, der sie auf diesen neuen Kampf hätte vorbereiten und ihr hätte helfen können, den Herrschenden geschlossen gegenüberzutreten. Und so zersplittert die Revolution.

    Im Januar gehen in Berlin Hunderttausende für den Sturz der SPD-Regierung und eine Regierung der Arbeiterräte auf die Straße. Es kommt zu einem Aufstand, doch isoliert vom Rest Deutschlands können die Freikorps – unter Führung eines SPD-Ministers – den Aufstand niederschlagen. Viele Revolutionäre, darunter Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, werden verhaftet und kaltblütig ermordet.

    Schon im Februar jedoch kommt es zu einem Massenstreik im Ruhrgebiet für die Vergesellschaftung der Zechen. Er wird von denselben Freikorpstruppen niedergeschlagen. Und so geht es weiter. Anfang März gibt es einen Arbeiteraufstand in Thüringen, dann erneut einen Generalstreik in Berlin. Im April rufen die Münchner Arbeiter die Räterepublik aus, dann beginnt ein neuer Generalstreik im Ruhrgebiet, im Mai Arbeiterkämpfen in Sachsen…

    All diese Kämpfe von insgesamt Millionen Arbeitern quer durch Deutschland finden im Abstand von wenigen Wochen statt. Die Kapitalisten hatten nur ein paar tausend Freikorpssoldaten, auf die sie sich wirklich verlassen konnten. Hätten alle Aufstände gleichzeitig und zielgerichtet stattgefunden, hätten die Kapitalisten keine Chance gehabt. Doch so werden die Arbeiter nach Monaten mutiger, entschlossener Kämpfe letztlich geschlagen. Stattdessen erleben sie in den nächsten Jahrzehnten die versprochene „Ruhe und Ordnung“ des Kapitalismus: die Weltwirtschaftskrise 1929, Faschismus, Zweiter Weltkrieg…

    Doch angesichts der Ausweglosigkeit, der Krisen, Kriege und Barbarei, in die der Kapitalismus die Welt weiterhin stürzt, ist es wichtig, nicht zu vergessen, was die Revolution 1918 gezeigt hat: Nämlich dass es Alternativen zum Kapitalismus geben kann. Und dass die Arbeiterklasse – als einzige – in der Lage ist, eine solche andere Gesellschaftsordnung zu erkämpfen.