Leitartikel
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Regierungskrise: ein gefährlicher Wettlauf… in Richtung Barbarei
Die neue Regierungskrise, in die die CSU die Große Koalition gestürzt hat, scheint sich etwas zu beruhigen. Doch für wie lange? Und welche Folgen wird sie haben?
Die CSU hat ihre Inszenierung aus einem einzigen Grund begonnen: Sie macht Wahlkampf, rennt hinter der AfD hinterher, versucht mit aller Macht, bei den Landtagswahlen in Bayern so viele Stimmen wie möglich zu bekommen, um dort weiter regieren zu können.
Es ist fast absurd. Derzeit kommen nur ganz wenige Flüchtlinge über die deutsche Grenze. Und trotzdem hat Seehofer um jeden Preis auf einer symbolischen „harten“ Maßnahme gegen die Flüchtlinge an der Grenze bestanden – in der Hoffnung, so die Stimmen der AfD-Wähler zurückzugewinnen.
Schon vor einer Woche hat die EU abscheuliche Maßnahmen gegen die Flüchtlinge beschlossen. Wer überhaupt noch lebend Europa erreicht, soll in Griechenland, Italien und Spanien als erstes in geschlossene Lager gesperrt werden – als wären Flüchtlinge Kriminelle!
Und was noch ungleich schlimmer ist: Die EU will Regierungen oder auch bewaffnete Banden in Afrika dafür bezahlen, die Flüchtlinge aufzuhalten und in Lager zu stecken. Sie wollen die Flüchtlinge den armen Staaten in Afrika überlassen! Genau das machen sie bereits in der Türkei und Libyen – wohlwissend, dass die von ihnen bezahlten Lagerwächter die Flüchtlinge foltern, vergewaltigen, ja zum Teil als Sklaven verkaufen.
Doch selbst dann hat Seehofer um jeden Preis darauf bestanden, dass die deutsche Grenze symbolisch für einen Teil der Flüchtlinge geschlossen wird. Er war bereit, notfalls die Regierung zu sprengen und zu riskieren, dass sich wie in einem Dominoeffekt die Grenzen in halb Europa schließen: Für eine „schärfere Grenzregelung“, die im Schnitt 5 Personen pro Tag betrifft!
Diesmal ist es noch nicht so weit gekommen. Doch für wie lange? Die neue Krise jedenfalls hat bereits jetzt dazu geführt, dass die Mauern in und um Europa noch höher geworden sind – und das ist nichts weniger als barbarisch!
Denken wir nur an die hunderte Frauen, Männer, Kinder, die Hilfsorganisationen vor dem Ertrinken gerettet hatten – und die dann tagelang auf dem offenen Meer herumirrten, auf völlig überfüllten Schiffen, weil ein EU-Land nach dem anderen ihnen die Einfahrt in seine Häfen verweigerte. Die Bilder erinnerten an 1939, an die Flüchtlingsschiffe voller Juden, die von den USA abgewiesen und nach Europa zurückgeschickt wurden, wo viele von ihnen im Konzentrationslager endeten.
Die Regierungen in Ungarn, Polen, Italien, Österreich, hier die CSU und AfD überbieten sich in ihrer hasserfüllten Sprache, in grausamen Maßnahmen gegen Migranten und hartem, nationalistischem Auftreten gegenüber allen anderen Staaten. Es sind die einzigen politischen Argumente, die sie überhaupt noch haben – ihr einziges Argument angesichts wachsender Armut, Arbeitslosigkeit und unsicheren Lebensverhältnissen.
Sie tun so, als würden sie Migranten verjagen, um die Bevölkerung in Europa vor noch mehr Arbeitslosigkeit und Armut zu schützen. Doch selbst wenn sie Europa oder Deutschland in eine Festung verwandeln, in die kein Migrant mehr hineinkommt, würde dies die Konzerne nicht daran hindern, Arbeiter zu entlassen oder Niedriglöhne zu zahlen. Es würde den Arbeiterfamilien nicht dabei helfen, bis zum Monatsende über die Runden zu kommen.
Schlimmer noch, es ist für uns alle eine echte Gefahr. Denn die Nationalisten spielen mit dem Feuer. Sie schaffen eine Stimmung, entfesseln Kräfte, die vielleicht irgendwann keiner mehr in den Griff bekommt. Dass darunter die EU zusammenbricht – was eine katastrophale wirtschaftliche Krise auslösen würde – ist nur eine dieser Gefahren.
Selbst die Kapitalisten, die für ihre Geschäfte Stabilität und den geeinten europäischen Markt brauchen, sind beunruhigt über diese Entwicklung. Doch sie können und werden nichts dagegen tun, denn ihre eigene Wirtschaft bringt dies hervor.
Die wirtschaftliche Krise führt weltweit zu wachsenden Spannungen, zu Handelskriegen, zu Konflikten mit den USA und auch innerhalb der EU. Sie führt zu politischer Instabilität und dem Erstarken politischer Kräfte, die in ihrem Nationalismus und ihrem Hass irgendwann auch nicht mehr vor Krieg oder Bürgerkrieg zurückschrecken. Die Regierungskrise in Deutschland ist ein Symptom dieser Entwicklung.
Es gibt nur eine Alternative, und die liegt in unseren Händen. Wir, die Arbeitenden, Ausgebeuteten und Armen der ganzen Welt haben einen gemeinsamen Kampf zu führen – gegen den Kapitalismus, der die Welt in Chaos und Barbarei treibt.
Internationales
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Das Rentenalter steigt mit der WM
Mitten während der Fußball-WM hat die russische Regierung einen der heftigsten Angriffe auf die Arbeiterinnen und Arbeiter angekündigt: Das Rentenalter, dass seit 1932 gleich geblieben war, soll jetzt schrittweise massiv angehoben werden, für die Frauen von 55 auf 63 Jahre, für die Männer von 60 auf 65 Jahre. Dabei beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer gerade einmal 67 Jahre!
Normalerweise können es die westlichen Staatschefs gar nicht abwarten, jede von Putins Entscheidungen laut zu verurteilen. Doch diesmal haben sie geschwiegen. Wenn es darum geht, die Arbeiter anzugreifen, sind sie nämlich alle auf einer Wellenlänge.
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Kein 12-Stunden-Tag!
100.000 Arbeitende haben in Österreich gegen die Verlängerung der Arbeitszeit demonstriert, in vielen Betrieben gab es außerdem Protestversammlungen.
Die österreichische Regierung will am Donnerstag ein Gesetz verabschieden, dass es erlaubt, am Tag 12 Stunden und in der Woche bis zu 60 Stunden zu arbeiten. Ein Geschenk an die Unternehmer, die die Arbeiter dann noch länger und noch flexibler ausbeuten dürfen.
Die Regierung aus Konservativen und Rechtsextremen hat einen krassen Wahlkampf gegen Migranten geführt, um gewählt zu werden. Gegen Migranten ist sie weiterhin – so wie gegen alle Arbeiter.{{„Freiwillig“ geht nur gemeinsam }}
Die österreichische Regierung behauptet, das Gesetz wäre ganz harmlos. Jeder Arbeiter könne schließlich „frei entscheiden“, ob er so lange arbeiten wolle. Frei entscheiden? Das ist das neuste Modewort von Politikern und Kapitalisten, auch in Deutschland – ob es um Ladenöffnung am Sonntag, schwanger arbeiten bis zum Tag der Geburt oder längere Arbeitszeiten geht.
Kein Arbeiter kann frei entscheiden, wenn er alleine seinem Betrieb gegenübersteht – zumindest nicht, wenn er seinen Job behalten will.
Gemeinsam jedoch haben die Arbeitenden die Kraft, solche Ausbeutergesetze zu verhindern. -
Die wahren Fronten verlaufen zwischen Arbeitern und Ausbeutern
In der türkischen Fabrik Soda bei Mersin haben 530 Arbeiter zu Beginn der Nachtschicht zu streiken begonnen. Sie forderten deutliche Lohnerhöhungen, denn die hohe Inflation frisst ihre Löhne auf. Schon am nächsten Morgen hat Erdogans Regierung den Streik verboten. Den Arbeitern gelang es trotzdem, höhere Löhne durchzusetzen.
Zeitgleich kämpfen bei Gebze in Istanbul Arbeiterinnen der Kosmetikfabrik Flormar gegen ihre Entlassung. Flormar gehört dem französischen Konzern Yves Rocher. Der hatte zunächst 15 Arbeiterinnen entlassen, weil sie eine Gewerkschaft gründen wollten. Als sich hunderte Frauen an Solidaritätsaktionen für sie beteiligten, hat er… 120 Arbeiterinnen entlassen. Doch sie kämpfen weiter.Zwei Beispiele, wie die europäischen und türkischen Kapitalisten Hand in Hand mit Staatschef Erdogan arbeiten, um Arbeiter einzuschüchtern und noch mehr auszubeuten. Doch die Arbeiter dort lassen sich nicht mundtot machen.