Leitartikel
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Große Koalition: Wie ein Karnevalsverein… und trotzdem gefährlich
Noch immer gibt es keine Regierung. Die CDU zerstreitet sich. Bei der SPD jagt eine peinliche Aktion die nächste. Die Parteien erinnern mehr an einen Karnevalsverein. Doch dass sie sich so schwertun, eine Regierung zu bilden, hat politische Gründe.
40 Jahre lang hatten CDU/CSU und SPD zusammen immer über 80% der Stimmen. Sie hatten immer locker eine Mehrheit. Und wenn sich die CDU mal abgenutzt hatte, dann kam halt die SPD dran und umgekehrt.
Doch seit einigen Jahren haben Viele jede Illusion in diese beiden Parteien verloren. Die Stimmen sind daher viel zersplitterter, mehrere andere Parteien haben um die 10%. Und das macht die Bildung einer Regierung schwerer.Vor allem der Wahlerfolg der AfD bringt ihr bisheriges System ins Wanken. Fast in ganz Europa passiert Ähnliches. Doch in Deutschland hat der Erfolg der Rechtsextremen alle besonders geprägt. Weil er neu ist. Und weil zum ersten Mal eine offen rassistische Politik wieder salonfähig geworden ist.
In einigen Bundesländern hat die AfD bereits viel mehr Stimmen als die SPD. Deshalb macht die SPD jetzt so einen Eiertanz. Sie will regieren, sie will die Posten. Doch sie hat Angst, dass sie endgültig ihre Wähler verliert, wenn sie weiter mit der CDU regiert.
Und deshalb ist auch die CDU gespalten: Die einen folgen Merkels Politik, die anderen wollen das Auftreten der AfD nachahmen – in der Hoffnung, dadurch ihre Stimmen zurück zu bekommen.Ja, die AfD ist zu einer Konkurrenz für sie geworden. Deswegen können sie die AfD auch nicht leiden – und nicht wegen ihrer Inhalte. Davon hat die neue Große Koalition längst einige übernommen, wie die Obergrenze oder das Gesetz, das den Flüchtlingen verbietet, ihre Kinder aus der Hölle des syrischen Krieges zu holen. Und vor allem soll die CSU, deren Positionen sich kaum von der AfD unterscheiden, das Innenministerium bekommen! Es gibt also keinen inhaltlichen Graben zwischen der AfD und den Regierungsparteien. Die AfD ist nur noch schlimmer.
Wir brauchen nur nach Österreich zu schauen, wo nach 11 Jahren Großer Koalition jetzt die Schwesterpartei der AfD, die FPÖ mit regiert. Und was sind deren erste Maßnahmen? Die Arbeiter sollen künftig 60 statt bisher 40 Stunden die Woche ausgebeutet werden dürfen… und obendrein weniger Pausen haben. Unternehmer sollen weniger für Arbeitsunfälle bezahlen. Wer seinen Job verliert, soll weniger Arbeitslosengeld bekommen und nach einem Jahr gezwungen sein, jede noch so schlecht bezahlte, unsichere Arbeit anzunehmen. Und im Öffentlichen Dienst sollen tausende Arbeitsplätze vernichtet werden, was das Leben der einfachen Bevölkerung weiter erschweren wird.
Die FPÖ greift die Arbeiter noch brutaler an als die anderen Parteien. Doch sie lenkt davon ab, indem sie gleichzeitig widerwärtige Gesetze gegen Migranten durchsetzt und so tut, als würde sie damit „die Österreicher“ beschützen… während sie in Wahrheit das Leben aller Arbeiter verschlechtert.
Und genau dasselbe macht die AfD! Auch sie steht bereit, um zu regieren und die Arbeiter für den Profit der Kapitalisten weiter niederzudrücken, sobald die anderen Parteien sich zu sehr abgenutzt haben. Mit ihr kommen die Arbeiter vom Regen ins Gewitter.Wir dürfen allerdings auch die Große Koalition nicht unterschätzen. Bei all ihren Pleiten, Pech und Pannen weiß sie genau, welche Politik sie durchsetzen will. Und das sind nicht ihre angeblichen „Wohltaten“ für uns: Wie ihre „Mindestrente“, bei der man künftig statt 800 ganze… 880 Euro Grundsicherung bekommen soll, wenn man mindestens 35 Jahre lang malocht hat – aber auch nur, wenn man wie bei HartzIV beweist, dass man kein Erspartes hat und auch keinen Lebenspartner mit etwas mehr Rente. Oder ihre 8.000 neuen Pflegekräfte, durch die jedes Altenheim im besten Fall gerade mal eine halbe Pflegekraft mehr bekäme.
All diese „Verbesserungen“ sind nichts als heiße Luft, wenn sich nicht gar reale Verschlechterungen dahinter verbergen.In Wahrheit wollen CDU und SPD genau dieselbe Politik weiterführen wie bisher: Eben die Politik, die dazu geführt hat, dass die 40 reichsten Kapitalisten in Deutschland heute mehr besitzen als die Hälfte der Bevölkerung. So wollen sie den Autokonzernen, den Immobilienkonzernen und anderen Konzernen trotz Rekordgewinnen weitere zig Milliarden Euro an Subventionen schenken. Und diese Konzerne, die Jahr für Jahr tausende Arbeitsplätze vernichten, sollen obendrein weniger Geld in die Arbeitslosenversicherung einzahlen müssen.
Für uns hingegen hält die Große Koalition weitere Angriffe parat. Sie will noch mehr Krankenhäuser schließen oder privatisieren. Sie will Arbeit auf Abruf zu einem „normalen“ Arbeitsverhältnis machen. Und überhaupt will sie das Arbeitszeitgesetz aufweichen, damit die Bosse uns noch einfacher beliebig lange arbeiten lassen können, wie sie es brauchen. Und das sind nur die Angriffe, die bereits in ihrem Koalitionsprogramm stehen!
Genau deshalb will die kapitalistische Klasse, dass schnell eine stabile Regierung gebildet wird, die ihre Interessen vertritt – gegen die Arbeiter im eigenen Land und im Rest der Welt. Für uns Arbeiter wird die nächste Regierung nur der nächste Gegner sein. Bereiten wir uns also darauf vor, uns selber zu verteidigen: gegen ihre Angriffe genau wie gegen die Entlassungen, Erpressungen und Einsparungen, mit denen die Bosse auch ohne Regierung unser Leben immer weiter verschlechtern.
Internationales
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USA, Türkei, Israel, Iran, Russland, Saudi-Arabien… Bedrohliche Machtkämpfe: Erreicht der Krieg in Syrien eine neue Stufe?
Die Medien hier hatten gefeiert, dass der Islamische Staat (IS) fast besiegt sei, dass der Krieg in Syrien fast zu Ende sei. Von wegen! Der offene Krieg, den sich die verschiedenen Großmächte und ihre regionalen Verbündeten in Syrien liefern, geht weiter − und mit ihm der Schrecken, der Tod und die Zerstörung, den die syrische Bevölkerung ertragen muss.
Da ist die Türkei, die am 20. Januar eine Offensive in der nördlichen Region von Afrin begonnen hat. Afrin steht unter der Kontrolle der YPG − kurdischer Streitkräfte, die von den USA unterstützt werden. Doch Erdogan will verhindern, dass ein kurdisch regiertes Gebiet in Syrien die kurdische Unabhängigkeitsbewegung in der Türkei stärkt. Und außerdem will er mit einem Krieg von den vielen Problemen im eigenen Land ablenken. Und er ist bereit, dafür die Zivilbevölkerung in Afrin, die einfachen Leute, die Kinder zu terrorisieren.
In das zweite von kurdischen Streitkräften beherrschte Gebiet nordöstlich des Euphrat versuchten zwei Wochen später ebenfalls Truppen einzudringen, allerdings diesmal syrische Truppen des Präsidenten Assad.
Auf diesen zweiten Angriff haben die USA sofort reagiert: Sie haben Kampfflugzeuge und tausende US-Soldaten losgeschickt, um Assads Truppen zurückzudrängen. Und sie haben auch gleich erklärt, dass sie langfristig US-Truppen in diesem Gebiet stationieren wollen − einem Gebiet, das ganz zufällig sehr reich an Erdöl und Erdgas ist.In Afrin hingegen haben die USA nicht reagiert. Im Gegenteil, US-Außenminister Tillerson hat der türkischen Regierung sogar das Recht zugesprochen, in das kurdische Gebiet einzufallen. Allerdings hat er Erdogan scharf davor gewarnt, bis zum Euphrat vorzurücken und dort den USA in die Quere zu kommen.
Ja, die USA hatten die kurdischen Milizen ausgerüstet und benutzt, um gegen den IS zu kämpfen. Dadurch mussten die USA selber keine Bodentruppen in diesen blutigen Krieg schicken. Sie ließen die kurdischen Milizen für sich kämpfen und sterben, und haben ihnen dafür die lang ersehnte Autonomie, ja vielleicht sogar einen eigenen Staat in Aussicht gestellt. Doch jetzt hat der Mohr seine Schuldigkeit getan. Und die USA haben keine Skrupel, die Kurden nun in Afrin dem türkischen Militär, seinen Bombardierungen und Maschinengewehren zu überlassen.In der Region nordöstlich des Euphrat brauchen sie die Kurden jedoch noch, um sich den Ölreichtum dort zu sichern und die Gegend dem Einfluss Assads und damit auch dem Einfluss von Russland und dem Iran zu entziehen.
Vor einigen Jahren waren die USA zwar sehr froh, dass Russland und der Iran in den syrischen Krieg eingegriffen und das Assad-Regime im Kampf gegen den IS unterstützt haben. Doch nun wollen die USA, ebenso wie ihre engsten Verbündeten Israel und Saudi-Arabien verhindern, dass Assads Regime nach der Niederlage des IS die alleinige Macht in ganz Syrien erlangt − und Syrien dadurch unter die Kontrolle ihrer Rivalen Iran und Russland gerät.
Das ist auch der Grund, warum die israelische Luftwaffe am 10. Februar mit einem Großangriff mehrere syrische und iranische Stellungen in Syrien bombardiert hat, wobei zum ersten Mal auch ein israelischer Kampfjet abgeschossen wurde.
Noch sind diese Angriffe „nur“ einzelne Scharmützel, mit der beide Seiten ihrem Rivalen drohen wollen. Doch wie leicht kann dieses Kräftemessen außer Kontrolle geraten und die Bevölkerung in Syrien und den Nachbarländern in den nächsten mörderischen Krieg zwingen!Währenddessen sind obendrein 400.000 syrische Zivilisten in der Enklave von Ghuta gefangen. Sie sind eingekesselt von Assads Armee, ohne Medikamente, zum Teil ohne Nahrung und sauberes Wasser, während Assads Armee sie bombardiert. Mit aller Brutalität will Assad so die Macht über die letzten Rebellengebiete wieder unter seine Herrschaft bekommen, während die dschihadistischen Rebellen, von Saudi-Arabien unterstützt, ihm das Land auf keinen Fall überlassen wollen.
Die Machtkämpfe der Großmächte und ihrer regionalen Verbündeten drohen die Lage in Syrien weiter zu verschlimmern und den Krieg auf die Nachbarländer auszuweiten… mit noch mehr Krieg und Leid für die Bevölkerung in Syrien und der gesamten Region. Auf die schlimmste Weise müssen sie erleben, dass dieses imperialistische System keinen dauerhaften Frieden bringen kann.
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Wiederaufbau des Iraks: Konzerne wie Aasgeier
Vom 12. bis zum 14. Februar trafen sich zahlreiche Regierungen, Organisationen und Konzerne, um über den Wiederaufbau des Iraks zu beraten. Tatsächlich erinnerte das Treffen mehr an eine Schlacht ums Büffet: Alle anwesenden Konzerne wollten Aufträge ergattern, wollen an dem Aufbau des ruinierten Landes und geschundenen Volkes verdienen − und wurden dabei von „ihren“ jeweiligen Regierungen tatkräftig unterstützt. Unter den Anwesenden waren auch der deutsche Entwicklungsminister und der Siemens-Chef.
Das Land, einst entwickelt und weniger arm als viele Nachbarländer, ist in einem katastrophalen Zustand. Drei Kriege hat es durchleben müssen, ab 1991, 2003 und 2014, außerdem zehn Jahre eines bitteren Wirtschaftsembargos und mehrere Jahre Besatzung. Für all dies tragen die westlichen Großmächte, allen voran die USA, die Hauptverantwortung. Das Ergebnis ihrer Politik ist, dass der Irak heute nur noch einem Trümmerfeld gleicht. Genau dieselben Großmächte, die dies zu verantworten haben, wollen jetzt vom Wiederaufbau profitieren.
Oder besser gesagt, von dem bisschen Wiederaufbau, das stattfinden wird. Denn bislang sollen nur 41 Wiederaufbau-Projekte bezahlt werden, wovon die Hälfte… dem Wiederaufbau der Ölindustrie dient! Das nämlich hat Priorität bei ihrem Wiederaufbau: Sie wollen dafür sorgen, dass die internationalen Ölkonzerne wieder vom schwarzen Gold des Iraks profitieren können − während die Bevölkerung noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte auf den Wiederaufbau ihrer Wohnhäuser und Krankenstationen warten kann.