Leitartikel
-
„Jamaika“: Eine Koalition gegen die Arbeiter – und angeheizt von der AfD
Alles rätselt: Wie schaffen es CDU, CSU, FDP und Grüne, eine Regierung zu bilden, obwohl sie in so vielen Fragen gegensätzliche Positionen haben? Dabei ist die Antwort einfach: Alle vier wollen an die Futtertröge der Regierung – da ist alles andere nicht so wichtig.
Eins jedoch steht schon fest: Einmal an der Regierung, wird diese „Jamaika-Koalition“ eine offen arbeiterfeindliche Politik machen. Denn in diesem Punkt sind sich alle vier Parteien einig.
Klar, das ist nichts Neues. Auch die CDU-SPD-Koalition hat die Lage der Arbeiter weiter verschlechtert. Und letztlich setzt jede Regierung die Politik um, die die Kapitalisten verlangen. Doch die FDP und Teile der CDU stehen dabei ganz offen auf der Seite der Bosse.Sie haben sogar Wahlkampf damit gemacht, dass sie mit der Politik der „sozialen Geschenke“ Schluss machen wollen. Dass Paketboten und Frisörinnen wenigstens einen Mindestlohn von 8,84 Euro bekommen, nennen sie ein „Geschenk“! Nach 45 Jahren Arbeit mit 63 in Rente zu gehen, nennen sie ein „Geschenk“! Ja, wir erarbeiten alles, doch jeden winzigen Teil, den wir davon als Lohn oder Rente zurückbekommen, bezeichnen sie als „Geschenk“ an uns.
Die FDP hat außerdem damit geworben, sie wolle die Unternehmer aus ihren „Fesseln“ befreien. Was sie damit meint, zeigt uns die CDU-FPD-Landesregie-rung in NRW. Die hat als allererstes ein „Entfesselungspaket“ verabschiedet, das den Unternehmern erlaubt, die Bauarbeiter auch noch jeden Samstag auszubeuten – und die Verkäuferinnen an zahlreichen Sonntagen. Sprich: Sie fesseln die Arbeiter noch mehr, um die Unternehmer von jeder Einschränkung, Profit zu machen, zu befreien!
Und es sind sicher nicht die Grünen – diese Partei der Mittelschichten – die einer solchen Politik im Weg stehen.
„Jamaika“ wird eine Regierung, die mit Arroganz das Recht der Kapitalisten vertritt, für ihren Profit über Leichen zu gehen. Eine Regierung, die den Kapitalisten noch mehr Möglichkeiten verschaffen will, uns ungehindert auszubeuten. Die ihnen noch mehr Krankenhäuser zum Fraß vorwerfen und weiter die öffentlichen Kassen plündern will, um die Konzerne mit Subventionen und Geschenken zu überhäufen. Wir Arbeiter können und müssen uns darauf vorbereiten, uns dem zu widersetzen.
Einige haben gedacht, sie könnten die Regierungsparteien mit all ihrer Verlogenheit und ihrer Verachtung für die einfache Bevölkerung bestrafen, indem sie AfD wählen. Doch das ist ein gefährlicher Irrtum. Denn die AfD ist kein ernsthaftes Problem für die herrschenden Parteien, dafür aber ein umso schlimmerer Feind der Arbeiter.Die AfD hilft den großen Parteien nicht nur, von den eigentlichen Problemen abzulenken. Dank ihr brauchen CDU, SPD und Co. nicht darüber reden, warum viele Menschen wütend und enttäuscht sind und sie daher nicht mehr wählen. Sie brauchen nicht darüber reden, wie viele täglich ausgelaugt von der Arbeit kommen und obendrein in der Unsicherheit leben, ob sie morgen noch einen Arbeitsplatz haben. Sie müssen nicht über die Probleme all der Arbeiter, Alleinerziehenden, Rentner und kleinen Selbstständige reden, die täglich kämpfen müssen, um über die Runden zu kommen.
Dank der AfD reden sie nur noch über die Flüchtlinge und tun so, als wären sie an allem schuld. Sie reden nur noch von Obergrenzen und Abschiebungen und anderen Maßnahmen, die denen das Leben schwer machen, die vor Krieg, Unterdrückung und Elend fliehen. Als ob diese Maßnahmen etwas an unseren Problemen ändern würden! Als ob mehr Abschiebungen Air Berlin daran hindern würden, zu entlassen! Als ob eine Obergrenze irgendetwas daran ändern würde, dass die Renten sinken und der Personalmangel in den Altersheimen immer unerträglicher wird!
Im Gegenteil: Je mehr alle nur noch über die angebliche „Unsicherheit und Kosten durch Ausländer“ reden, desto ungestörter können die Kapitalisten auf alle, deutsche UND ausländische Arbeiter draufschlagen und unser aller Leben immer unsicherer und ärmer machen.
ThyssenKrupp, Siemens oder Air Berlin fragen nicht, ob man Muslim oder Christ ist, wenn sie einen entlassen. Kaufhof fragt die Arbeiterinnen nicht, ob sie seit ihrer Geburt in Deutschland leben oder erst seit kurzem, wenn sie ihnen jetzt die Löhne kürzen wollen.Die AfD will genau das verschleiern. Sie will, dass wir uns als „Deutsche“ fühlen – in einem Boot mit diesen deutschen Kapitalisten. Sie will stattdessen Hass und Krieg unter uns Arbeitern schüren. Eben deshalb ist sie von allen großen Parteien der schlimmste Feind der Arbeiter.
Sie will uns einreden, dass unser türkischer Arbeitskollege und unser syrischer Nachbar unsere Feinde wären. Genau die, die dieselben Probleme und Interessen haben wie wir. Und mit denen wir im Gegenteil uns zusammentun müssen, wenn wir uns endlich wieder gegen die Angriffe auf unsere Lebensbedingungen wehren – und einen Ausweg aus diesem irrsinnigen System finden wollen.
Internationales
-
Spanien: die Arbeiterklasse zwischen zwei Nationalismen
Das Kräftemessen zwischen der spanischen Zentralregierung und der katalanischen Landesregierung spitzt sich weiter zu. Keiner weiß genau, wie sich die Lage entwickeln wird. Wir veröffentlichen zu diesem Thema einen Artikel unserer französischen Genossen von Lutte Ouvrière vom 25. Oktober 2017.
Seit einigen Monaten steht Katalonien im Mittelpunkt des politischen Lebens in Spanien. Alle Parteien, die für die Unabhängigkeit Kataloniens sind – rechte, linke und linksextreme Parteien – hatten gemeinsam entschieden, am 1. Oktober ein Referendum über die Unabhängigkeit durchzuführen. Madrid hatte dieses Referendum für illegal erklärt. Seitdem geht das Kräftemessen zwischen beiden Seiten weiter.
Weder das Verbot des Referendums noch der massive, gewaltsame Polizeieinsatz hatten verhindert, dass zwei Millionen Katalanen wählen gingen, um ihrer Unzufriedenheit mit der Politik der spanischen Regierung sowie ihrem Wunsch nach Unabhängigkeit Ausdruck zu verleihen. Wie zu erwarten, wurde das Ergebnis der Abstimmung von Madrid für null und nichtig erklärt.
Die Wirtschaftskrise hat Spanien wie den Rest der Welt getroffen und die Lebensbedingungen sehr verschlechtert. Das Erstarken der Unabhängigkeitsbewegung ist der Ausdruck der vielfältigen sozialen Spannungen. Doch ihre Politik hat der arbeitenden Bevölkerung keinerlei Perspektive zu bieten.
Die katalanischen Organisationen, die für die Unabhängigkeit sind, haben zwar eine radikale Sprache, aber sie richten sich in keinster Weise an die arbeitende Klasse, weder in Katalonien noch sonst wo. Die Arbeiter leiden weiter unter den niedrigen Löhnen, der Arbeitslosigkeit und einer immer härteren Ausbeutung. In den Fabriken, im Öffentlichen Dienst, im Handel, in den Banken, im Tourismus oder in der Landwirtschaft: Überall hat man zu gehorchen, ob man nun katalanischen oder andalusischen Ursprungs ist oder aus einem anderen Land kommt.Es ist eine Illusion zu glauben, dass man den Anspruch auf eine bessere Behandlung haben könnte, weil man in Katalonien geboren ist oder eine katalanische Familie hat. Diese Abkapselung von Gruppen auf der Basis ihrer Herkunft spaltet die Ausgebeuteten. Dabei wird es für sie immer notwendiger, sich zusammenschließen, um ihre Rechte geltend zu machen.
In diese Falle sind heute in Katalonien diejenigen getappt, die glaubten, sie könnten Verbündete im Lager ihrer Ausbeuter finden, weil diese dieselbe Nationalität haben wie sie.
Puigdemont ist ein Politiker der liberalen Partei, ein offener Verteidiger der kapitalistischen Klasse.
Diejenigen, die ihm heute vertrauen, lassen sich vor den Karren einer arbeiterfeindlichen Politik spannen und eines Feindes, der bereit ist, alles und das Gegenteil zu verhandeln, um weiter an der Macht beteiligt zu sein. Und vergessen wir nicht Puigdemonts Vorgänger und Parteifreund Arthur Mas, ein Gauner aus der Welt der Hochfinanz und verwickelt in weithin bekannte Skandale, der ebenfalls die Wut der Ausgebeuteten in Sackgassen leiten möchte.Ja, man muss – und das gilt für ganz Spanien – gegen die Politik der spanischen Machthaber kämpfen, dieser reaktionären Monarchie. Und man muss auch die Polizeigewalt anprangern, die der konservative Rajoy mit Unterstützung der sozialdemokratischen Partei PSOE eingesetzt hat. Aber dabei darf man nicht stehen bleiben.
Die Unterdrückung und Gewalt, die Rajoy heute gegen diejenigen organisiert, die sich seiner Politik in der Unabhängigkeitsfrage widersetzen, wird er auch einsetzen, wenn sich Arbeiter gegen die Angriffe der Regierung wehren und ihre Rechte verteidigen.
Über all diese Probleme muss man diskutieren, über alle Probleme, die mit den Sparmaßnahmen, den Privatisierungen im Öffentlichen Dienst, den Angriffen auf die Rente zusammenhängen.Die Puigdemonts und Rajoys streiten sich, weil jeder für einen Teil der kapitalistischen Klasse noch bessere Bedingungen durchsetzen will.
Aber beide sind – jeder auf seine Art und auf seinem Gebiet – bereit, auf die Arbeiterklasse draufzuschlagen.