Seit Wochen gibt es ein wahres Trommelfeuer. Jeden Tag verlangen die Unternehmer weitere Lockerungen. Niemand kann deren Folgen voraussagen. Deshalb ist es offensichtlich, dass man vorsichtig, Schritt für Schritt lockern müsste. Forscher, Mediziner, auch die Bundeskanzlerin und andere Politiker mahnen dazu. Doch die Industrie- und Handelskonzerne haben die eigentliche Macht. Und letztlich macht die Politik, was sie verlangen.
Eigentlich sollten am 20. April erst kleinere Geschäfte öffnen. Doch nur wenige Tage später hatten die großen Handelsketten durchgesetzt, dass alle ihre Läden wieder offen sind. Jetzt können die Kassen von Poco, H&M oder Karstadt wieder klingeln. Und ihre Beschäftigten müssen dafür ihre Gesundheit riskieren, indem sie täglich mit tausenden fremden Menschen in geschlossenen Räumen in Kontakt kommen.
Gleichzeitig lassen VW und Daimler die Autowerke wieder anfahren. Sie wissen, dass es unmöglich ist, hier ernsthafte Abstandsregeln und Schutzmaßnahmen einzuhalten. Doch um auf dem Weltmarkt als erste wieder verkaufen zu können, müssen schon in den nächsten Tagen wieder zig tausende Arbeiter an den Fließbändern und Maschinen stehen – und bei Zulieferern gleich mit.
In den letzten anderthalb Wochen haben ein Großteil der geschlossenen Betriebe ihre Türen wieder geöffnet. In NRW wurden obendrein die ersten Schüler überstürzt gezwungen, wieder zur Schule zu gehen. Und wenn es nach den Bossen geht, dann sollen möglichst schnell alle Kinder wieder in die Schule und sogar in die Kita gehen, damit die Eltern wieder arbeiten können!
Um noch mehr Druck auszuüben, dass alle wieder arbeiten kommen, hatten die Unternehmer auch noch durchgesetzt, dass der Krankenschein per Telefon bei Erkältungssymptomen wieder abgeschafft wurde. Doch angesichts einer Welle der Empörung seitens der Ärzte, die nicht zulassen wollten, dass ihre Wartezimmer zu neuen Covid-Verbreitungsherden werden, musste die Regierung zumindest diese Entscheidung (vorläufig) zurückziehen.
Ja, auch inmitten einer solchen Pandemie ist die kapitalistische Klasse verblendet von ihren egoistischen Interessen, von ihren Marktanteilen, ihren Börsenkursen. Dafür setzen sie alles aufs Spiel, wofür die Bevölkerung so große Opfer gebracht hat!
Sie tun so, als würden sie die Arbeitenden und die Schüler schützen – durch ihre „Maskenpflicht“. Ein schlechter Scherz! Weder in den Läden noch im Nahverkehr werden chirurgische Masken ausgegeben – schlicht und einfach, weil es nicht in Ansätzen genug Masken gibt. Wer nicht selber einzelne Exemplare zu Wucherpreisen auftreiben kann, soll sich selber eine Stoff-Dekoration nähen… oder einen Schal ums Gesicht binden. Das ist so, als würde man Bauarbeitern sagen: Helme kommen erst in drei Monaten, aber arbeitet trotzdem… und setzt euch solange eine Mütze auf.
Chirurgische und auch FFP-Ein-wegmasken sind ganz leicht herzustellen und kosten (eigentlich) nur wenige Cent. Die Industriekonzerne in Deutschland könnten in kurzer Zeit massenhaft davon herstellen, wenn sie es wollten. Sie haben die technischen Möglichkeiten, die Kontakte zu Rohstofflieferanten und beschäftigen Ingenieure, die täglich kompliziertere Probleme lösen als die Herstellung von Einweg-Masken.
Doch weil diese Cent-Artikel nicht genug Gewinn einbringen, wurde ihre Produktion in Europa eingestellt. Aus demselben Grund haben sie auch jetzt kaum Interesse daran. Sie warten lieber, bis einzelne mittelständische Firmen ein paar davon produzieren und aus Asien wieder geliefert wird – auch wenn dies bedeutet, dass Beschäftigte und Patienten in Kliniken und Pflegeheimen weiter täglich ihre Haut riskieren, weil es nicht genug Masken gibt.
Die einfache Bevölkerung bezahlt den Preis für den Bankrott einer Wirtschaftsordnung, in der nur der Profit zählt. Und wir sind erst am Anfang. Denn die Pandemie hat eine Wirtschaftskrise ohne Gleichen ausgelöst. Und die Kapitalisten werden alles tun, um uns für diese Krise bezahlen zu lassen.
Sie tun so, als wäre dies „unvermeid-lich“: Unvermeidlich, dass die einen von uns monatelang nur 60 oder 70% Kurzarbeitergeld haben und in existenzielle Not geraten – während die anderen gezwungen werden, ihre Gesundheit auf der Arbeit zu riskieren. Unvermeidlich, dass es Massenentlassungen geben wird – während die übrigen Arbeitenden auf Lohn verzichten, Sonntags arbeiten oder 12 Stunden malochen, um „die Wirtschaft anzukurbeln“. Dass der Staat jetzt Konzernen und Banken zig Milliarden schenkt – und dafür bei allen sozialen Ausgaben, bei Gesundheit, Bildung, Rente noch schlimmer sparen wird.
Mehr noch: Sie behaupten, je länger es zum Schutz unserer Gesundheit Beschränkungen gebe, desto schlimmer würde es für uns „zwangsläufig“ werden. Doch es gibt keinen Widerspruch zwischen dem Schutz unserer Gesundheit und dem unserer Arbeitsplätze, sondern einzig zwischen unserem Schutz – und dem ihrer Profite.
Gerade erst haben die 160 größten deutschen Konzerne verkündet, mitten in der Krise 44 Milliarden (!) Euro Dividende an ihre Aktionäre zu verschenken. Allein davon könnte man allen Millionen Arbeitenden, die von den Stillständen durch das Virus betroffen sind, ein halbes Jahr lang den vollen Lohn weiterzahlen!
Die reichen Kapitalisten wollen ihre Reichtümer nicht antasten. Sie wollen weiter kassieren, und dafür alle Folgen der Krise auf uns abwälzen. Doch anders als gegen das Virus gibt es hierfür ein erprobtes Gegenmittel, das uns das Leben retten kann: gemeinsame Kämpfe der Arbeiter gegen die Kapitalisten.