Die Medien hier hatten gefeiert, dass der Islamische Staat (IS) fast besiegt sei, dass der Krieg in Syrien fast zu Ende sei. Von wegen! Der offene Krieg, den sich die verschiedenen Großmächte und ihre regionalen Verbündeten in Syrien liefern, geht weiter − und mit ihm der Schrecken, der Tod und die Zerstörung, den die syrische Bevölkerung ertragen muss.
Da ist die Türkei, die am 20. Januar eine Offensive in der nördlichen Region von Afrin begonnen hat. Afrin steht unter der Kontrolle der YPG − kurdischer Streitkräfte, die von den USA unterstützt werden. Doch Erdogan will verhindern, dass ein kurdisch regiertes Gebiet in Syrien die kurdische Unabhängigkeitsbewegung in der Türkei stärkt. Und außerdem will er mit einem Krieg von den vielen Problemen im eigenen Land ablenken. Und er ist bereit, dafür die Zivilbevölkerung in Afrin, die einfachen Leute, die Kinder zu terrorisieren.
In das zweite von kurdischen Streitkräften beherrschte Gebiet nordöstlich des Euphrat versuchten zwei Wochen später ebenfalls Truppen einzudringen, allerdings diesmal syrische Truppen des Präsidenten Assad.
Auf diesen zweiten Angriff haben die USA sofort reagiert: Sie haben Kampfflugzeuge und tausende US-Soldaten losgeschickt, um Assads Truppen zurückzudrängen. Und sie haben auch gleich erklärt, dass sie langfristig US-Truppen in diesem Gebiet stationieren wollen − einem Gebiet, das ganz zufällig sehr reich an Erdöl und Erdgas ist.
In Afrin hingegen haben die USA nicht reagiert. Im Gegenteil, US-Außenminister Tillerson hat der türkischen Regierung sogar das Recht zugesprochen, in das kurdische Gebiet einzufallen. Allerdings hat er Erdogan scharf davor gewarnt, bis zum Euphrat vorzurücken und dort den USA in die Quere zu kommen.
Ja, die USA hatten die kurdischen Milizen ausgerüstet und benutzt, um gegen den IS zu kämpfen. Dadurch mussten die USA selber keine Bodentruppen in diesen blutigen Krieg schicken. Sie ließen die kurdischen Milizen für sich kämpfen und sterben, und haben ihnen dafür die lang ersehnte Autonomie, ja vielleicht sogar einen eigenen Staat in Aussicht gestellt. Doch jetzt hat der Mohr seine Schuldigkeit getan. Und die USA haben keine Skrupel, die Kurden nun in Afrin dem türkischen Militär, seinen Bombardierungen und Maschinengewehren zu überlassen.
In der Region nordöstlich des Euphrat brauchen sie die Kurden jedoch noch, um sich den Ölreichtum dort zu sichern und die Gegend dem Einfluss Assads und damit auch dem Einfluss von Russland und dem Iran zu entziehen.
Vor einigen Jahren waren die USA zwar sehr froh, dass Russland und der Iran in den syrischen Krieg eingegriffen und das Assad-Regime im Kampf gegen den IS unterstützt haben. Doch nun wollen die USA, ebenso wie ihre engsten Verbündeten Israel und Saudi-Arabien verhindern, dass Assads Regime nach der Niederlage des IS die alleinige Macht in ganz Syrien erlangt − und Syrien dadurch unter die Kontrolle ihrer Rivalen Iran und Russland gerät.
Das ist auch der Grund, warum die israelische Luftwaffe am 10. Februar mit einem Großangriff mehrere syrische und iranische Stellungen in Syrien bombardiert hat, wobei zum ersten Mal auch ein israelischer Kampfjet abgeschossen wurde.
Noch sind diese Angriffe „nur“ einzelne Scharmützel, mit der beide Seiten ihrem Rivalen drohen wollen. Doch wie leicht kann dieses Kräftemessen außer Kontrolle geraten und die Bevölkerung in Syrien und den Nachbarländern in den nächsten mörderischen Krieg zwingen!
Währenddessen sind obendrein 400.000 syrische Zivilisten in der Enklave von Ghuta gefangen. Sie sind eingekesselt von Assads Armee, ohne Medikamente, zum Teil ohne Nahrung und sauberes Wasser, während Assads Armee sie bombardiert. Mit aller Brutalität will Assad so die Macht über die letzten Rebellengebiete wieder unter seine Herrschaft bekommen, während die dschihadistischen Rebellen, von Saudi-Arabien unterstützt, ihm das Land auf keinen Fall überlassen wollen.
Die Machtkämpfe der Großmächte und ihrer regionalen Verbündeten drohen die Lage in Syrien weiter zu verschlimmern und den Krieg auf die Nachbarländer auszuweiten… mit noch mehr Krieg und Leid für die Bevölkerung in Syrien und der gesamten Region. Auf die schlimmste Weise müssen sie erleben, dass dieses imperialistische System keinen dauerhaften Frieden bringen kann.