Vor kaum zwei Wochen hat die Welt erlebt, wie rechtsradikale Banden das Kapitol gestürmt haben. Seitdem aber dreht sich alles nur darum, wann Trump abdankt: Als wären mit seinem Abgang alle Probleme beseitigt!
Wir Arbeitenden dürfen uns nichts vormachen. Trump mag von der Bildfläche verschwinden. Die bedrohlichen rechtsextremen Kräfte werden es nicht. Was am Kapitol passiert ist, ist ein Warnsignal – nicht nur in den USA.
Sicher, noch stellen diese rechten Kräfte eine kleine Minderheit dar. Nur einige Zehntausende waren dem Aufruf von Trump gefolgt, der großspurig einen „Marsch der Millionen“ auf Washington angekündigt hatte. Nur wenige hundert drangen in das Kapitol ein, und ihr Auftritt hatte eher karnevalistische Züge: Man denke nur an den halbnackten Mann, der mit einer Fellkappe mit Hörnern posierte, das Gesicht als Nationalflagge bemalt.
Doch unter diesen albernen Verkleidungen steckten Frauen und Männer, die an die Überlegenheit der „weißen Rasse“ glauben. Hinter ihnen stehen paramilitärischen Gruppen, die in den letzten Wochen – angeheizt durch die Wahlfälschungskampagne Trumps – noch häufiger Schwarze, Einwanderer, Juden und Muslime angegriffen und zum Teil schwer verletzt haben.
Gruppen, die im Sommer in Tennessee versucht haben, die Gründung von Gewerkschaften zu verhindern. Und die einen Hass auf alle „Sozialisten“ hegen, sprich auf alles, was mit sozialen Rechten, Streiks und Perspektiven der Arbeiterklasse zu tun hat – der Klasse, die sich aus all denjenigen zusammensetzt, die diese rechten Banden verachten.
Solche Gruppen hat es schon immer in den USA gegeben. Doch in letzter Zeit nimmt ihre Zahl deutlich zu, auch auf der Basis neuer Verschwörungstheorien. Die wirtschaftliche, soziale und gesundheitliche Krise gibt ihnen Nahrung.
Seit der Finanzkrise von 2008 haben die soziale Unsicherheit, Arbeitslosigkeit und Armut stark zugenommen – und mit ihnen die Angst vor dem sozialen Abstieg und der Hass auf die Machteliten. Viele reagieren, indem sie sich in Nationalismus, Identität und Religion zurückziehen. Trump ist es gelungen, sich auf diese Gefühle zu stützen und damit viele
Wähler zu gewinnen.
Seine rassistische Hetze hat dazu beigetragen, von den eigentlichen Verantwortlichen für die Krise, der kapitalistischen Klasse abzulenken. Und sie hat rechtsradikale Gruppen ermutigt, zu Taten zu schreiten. Diese Gruppen werden weitermachen. Und der erfolgreiche Sturm des Kapitols kann sie dabei nur ermutigen.
Viele, auch deutsche Politiker beschwören nun die „demokratischen Kräfte und Institutionen“, als könnten diese ein Schutz vor diesen Entwicklungen sein. Dabei kamen die rechten, umstürzlerischen Aktionen doch mitten aus dem Herzen eben dieser Institutionen: vom Präsidenten und dem Inneren der Republikanischen Partei.
Heute mögen sich ein paar seiner republikanischen Parteifreunde von Trump distanzieren. Doch solange dieser mit seiner Hetze die Wahlen gewann, hat es sie nicht gestört, dass Trump sein rassistisches und sexistisches Gift versprüht hat.
Heute empören sie sich über den Angriff auf „die Demokratie“, weil das Kapitol geschändet wurde: ihr Tempel, in dem sie Gesetze gegen Arbeiter und Kriege beschließen. Doch als dieselben Banden im Sommer mit Zustimmung Trumps die Demonstrationen gegen Rassismus angegriffen und sogar mehrere Demonstranten umgebracht haben – da haben dieselben Abgeordneten sich kein bisschen über diese brutalen Angriffe auf demokratische Rechte empört.
Nein, ihre „Institutionen der Demokratie“ werden uns nicht vor der Gefahr der extremen Rechten schützen. Das hat auch die Haltung der Polizei am 6. Januar mehr als deutlich gezeigt.
Schon Wochen vor dem 6. Januar war in den sozialen Medien für den Sturm auf das Kapitol geworben worden. Doch während die Polizei bei den Demonstrationen gegen Rassismus, ja sogar bei jeder einfachen Umweltdemonstration martialische Geschütze am Regierungssitz auffährt, war die Polizei diesmal wie weggeschmolzen. Dieselben Polizisten, die keine Skrupel haben, auf schwarze Kinder zu schießen, verhielten sich hier sehr zurückhaltend, ja teilweise komplizenhaft. Einige ließen sich sogar mit den Rechten fotografieren.
Nicht wenige Polizisten fühlten sich den Demonstranten und ihren Ansichten durchaus ein Stück verbunden. Und es ist auch kein Zufall, dass zahlreiche Demonstranten ehemalige Polizisten und Militärangehörige waren. So wie Ashli Babbitt, die Frau, die während des Sturms auf das Kapitol getötet wurde und die vierzehn Jahre lang Soldatin, unter anderem in Afghanistan und dem Irak gewesen war.
Diese Nähe zwischen Polizei, Armee und extremer Rechter ist nicht neu – und sie ist auch keine Besonderheit der USA. Wie viele rechtsradikale Chats, Netzwerke und sogar Terrorzellen sind allein in den letzten zwei Jahren in der deutschen Polizei und der Bundeswehr entdeckt worden! Wie viele Verflechtungen zwischen Angehörigen von Polizei und Verfassungsschutz, der AfD, militanten rechtsradikalen Gruppen und Verschwörungstheoretikern gibt es – genau die, die auch bei uns im Sommer den Reichstag zu stürmen versucht haben.
Wenn wir Arbeitenden nicht wollen, dass diese Kräfte stärker werden, dass in den Stadtteilen irgendwann niemand mehr sicher ist, der nicht in das Weltbild dieser Rechtsextremen passt, dann müssen wir uns darauf vorbereiten, uns ihnen selber entgegenzustellen.
Die Arbeiterklasse verfügt als einzige über die gesellschaftliche Kraft hierfür. Sie ist die einzige, die einen Ausweg aus dem Sumpf der kapitalistischen Krise eröffnen kann, der diese Monster hervorbringt. Wenn die Arbeiterklasse wieder anfängt, für ihre materiellen politischen Interessen zu kämpfen und sich hierfür zu organisieren, kann sie alle diejenigen hinter sich vereinen, die die kapitalistische Gesellschaft satt haben.