300 Arbeiter – ein Drittel der Belegschaft – haben sich auf dem Schlachthof von Müller Fleisch in Birkenfeld mit Covid-19 infiziert. 200 von ihnen sind rumänische Arbeiter, die über eine Subfirma arbeiten. Kein Wunder! Sie waren nicht nur auf der Arbeit der Ansteckungsgefahr ausgesetzt, sondern auch in ihren Gemeinschaftsunterkünften, wo sie zu sechst, zum Teil zu zehnt eng zusammengepfercht wohnen müssen – ein idealer Ort für die Verbreitung des Virus.
Einzelunterkünfte zum Schutz der Arbeiter? Ernsthafte Schutzmaßnahmen im Betrieb? Nichts dergleichen. Müller Fleisch hat einfach weiter gemacht wie immer, als würde es Corona gar nicht geben. Und sogar jetzt noch! Zwar wurden alle Arbeiter des Schlachthofs unter Quarantäne gestellt, doch der Betrieb läuft trotzdem weiter, weil er „systemrelevant“ sei. Kein Arbeiter von Müller Fleisch darf also das Haus verlassen, außer um arbeiten zu gehen – wo sie ihre Kollegen weiterhin anzustecken drohen!
Und diese Zustände sind kein Einzelfall. Auf der Großbaustelle des Bahnhofs Stuttgart 21 mussten mehrere Bauarbeiter einer türkischen Subfirma mit Covid-19 ins Krankenhaus gebracht werden. Sie und weitere Kollegen hatten sich auf der Baustelle infiziert, wo sie für 7 Euro die Stunde schuften und zu mehreren in Containern schlafen mussten. Doch noch immer behaupten die Baukonzerne Strabag und Hochtief sowie die Behörden, dass auf der Großbaustelle „alle Schutzmaßnahmen eingehalten werden“ und daher… keine Infektionsgefahr bestehe.
Nicht besser ergeht es den Erntehelfern. Am 11. April ist der erste von ihnen an Covid-19 gestorben. Er war schon mehrere Wochen lang in Deutschland und hatte sich hier infiziert. Am gleichen Tag wurden 1.800 neue Erntehelfer aus Rumänien eingeflogen. Doch die Verachtung gegenüber diesen Arbeitern, die die Ernte in Deutschland retten sollen, ist kaum noch zu übertreffen. Alle 1.800 Erntehelfer mussten stundenlang dicht gedrängt am Flughafen auf ihren Transport warten!
Auch auf zahlreichen Höfen, auf denen sie eingesetzt werden, ist es mit dem Schutz ihrer Gesundheit nicht weit hin. Gemeinschaftsunterkünfte, Dixi-Klos ohne fließend Wasser, kein Desinfektionsmittel… Im Spreewald haben 15 rumänischen Erntehelfer ihre Arbeit eingestellt, nachdem sie mehrfach vergeblich Schutzmaßnahmen eingefordert und zur Strafe nicht einmal ihren Lohn ausbezahlt bekommen hatten.
Schon in normalen Zeiten wird dieser Teil der Arbeiterklasse besonders ausgebeutet. Schon in normalen Zeiten schaden die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen, die sie für ihre Niedriglöhne ertragen müssen, ihrer Gesundheit. Heute bleibt ihnen keine andere „Wahl“ als das Risiko, entweder an der Armut oder am Virus zu sterben.
Ja, das Virus hebt die Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten nicht auf, es verschlimmert sie! Umso notwendiger ist es, dass wir Arbeiter uns über alle Unterschiede hinweg zusammentun, um uns gemeinsam gegen die Profitlogik der Bosse zu wehren.