91% haben sich bei der Urabstimmung der Lokführer-Gewerkschaft (GDL) für Streiks entschieden. Sie fordern 5% mehr Lohn und eine Verkürzung der Arbeitszeit von 39 auf 37 Stunden, als kleine Maßnahme gegen den wachsenden Stress. Denn durch den Personalmangel haben sie mittlerweile unmögliche Schichtpläne und teils 10-Stunden-Tage – und das bei regelmäßiger Arbeit am Wochenende, für 2300 Euro netto im Monat.
Hintergrund des Streiks ist auch das geplante „Gesetz zur Tarifeinheit“. Die Bundesregierung will nämlich nur noch der größten Gewerkschaft in einem Betrieb erlauben, Tarifverhandlungen zu führen und zu Streiks aufzurufen.
Dieses Gesetz würde es heute vor allem den Sondergewerkschaften bestimmter Berufsgruppen (Ärzte, Piloten, Fluglotsen, Lokführer) verbieten, zu streiken. Aber morgen schon könnte es alle Arbeitenden treffen. Denn es ist zum Beispiel durchaus denkbar, dass in einem kirchlichen Krankenhaus, einem Discounter oder Händler wie Amazon der Unternehmer selber eine Gewerkschaft gründen lässt, die alle Verschlechterungen unterschreibt. Und wenn sich eine Minderheit an Arbeitenden dagegen eigenständig organisieren und wehren will, würde auch ihnen das neue Gesetz verbieten, zu streiken.
Die Regierung will das Streikrecht aller Arbeitenden noch weiter verstümmeln. Alle sollen nur noch einmal alle ein bis zwei Jahre und nur mit Zustimmung der größten Gewerkschaft streiken dürfen. Die Lokführer, die sich gegen dieses Gesetz wehren, streiken im Interesse aller Arbeitenden.
Die Führung der Lokführer-Gewerk¬schaft GDL verfolgt bei dem Streikaufruf allerdings ihre eigenen Ziele. Der GDL fällt es zunehmend schwerer, Mitglieder zu gewinnen. Über 40% sind bereits Rentner. Und deshalb versucht sie, ihren Einfluss künstlich zu steigern: Sie will durchsetzen, dass die GDL nicht nur für Lokführer, sondern auch für vier weitere Berufsgruppen (zum Beispiel die Zugbegleiter) die Tarifverhandlungen führen darf, was bislang die andere Gewerkschaft EVG gemacht hat. Dabei wollen die meisten betroffenen Arbeiter das gar nicht, sie sind nämlich mehrheitlich in der EVG. Doch der GDL-Führung ist die Meinung der Kollegen egal.
Indem sie dieses Anliegen in die Streik-Verhandlungen mit hinein nimmt, bringt sie zwangsläufig alle anderen Beschäftigten der Bahn gegen den Streik der Lokführer auf und schadet ihm damit. Doch offensichtlich ist der GDL-Führung ihr eigenes Anliegen wichtiger als der Erfolg der Lokführer.
Umso mehr haben die Lokführer daher ein Interesse daran, ihre Forderungen – also höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und Streikrecht – in den Mittelpunkt zu stellen und dabei auf die anderen Kollegen zuzugehen. Denn je mehr Rückhalt ihr Streik bei den anderen Beschäftigten der Bahn findet, desto erfolgreicher kann er sein – für alle.