Höhere Löhne statt niedrigeres Bürgergeld!

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In den letzten Wochen haben Zehntausende erfahren, dass sie ihre Arbeit verlieren. Die Mode-Ketten Esprit und Sinn haben Insolvenz angemeldet: 2.800 Menschen werden arbeitslos.
Auch Konzerne, die Milliardengewinne machen, kündigen die Schließung von Betrieben und Massenentlassungen an: 14.000 Stellen beim Autozulieferer ZF, 7.000 bei Bosch, 5.500 bei Continental, 10.000 bei SAP, 30.000 bei der Bahn…

Hinzu kommen all die Arbeitsplätze, die die Großbetriebe bei den kleinen Subfirmen und Zulieferern vernichten. Ganz zu schweigen von den über 250.000 Leiharbeitern, die in den letzten zwei Jahren ersatzlos entlassen wurden.
Fast überall versuchen sie noch mehr Stellen zu streichen und den Übrigen noch mehr Arbeit aufzuhalsen. Und wer das gesundheitlich nicht schafft, soll verschwinden: Immer häufiger werden Arbeitende mit „Gesprächen“ nach jedem Krankenschein unter Druck gesetzt, entweder krank arbeiten zu kommen oder den Betrieb zu verlassen.

Mit diesen Methoden wollen die Konzerne sicherstellen, dass sie trotz der weltweiten Wirtschaftsflaute weiter Rekordgewinne machen und ihre Aktionäre beglücken. Mit Erfolg! Die Groß-Aktionäre in Deutschland sind letztes Jahr noch reicher geworden: 10% mehr sind Multi-Millionäre geworden. Und deren Finanzvermögen ist auf 1.900 Milliarden Euro angewachsen.

Und was macht die Regierung? Geht sie gegen diese Super-Reichen vor, die für ihre Gewinne noch mehr Arbeitslosigkeit und noch mehr Überlastung in den Betrieben schaffen? Oder schafft sie wenigstens selber mehr Arbeitsplätze in den Krankenhäusern, Kitas, bei der Bahn? Nein, im Gegenteil.
Stattdessen greift die Regierung diejenigen an, die entlassen werden.

Mit einem neuen Gesetz zum Bürgergeld will sie sie zwingen, künftig jede Arbeit mit einem Arbeitsweg von bis zu drei (!) Stunden annehmen zu müssen. Wer bei Esprit oder Bosch entlassen wird und ins Bürgergeld rutscht, soll künftig also jeden Job annehmen müssen, bei dem er in Vollzeit 12 Stunden und länger unterwegs ist… für 1.400 Euro netto. Und wer auch nur ein Mal so einen Job ablehnt, soll bis zu drei Monate lang 30% weniger Bürgergeld bekommen – sprich von 390 Euro im Monat leben müssen.
CDU, FDP, AfD und dem Kapital reicht selbst das noch nicht. Sie fordern, dass das Bürgergeld für alle sinken oder sogar ganz gestrichen werden soll.

Jeder von uns kann morgen auf Bürgergeld angewiesen sein – selbst diejenigen, die sich dies heute nicht vorstellen können. Wie viele bei BASF oder SAP haben gedacht, sie hätten einen sicheren Job? Wie viele können jedes Jahr aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf nicht weitermachen?
Und trotzdem haben es die Politiker geschafft, uns das Gefühl zu geben, dass jede Verschlechterung beim Bürgergeld in unserem Interesse wäre.

Die Politiker, die selber im Monat 11.200 Euro an Diäten kassieren (bezahlt von den Steuern), stellen ernsthaft diejenigen, die von Bürgergeld leben müssen, als „Privilegierte“ hin. Sie erklären uns, dass das Bürgergeld noch weiter sinken müsse – „aus Gerechtigkeit für die hart arbeitende LIDL-Verkäuferin, die kaum mehr Geld im Monat zur Verfügung hat“.

Doch FDP, CDU oder AfD hat man nicht gehört, als eben diese Verkäuferinnen fast ein Jahr lang immer wieder für höhere Löhne gestreikt haben. Da haben diese Politiker keine Kampagne gestartet, gegen die wahre Ungerechtigkeit: Dass LIDL-Verkäuferinnen so wenig verdienen und so hart arbeiten müssen, damit die reichsten deutschen Kapitalisten wie LIDL-Besitzer Schwarz noch mehr Milliarden anhäufen können.

Im Gegenteil, die Kampagne gegen das Bürgergeld soll genau davon ablenken. Wenn wir vollkommen erledigt von der Arbeit nach Hause kommen und nach Abzug der hohen Miete, Energiekosten und Kita-Beitrag nur wenig mehr zum Leben übrig haben als jemand, der auf Bürgergeld angewiesen ist – dann sollen wir auf letztere wütend sein statt auf die Bosse, die uns so niedrige Löhne zahlen und uns immer mehr Arbeit aufdrücken.

Ihre Kampagne soll außerdem dafür sorgen, dass wir die Verschlechterungen beim Bürgergeld unterstützen. Doch damit schneiden wir uns ins eigene Fleisch – und zwar gewaltig. Denn Verschärfungen beim Bürgergeld sind für die Kapitalisten eine der besten Waffen, um unser ALLER Arbeitsbedingungen noch mehr zu verschlechtern.

Warum sollte ein Chef jemandem schließlich 2.000 netto bieten, wenn er den Job auch für 1.400 Euro macht – weil ihm sonst das Bürgergeld so stark gekürzt wird, dass es kaum noch fürs Essen reicht? Jede Verschlechterung des Bürgergelds ermöglicht es den Kapitalisten, neue Arbeitende zu noch schlechteren Bedingungen einzustellen.

Und es erleichtert ihnen im Betrieb anzugreifen: Denn Arbeitende, die sich vielleicht gewehrt oder gekündigt hätten, werden sich einmal mehr überlegen, ob sie die schlechten Bedingungen nicht doch akzeptieren – aus Angst, sonst vielleicht ins Bürgergeld abzustürzen.
Gerade in der derzeitigen weltweiten Wirtschaftskrise wollen die Kapitalisten uns mehr denn je auspressen, zu möglichst geringen Löhnen. Es ist daher kein Zufall, dass sie gerade jetzt eine so hartnäckige Kampagne gegen das Bürgergeld führen.

Lassen wir nicht länger zu, dass reiche Kapitalisten und ihre Politiker uns spalten und uns erzählen, wem es von uns angeblich noch „zu gut“ geht.
Tun wir uns im Gegenteil zusammen und kämpfen dafür, dass es uns Allen wieder besser geht: Angefangen damit, dass wir Konzerne und Staat zwingen, mehr Arbeitsplätze zu schaffen statt sie zu vernichten – und zwar mit Löhnen, von denen man würdig eine Familie versorgen kann. Geld genug ist dafür da – in den Taschen der Aktionäre!