In den letzten Monaten sind die Preise so stark gestiegen wie seit vielen Jahren nicht – und das gerade jetzt, wo die Renten und viele Löhne gar nicht erhöht wurden. Wo Millionen Arbeitende durch die Krise sogar weniger Lohn haben. Und nun kommen die gestiegenen Preise noch obendrauf.
Manche Preise sind regelrecht explodiert. Gas, Öl und Sprit sind in nur einem Jahr um 20-40% teurer geworden, ebenso Weizen und andere Nahrungsmittel. Die Preise für Stahl, Kunststoffe oder Holz sind um 100% und mehr gestiegen! Und warum? Weil es eine hohe Nachfrage nach all diesen Produkten gibt, aber ein viel zu geringes Angebot.
Zum Teil ist ihr Mangel so groß, dass er weltweit die Wirtschaft durcheinanderbringt. In Deutschland haben 40% der Fabriken Produktionsstörungen. Teilweise stehen tagelang Maschinen und Bänder still, weil sie keinen Kunststoff, Stahl oder daraus hergestellte Teile bekommen. Die Autoindustrie schickt reihenweise Arbeitende in Kurzarbeit, weil Halbleiter und andere Teile fehlen.
Und permanent steht ein Viertel der Baustellen still, weil sie wochenlang auf die Lieferung von Dämmstoffen warten müssen und selbst so einfache Dinge wie Holz oder Farbe nicht bekommen.
Wie oft haben die Verfechter der kapitalistischen Marktwirtschaft über die Mangelwirtschaft gespottet, die in der DDR im Jahrzehnt vor ihrem Untergang herrschte. Im Jahr 2021 hat diese Marktwirtschaft solche Zustände gleich weltweit geschaffen.
Denn obwohl die Wirtschaft eng verzahnt ist, gibt es keinen gesellschaftlichen Plan, was und wie viel produziert wird. Im Gegenteil, es ist das Prinzip des Kapitalismus, dass jeder Kapitalist ganz allein darüber entscheiden kann – sogar Großkonzerne, deren Entscheidungen massive Auswirkungen auf die Wirtschaft weltweit haben. Und genau das ist schuld an dem heutigen Mangel.
Als sich die Wirtschaft nach dem Stillstand im Frühjahr 2020 erholte, schnellte die Nachfrage nach Rohstoffen wie Stahl, Gas oder Öl wieder in die Höhe. Die marktbeherrschenden Großkonzerne in diesen Branchen jedoch sprachen sich ab und entschieden, die Produktion nur langsam hochzufahren und sie auf einem niedrigeren Niveau als vor der Krise zu halten. So gingen sie keinerlei Risiko ein und konnten obendrein die Preise in die Höhe treiben.
Genauso machen es die Konzerne, die den weltweiten Schiffstransport beherrschen. Sie lassen derzeit nur einen Teil ihrer Containerschiffe fahren, sodass es viel zu wenig Transportmöglichkeiten gibt. Wer am meisten bezahlt, dessen Container werden schnell transportiert. Die übrigen müssen warten. Dank dieses künstlich erzeugten Mangels hat sich der Containerpreis verdreifacht. Und weltweit stehen Bänder und Baustellen still, weil Container voller Kabel, Dämmstoffe oder Fahrradspeichen wochenlang in Häfen rumstehen und auf eine Transportmöglichkeit warten.
Hinzu kommen noch die Spekulanten. Die kaufen riesige Mengen an Holz oder Weizen auf und verschlimmern so absichtlich den Mangel, damit die Preise noch weiter steigen und sie mit saftigen Profiten weiterverkaufen können.
Mit diesen parasitären Machenschaften fährt das Großkapital unglaubliche Extraprofite ein. Was schert es sie da, welche Folgen ihr Handeln hat? „Nach mir die Sintflut“ ist das Lebensmotto des Kapitalismus, der dadurch eine Krise nach der anderen erzeugt.
Die Zeche der Mangel-Krise zahlt die arbeitende Bevölkerung. Mit den Lohnverlusten der Kurzarbeit. Mit noch kürzeren Verträgen und mehr Unsicherheit für Arbeitende von Leih- und Subfirmen. Und vor allem mit steigenden Preisen. In armen Ländern führen sie zu dramatischen Situationen, teilweise wie in Nigeria oder Jemen zu Hungersnöten.
Auch Kleinunternehmer, vor allem auf dem Bau, leiden unter dem Mangel und den hohen Preisen. Die großen Industriebetriebe haben genug Wege, um alle Kosten auf andere abzuwälzen. Sie geben die steigenden Preise an ihre Kunden weiter, und so bezahlen am Ende der Kette wir Verbraucher alles. Und ihre Lieferkettenprobleme lösen Daimler und Co. mit Kurzarbeit, die sie sich vollständig aus unserer Arbeitslosenkasse bezahlen lassen – während sie Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten.
Wir Arbeitenden, Rentner*innen und die Allgemeinheit sollen den Preis für den Irrsinn ihrer Weltwirtschaft zahlen, während die Kapitalisten die Champagnerkorken knallen lassen? Es gibt keinen Grund, dies hinzunehmen.
Statt dass die Allgemeinheit bei Lieferketten-Problemen Kurzarbeit bezahlt, sollen die Unternehmen ihren Arbeitenden den Lohn weiterzahlen. Und sollten einige Kleinstbetriebe damit tatsächlich Probleme haben, dann soll sich der Staat das Geld für deren Unterstützung von den Konzernen holen, nicht von uns.
Damit unser Geld nicht unter ihren steigenden Preisen zusammenschmilzt, müssen außerdem alle Löhne, Renten und Sozialhilfen zeitnah mitsteigen – und zwar mindestens so viel, wie die Preise gestiegen sind.
Von keiner der herrschenden Parteien haben wir in dieser Richtung irgendetwas zu erwarten. Im Gegenteil, die diskutieren ja sogar mitten im Wahlkampf, ob man unsere Rente noch weiter verschlechtern solle. Und belasten kurz vor der Wahl unsere Löhne und Renten mit weiteren Abgaben bei den Heizkosten, während sie die Konzerne und Vermieter ein weiteres Mal entlastet haben.
Keine Frage also: Um Maßnahmen gegen die Verschlechterungen unserer Lebensbedingungen durchzusetzen, werden wir mit anderen Mitteln als nur dem Stimmzettel kämpfen müssen.