Seit vielen Monaten gehen in Griechenland, Spanien und Portugal immer und immer wieder Menschen auf die Straße, teilweise zu hunderttausenden, um gegen die massive Sparpolitik zu protestieren.
Sie wehren sich dagegen, dass immer mehr Menschen entlassen und die Löhne gekürzt werden. Dass viele Arbeitende, Arbeitslose und Rentner nicht mehr wissen, wie sie Miete und Essen bezahlen sollen. Dass sie mit ihrer nackten Existenz die Folgen einer Krise bezahlen sollen, für die sie absolut nicht verantwortlich sind – während die wahren Verursacher, die großen Unternehmen und Banken, in Ruhe gelassen und sogar noch beschenkt werden.
Man kann nur tiefe Solidarität und Respekt empfinden: Die Arbeitenden in Portugal, Griechenland und Spanien haben einen ersten wichtigen Schritt gemacht, den wir hier noch nicht gehen. Sie nehmen die Angriffe nicht einfach hin, sondern wehren sich. Dabei haben sie es doppelt schwer. Schließlich müssen sie sich nicht nur gegen die eigenen Herrschenden durchsetzen, sondern auch gegen die deutsche und französische Regierung und vor allem gegen die deutschen und französischen Banken, die die ärmeren Länder Europas an der Gurgel halten und deren Politik bestimmen.
Und ja, massenhafte Proteste und Streiks sind die einzige Chance, die die Bevölkerung hat – sie sind das einzige wirksame Druckmittel, das die Arbeitenden besitzen. Allerdings brauchen sie für ihre Kämpfe auch Ziele, mit denen sie wirklich etwas an ihrer Lage ändern können. Gerade solche Perspektiven aber fehlen heute überall.
Alle größeren politischen und gewerkschaftlichen Kräfte bieten den Arbeitenden in Südeuropa nur Sackgassen an. Die einen sagen zum Beispiel, man müsse Neuwahlen erkämpfen – eine andere Regierung würde alles besser machen. Andere tun so, als wäre der Austritt aus der EU die Lösung für die Probleme der einfachen Bevölkerung.
Keine dieser angeblichen „Lösungen“ aber würde auch nur das Geringste für die Arbeitenden verbessern – wenn sie ihre Lage nicht sogar verschlechtern. Und zwar vor allem deshalb, weil sie alle von einer grundlegend falschen Annahme ausgehen: Nämlich dass man eine „Lösung“ für alle finden könne, also eine Lösung, mit der sowohl die Arbeiter als auch die Kapitalisten gut und zufrieden leben könnten.
Genau das jedoch ist nicht möglich. Mit solchen Perspektiven müssen die Kämpfe daher zwangsläufig in Sackgassen enden, ohne dass sich für die arbeitende Bevölkerung irgendetwas verändert. Und dann wäre all das Engagement, wären all die Kämpfe umsonst gewesen!
Wir hier in Deutschland sind heute noch einen Schritt dahinter. Hier gibt es zurzeit keinerlei Kämpfe. Doch gerade deshalb sollten wir die Zeit nutzen, um uns darauf vorzubereiten.
Denn auch hier kann jederzeit die Kampfbereitschaft wieder ansteigen, kann der Moment kommen, wo viele Arbeitende die Wut packt und sie endlich nicht mehr nur einstecken wollen. Und damit die lang ersehnten Kämpfe dann nicht in Sackgassen enden, brauchen die Arbeitenden ein klares Bewusstsein ihrer Lage, ihrer Freunde und Gegner und vor allem Perspektiven, mit denen sie tatsächlich ihre Interessen verteidigen und ihre Lebensbedingungen dauerhaft verändern können.
Und das Wichtigste ist, dass uns bewusst sein muss, dass Arbeitende und Unternehmer immer vollkommen gegensätzliche Interessen haben. Die allerwichtigste Existenzbedingung für uns ist, einen Arbeitsplatz zu haben und einen Lohn, von dem man leben kann. Doch wie sollen wir das dauerhaft durchsetzen, wenn die Kapitalisten jederzeit das Recht haben, uns zu entlassen?
Alleine nur, um einen Arbeitsplatz für jeden durchzusetzen, muss man die Allmacht der Kapitalisten über die Entscheidungen in den Betrieben in Frage stellen. Wir Arbeiter müssen durchsetzen, dass es den Unternehmen verboten wird zu entlassen, dass die bestehende Arbeit unter allen aufgeteilt wird, damit jeder Arbeit hat. Außerdem müssen wir durchsetzen, dass unsere Löhne deutlich angehoben werden und dann automatisch mit jeder Preissteigerung mitsteigen. Und es müssen dringend massenhaft Arbeitsplätze in Krankenhäusern, Schulen, Altenheimen, im gesamten Öffentlichen Dienst geschaffen werden.
Und wenn die Kapitalisten erzählen, das alles sei nicht möglich, dann müssen wir uns das Recht nehmen, ihre Aussagen zu kontrollieren. Und das heißt, dass wir unsere Nasen in alle ihre Angelegenheiten, ihre geschäftlichen und privaten Konten stecken müssen. Dass wir ihre Geschäftsbücher, Unterlagen, Emails lesen, die verschlossenen Türen der Aufsichtsräte und Banktresore öffnen müssen.
Dann nämlich können wir ihnen sofort beweisen, dass ein sicherer Arbeitsplatz und ein vernünftiger Lohn für alle sehr wohl möglich sind. Und damit haben die Arbeitenden die Macht, eine reale Alternative durchzusetzen zur Politik der Unternehmer und der Regierung, die die Gesellschaft nur ins Elend treibt.