„Keine Sorge, die Beschäftigten von Schlecker finden schnell einen neuen Job.“ Man muss wirklich von der Leyen heißen und CDU-„Arbeits“ministerin sein, um den Arbeiterinnen von Schlecker solche weltfremden und höhnischen Bemerkungen ins Gesicht zu schleudern.
Über 12.000 von ihnen verlieren auf einen Schlag, nach teilweise 20 oder 25 Jahren im Betrieb, ihre Arbeit. Und sie wissen genau, was das bedeutet: Viele, erst recht die Älteren, haben kaum eine Chance auf einen neuen Job, mit dem sie auch tatsächlich ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten. Sie alle erwartet Arbeitsamt, Maßnahmen… oder einer der vielen Mini-, Teilzeit- oder Niedriglohnjobs – zumal in einer Branche, die darin Spitzenreiter ist. Und was die 13.000 verbleibenden Beschäftigten bei Schlecker betrifft, so wissen auch sie nicht, ob einen Teil von ihnen nicht bald dasselbe Schicksal ereilt.
Ihren Schock, aber auch ihre Wut drückten sie auf den Protestveranstaltungen aus, die an vielen Orten gegen die Massenentlassungen stattfanden. Wut darüber, dass sie „Anton Schlecker zum Milliardär gemacht haben und er sich jetzt vom Acker macht“.
Ja, nachdem die Familie Schlecker jahrelang durch die Arbeit der Schlecker-Frauen Geld gescheffelt hat, ist sie nun einfach von der Bildfläche verschwunden. „Wir können nichts mehr tun. Wir haben kein Geld mehr“, behauptet sie.
Doch wieso sollten die Arbeiterinnen Anton Schlecker und seiner Familie das glauben? Einem Unternehmer, der sie all die Jahre systematisch betrogen und belogen hat. Dessen Name in der ganzen Republik zum Symbol für Verachtung und Ausbeutung seiner Beschäftigten geworden ist. In dessen Filialen oft ein Klima von Überwachung und Angst herrscht und ein Krankenschein zur Abmahnung oder Kündigung führen konnte. Der seine Beschäftigten immer wieder um Lohn betrogen hat.
All seine Machenschaften drangen nur an die Öffentlichkeit, weil es bei Schlecker immer wieder Arbeiterinnen gab, die nicht alles hinnahmen, sondern sich gemeinsam wehrten. Sie erreichten, dass Schlecker 1998 wegen Lohn-betrugs in großem Stil verurteilt wurde. Und sie verhinderten 2010 ein Lohndumping in riesigem Ausmaß: Schlecker hatte versucht, seinen Beschäftigten zu kündigen und sie alle über eine Leihfirma zu deutlich schlechteren Löhnen wieder einzustellen.
Und so gibt es genügend Gründe, die Aussagen der Familie Schlecker auch heute nicht einfach hinzunehmen. Ihr nicht zu trauen, wenn sie behauptet, dass sie „nichts mehr hat“. Zu Recht stellen sich viele die Frage: Wo sind die mindestens 2-3 Milliarden Euro Privatvermögen hin, mit denen Vater Schlecker im letzten Jahr zu den 100 reichsten Deutschen zählte? Und wie viel Vermögen hat die Familie wohl über Jahre beiseite geschafft, auf Nummernkonten, mit anderen Namen, über all die vielen Wege, die Unternehmer so gut kennen, um ihr Geld nach Belieben „verschwinden“ zu lassen?
Die Wahrheit werden die Arbeiterinnen wohl nie erfahren. Denn sie, die im Gegensatz zur Familie Schlecker die Insolvenz mit dem Verlust ihrer Existenz bezahlen, hatten und haben keine Möglichkeit zu kontrollieren, was Schlecker mit all dem Geld gemacht hat, das sie durch ihre Arbeit erwirtschaftet haben.
Wie in allen Firmen werden diese Informationen mit Hilfe des „Geschäftsge-heimnisses“ und des „Bankgeheimnis-ses“ vor den Arbeitenden versteckt. Nicht ohne Grund. Denn wenn sich die Arbeitenden das Recht nehmen würden, systematisch die Einnahmen, Ausgaben und Geldverschiebungen der Firma zu kontrollieren und ebenso die privaten Vermögen aller Kapitalisten, die an der Firma verdienen, dann könnten die Kapitalisten viele ihrer Angriffe nicht mehr so einfach durchsetzen.
Dann nämlich wüssten die Arbeiter, bei welchen Anteilseignern, Grundstückseigentümern, Banken sie das Geld zurückholen könnten, wenn die Firma selber angeblich kein Geld mehr hat. Dann würden sie sehen, dass es fast nie nötig ist zu entlassen, Löhne zu senken oder Leiharbeit auszuweiten. Dass es fast immer eine Wahl gibt, eine Entscheidung entweder zugunsten der Kapitalisten und ihrer Profite oder zugunsten der Arbeitsplätze, der Löhne, der Gesellschaft.
Heute liegt diese Entscheidung einzig in den Händen der Unternehmer. Sie entscheiden ganz alleine darüber, was sie mit den Gewinnen machen, welche Geschäftsideen sie verfolgen, welche weiteren Firmen oder Aktien sie kaufen, auf wessen Konten sie den Reichtum schaffen. Wie Diktatoren entscheiden sie so über das Schicksal der Firmen und damit auch über das Leben der Arbeitenden. Und ihre einzige Richtschnur bei diesen Entscheidungen ist der Profit.
Dieses diktatorische Recht, diese Allmacht der Kapitalisten werden die Arbeitenden brechen müssen, um ihr Recht auf Leben zu verteidigen.