Bangladesch: Im Land der Textil-Fabriken stürzen Massenproteste die Regierung

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In Bangladesch haben wochenlange Massenproteste die Regierung gestürzt. Es begann eigentlich mit einer „Kleinigkeit“. Die Regierung hat versucht, ein Gesetz durchzubringen, dass vielen jungen Leuten die Chance auf einen Studienplatz und damit auf eine zumindest etwas weniger schlecht bezahlte Arbeit genommen hätte. Die Jugendlichen begannen dagegen zu protestieren. Doch schnell richtete sich der Protest gegen die ganze Misere: die Massenarbeitslosigkeit, die Korruption, die extreme soziale Ungleichheit, die Armut…
Die Regierung ließ auf die Demonstrierenden schießen. Mehrere hundert wurden getötet, tausende willkürlich festgenommen. Doch statt die Bewegung dadurch zu ersticken, ergriff die Empörung immer breitere Teile der Bevölkerung.

Bangladesch ist eines der größten Zentren der Textilindustrie. Von H&M bis Hugo Boss lassen fast alle großen westlichen Marken hier ihre Kleidung fertigen – hauptsächlich von Frauen, die zu extrem niedrigen Löhnen und schlechten Bedingungen ausgebeutet werden. Immer wieder haben die Arbeiter*innen allerdings den Kapitalisten mit massiven, kämpferischen Streiks die Stirn geboten.
Nun hatten offensichtlich sowohl die westlichen Kapitalisten wie ihre Zulieferer vor Ort Sorge, welche Folgen die Ausweitung der Massenproteste wohl in den Fabriken haben könnte. Die Kapitalisten – ebenso wie die Armee – haben daher der Regierung die Unterstützung entzogen. Als Massendemonstrationen auf den Regierungspalast zumarschierten, kamen sie ihr nicht mehr zur Hilfe… und die Ministerpräsidentin floh vor der Bevölkerung mit einem Helikopter ins Ausland.
Stattdessen versucht die Armeeführung so zu tun, als wären sie auf Seiten der Bevölkerung – um in Wahrheit tiefergehende Änderungen zu verhindern. Nach dem Sturz der Regierung hat sie die Dinge in die Hand genommen und eine Übergangsregierung gebildet, mit Muhammad Yunus an der Spitze – einem Friedensnobelpreisträger, der für Mikro-Kredite an arme Bauern und Handwerker eingetreten ist und daher der Regierung den Anstrich einer „Regierung auf Seiten der Armen“ verleiht.

Doch hinter der Regierung steht derselbe alte Machtapparat: dasselbe Militär, das noch kurz vorher auf Demonstranten geschossen und vor wenigen Monaten im Dienst der Kapitalisten streikende Arbeiterinnen erschossen hat. Für die einfache Bevölkerung kann sich nur wirklich etwas ändern, wenn diese wirklichen Machthaber – Armee und Kapitalisten – gestürzt und alles von der Bevölkerung übernommen wird.

Weil die verhasste Polizei sich aus Teilen der Öffentlichkeit zurückziehen musste, haben Demonstranten diese Aufgaben bereits übernommen. Sie regeln den Verkehr und schützen öffentliche Einrichtungen. Was fehlt, sind wie in so vielen Revolten der letzten Jahre politische, revolutionäre Arbeiteraktivisten, die das Bewusstsein verbreiten, dass sie nicht dabei stehen bleiben dürfen, sondern die gesamte Leitung und Organisation der Gesellschaft in die eigene Hand nehmen müssen.